Was feiern wir ei­gent­lich?

Faith Impulse


Die Predigt, die Lokalpastor Frank Moritz-Jauk im Online-Gottesdienst an Pfingsten zu Johannes 16, 4b-15 hält

Liebe Gemeinde und liebe Geschwister, die ihr mit uns über das Internet verbunden seid: Heute feiern wir Pfingsten. Und nachdem Pfingsten wie kein anderes christliches Fest mit dem Heiligen Geist oder der heiligen Geistkraft verbunden ist, möchte ich euch heute auf eine Trostreise einladen.

Trostreise? Warum dass denn, werden manche fragen. Nun, ich könnte es auch Vergewisserungsreise nennen aber auch das werde ich erklären müssen. Aber das Bild der Reise oder des Weges passt für mich am Besten zum heutigen Tag, zum heutigen Pfingstfest.

Ich habe einigermaßen lange gebraucht, bis ich selbst eine Ahnung davon bekommen habe, warum ich mir mit dem Pfingstfest schwer getan habe. Auf diese Gedankenreise lade ich euch jetzt ein und hoffe, dass sich auch bei euch der eine oder andere Nebel lichten wird. So er denn vorhanden war - man sollte nie von sich selbst auf andere schließen. Aber deswegen beginne ich heute wieder einmal dort, wo ich mich am Besten auskenne. Und das ist bei mir selbst.

Zunächst einmal ist mir bewusst geworden, dass wir zu Pfingsten keine wirklichen Symbole haben. Da ist keine Krippe, da sind keine Schafe, Engel und Hirten und da ist auch kein Stern oder Stall. Keine Symbole, das bedeutet, da ist nichts, was uns sofort in den Sinn kommt, wenn wir an Pfingsten denken. Pfingsten ist nicht vergleichbar mit Weihnachten.

Anders als zu Karfreitag und Ostern gibt es auch keine starken, nachvollziehbaren Gefühle, die von zu Tode betrübt bis zum staunenden Jubel reichen. Passion, Kreuz, Tod und Auferstehung das ist eine Achterbahn der Gefühle, die natürlich ihre Wirkung hinterlässt.

Und es gibt zu Pfingsten auch keine Rituale oder Brauchtum. Also gibt es kein „frisch und gsund“ schlagen, man kann weder Pfingsteier suchen gehen noch gibt es einen erleuchteten Pfingstbaum mit massenhaft Geschenken darunter. Als bildhaftes Zeichen haben wir nur die Taube und die konnte sich gegen Weihnachtsmann und Osterhase eben noch nie wirklich durchsetzen.

Wobei wir hier schon bei der zweiten Schwierigkeit angelangt sind und das ist die Körperlichkeit. Selbst wenn wir Weihnachtsmann und Osterhase aus christlicher Sicht gut in den Bereich des Brauchtums stellen können und uns auf die biblischen Geschichten besinnen, so bleibt doch die fehlende Körperlichkeit. Jesus, als menschgewordener Sohn Gottes, ist ein Mensch wie du und ich. Ob als kleines Kind in der Krippe oder als gemarterter Mensch am Kreuz hat er einen Körper. Er ist, ohne dass wir jetzt sein wirkliches Gesicht kennen oder gesehen hätten, ein Mensch. Jesus als Menschensohn ist damit greifbar, im Sinne von vorstellbar. Jesus ist ansprechbar, weil seine Jüngerinnen und Jünger mit ihm gesprochen haben. Und zwar vor und nach seinem Tod. Die Taube hingegen ist ein Tier und sie ist ein Symbol für die Heilige Geistkraft. Die Taube selbst ist nicht der Heilige Geist. 

Am deutlichsten wird dieser grundlegende Unterschied meines Erachtens im Gebet, also in der Gottesanrede, sichtbar. Wie sprichst du Gott an, in deinem eigenen, persönlichen Gebet? Ist es nicht so, dass wir viel öfter Jesus ansprechen oder Gott den Vater? Ob wir jetzt guter Gott, barmherziger Gott, Jesus oder Herr sagen?

Eine weitere große Schwierigkeit ist, glaube ich, dass sich die spektakuläre Wucht des Pfingstfestes, so wie wir es aus der Apostelgeschichte kennen, nicht wiederholt. Zumindest in den Gemeinden und Kirchen in denen ich in den letzten 35 Jahren war, ist es nicht so gewesen. Dass sich an Pfingsten ein gewaltiges Brausen erhoben hat, dass Feuerzungen auf die Anwesenden herabgekommen sind und dass die Menschen begonnen haben in verschiedenen Sprachen zu reden, so dass jede und jeder sie in seiner Muttersprache die großen Taten Gottes loben hören konnte. 

Ein einziges Mal konnte ich ein Staunen auf die Gesichter meiner koreanischen Geschwister zaubern, als ich zu Pfingsten 3 Sätze auf koreanisch auswendig gelernt hatte. Hanna nimul chang jang ham ni da - Groß ist Gott zu preisen. Das weiß ich heute noch aber es war eben nicht der Heilige Geist, sondern harte, lautmalerische Arbeit, die mir diese fremde Sprache erschlossen hat.

Dieses Pfingstwunder, also das Sprechen in fremden Sprachen, führt uns zur letzten heute von mir beschriebenen Schwierigkeit und das würde ich die charismatische Nähe nennen. Vielleicht tun wir uns bewusst oder unbewusst deshalb so schwer mit dem Heiligen Geist oder der Heiligen Geistkraft, weil wir zu viele charismatische oder freikirchliche Bilder oder Frömmigkeitsformen damit verbinden. Menschen, die bei einer Handauflegung umfallen oder die Zungenrede praktizieren, Menschen die von Visionen im Traum berichten oder die ihre Sätze mit „der heilige Geist hat mir gezeigt etc. etc. „ beginnen. Möglicherweise hat das bei uns dazu geführt, dass wir den Heiligen Geist in einem ganz bestimmten Licht sehen. Und weil wir persönlich andere Schwerpunkte setzen und uns von dieser Frömmigkeitsform abgrenzen wollen, erscheint und die Heilige Geistkraft nicht besonders erstrebenswert. 

Oder anders gesagt: Die Pfingstbewegung, der sich viele freikirchlich, charismatische Kirchen zugehörig fühlen, verbreitet ein ganz bestimmtes Bild oder Verständnis vom Heiligen Geist und den Geistgaben und das kann auch unser Verständnis beeinflusst haben.

Vielleicht wird an dieser Stelle jetzt deutlich, warum ich zu Beginn meiner Predigt von einer Trost- oder Vergewisserungsreise gesprochen habe. Wir können feststellen, dass Pfingsten kaum in unserer Gesellschaft verankert ist, weil die Symbole und das Brauchtum fehlen. Weiters habe ich versucht zu zeigen, dass Pfingsten von gewissen Vorstellungen besetzt zu sein scheint. Vorstellungen die aus der Darstellung in der Apostelgeschichte und der charismatischen Pfingsbewegung kommen. Und mit dieser Klarheit vor Augen sollten wir jetzt in der Lage sein, zu sagen, was wir selbst mit Pfingsten und dem Heiligen Geist oder der Heiligen Geistkraft verbinden. Für mich kommen jetzt die heute gehörten Lesungen ins Spiel. 

Wenn ich im Römerbrief vom Geist höre, der mit Flehen und Seufzen für mich und die unvollendete Schöpfung eintritt, dann fühle ich mich getröstet. Angesichts meiner eigenen Machtlosigkeit und den verschiedensten Formen von Leid, ist mir das ein großer Trost. Gott selbst, in Form des Heiligen Geistes, ist an meiner Seite und begleitet mich. In der Welt, so wie ich sie erlebe, gibt es Hunger, Krieg, Umweltzerstörung, Flucht, Ausbeutung und Lügen aber das ist nicht das Ende. Das Ende ist eine erlöste Schöpfung und die Heilige Geistkraft begleitet uns Menschen durch dieses Leid.

Wenn wir heute im Johannesevangelium am Anfang gehört haben, dass „wenn der Helfer kommen wird, wird er mein Zeuge sein“ dann ist das für mich das Fundament meines Glaubens. Paulus beschreibt es im Römerbrief noch etwas deutlicher: „Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind“. (Röm 8,16) Aber es ist hier genauso gesagt: Der Heilige Geist ist es, der Jesu Zeuge ist. Er ist es, der uns glauben lässt, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist und dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat. Ohne Geist, gibt es keinen Glauben - jede und jeder der glaubt, dass Jesus der Christus ist, kann das nur mit dem empfangenen Heiligen Geist sagen und bezeugen. Das ist die Vergewisserung, die ich meine. Eine wichtige Feststellung.

Und das letzte Bild, das ich heute vorstellen möchte und das ich auch unmittelbar dem Lesungstext entnehme, ist das Bild oder die Vorstellung des Helfers. Auch damit ist viel gesagt. Eine Helferin oder ein Helfer ist nicht der Boss. So sehr der dreieinige Gott der Schöpfer des gesamten Universums sein mag, so sehr Gott also der allmächtige „Boss“ ist, so sehr unterscheidet sich die Haltung, die Gott um der Liebesbeziehung willen, zu uns Menschen einnimmt. Und so erlebe ich Gott in der Gestalt des Heiligen Geistes in meinem ganz persönlichen Leben, in meiner Arbeit und in meinem Glauben: Gottes Heilige Geistkraft hilft. Sie hilft verlässlich und meistens unspektakulär. Aber die Hilfe ist immer wieder spürbar, sie ist erlebbar und sie drängt sich nicht in den Vordergrund. Es ist das Wesen des Helfens, dass man gemeinsam, und eben nicht allein, ans Ziel kommt. 

In diesem Sinne verstehe ich auch das Ergebnis unserer heurigen Jährlichen Konferenz, die sich mit dem Thema „Wie sollen wir lehren?“ beschäftigt hat. Wie sollen und wollen wir lehren? Wir laden dazu ein, gemeinsam eine Weg- und Lerngemneinschaft zu bilden. Wo wir gemeinsam unterwegs sind und wo wir voneinander lernen. 

Oft erscheint es einfacher, wenn eine oder einer sagt, wo es lang geht. Oft sind die gemeinsamen Wege nicht die geradesten oder die Wege die am schnellsten zum Ziel führen. Aber die gemeinsamen Wege formen die gemeinsame Erinnerung und sie erarbeiten ein Ziel gemeinsam. 

Gottes Heilige Geistkraft ist Helferin, nicht Bestimmerin und deswegen sollen auch wir so handeln, wie Gott es uns vorlebt.

Amen.

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