Kirche – mehr als ein sozialer Club Gleich­ge­sinn­ter?

Glaubensimpuls

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Dr. Stefan Zürcher

Bischof Mittel- und Südeuropa


Gedanken von Bischof Zürcher zur europäischen Vielfalt 

Vom 4. bis 5. Juli nahm ich an einer Tagung in Wien teil. Ich wurde gebeten, etwas zum Thema »Wir halten die Spannungen der europäischen Vielfalt aus!« zu sagen. In einem kurzen Video stellte ein junger tschechischer Pfarrer die Frage: Ist die Kirche nur ein weiterer sozialer Club, in der jeder und jede jene sucht, die die eigenen Interessen teilen?

Ja, ist die Kirche lediglich ein Club Gleichgesinnter? – »Unser Vater« beten wir. Damit drücken wir aus: Wir sind Geschwister. Freunde suchen einander aus, Geschwister nicht! Freundschaften beruhen auf Sympathien, gemeinsamen Interessen und anderem. Schwestern und Brüder sind Geschwister, weil sie in dieselbe Familie hineingeboren wurden.

Ich mag dieses Bild im Blick auf die Kirche. Allein die Tatsache, dass der dreieine Gott uns alle in seine Familie gerufen hat, macht uns zu Geschwistern. Deshalb ist Vielfalt – Unterschiedlichkeit und in vielen Belangen sogar Gegensätzlichkeit – ein Wesensmerkmal von Kirche. Das bedeutet Reichtum und Bereicherung, führt aber, wie wir wissen, auch zu Herausforderungen und Spannungen. Kirche ist deshalb das erste Bewährungsfeld für ein glaubwürdiges Leben als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu in Liebe, Gerechtigkeit, Frieden und Freude.

Wie aber können wir trotz Vielfalt und über Grenzen hinweg gemeinsam Kirche sein und bleiben? Ich nenne sieben Elemente, die das Eins-Sein in der Vielfalt und selbst in der Uneinigkeit in manchen Fragen bewahren helfen:

  • Der Fokus auf Christus, das Zentrum unseres Glaubens. Durch den Gebrauch der Gnadenmittel, vor allem der gemeinschaftlichen, richtet Christus uns auf IHN als Mitte aus.
  • Der Fokus auf den gemeinsamen Auftrag und gemeinsame Aufgaben, d.h. auf die Teilhabe an der missio dei. Christi Auftrag führt uns mitten in die Welt und zu den Geschöpfen mit ihren Nöten und Sehnsüchten – und damit wiederum zu IHM.
  • Gottes Liebe. Sie befähigt uns, einander zu lieben. Tiefere Liebe, nicht größeres Wissen ist das Fundament christlicher Gemeinschaft.
  • Das christliche Gespräch. Offenes, respektvolles Konferieren über Fragen des Lebens und Glaubens verbindet Glaubende zu einer lebendigen Auslegungs- und Lerngemeinschaft.
  • Persönliche Beziehungen. Regelmäßige persönliche Begegnungen ermöglichen gemeinsame (Glaubens-)Erfahrungen. Miteinander zu essen ist ein wichtiger Begegnungsort.
  • Die Unterscheidung von »Doctrine« und »Teachings«. Sie hilft, das, was zum Fundament des Eins-Seins gehört, von den Meinungen, die vielfältig sein mögen, zu unterscheiden.
  • Die bewusste Anerkennung und Bejahung der Vielfalt bzw. der Differenzen sowie der Wille, trotzdem eins zu bleiben – und das Streben danach, einander im jeweils anderen Kontext zu unterstützen.

Alle diese Handlungsoptionen sind keine Garantie, dass vorhandene Spannungen nicht zu Trennungen führen. Das erleben wir gerade sehr schmerzlich. Das Eins-Sein ist das Werk Christi durch seinen Geist. Alle Bemühungen um das Eins-Bleiben müssen deshalb getragen sein vom Gebet um Christi Gegenwart und um das Wunder des Verbundenbleibens in IHM.

Bischof Stefan Zürcher

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