Andacht am 2. Konferenz-Tag: "Ein Spiegel für Viganella – viele Spiegel für uns"

Faith Impulse


Eine Andacht zum Thema Spiegel & Spiegelbild, gehalten von Christine Flick, Gast der Süddeutschen Jährlichen Konferenz
Andacht bei der JK

„Schade, dass die Sonne nicht scheint!“ – „Natürlich scheint die Sonne, sonst wäre es ja nicht hell, du siehst sie bloß nicht.“ – „Warum sehe ich sie nicht?“ – „Da steht halt was im Weg, Wolken oder so...“

Ohne Sonnenschein leben

Es gibt Menschen, die bekommen im Winter monatelang keinen Sonnenstrahl ab. In Finnland, Norwegen, nördlich des Polarkreises, klar. Dort, wo die Sonne im Winter nicht aufgeht oder höchstens mal kurz über den Horizont blinzelt; wo Psychologen oft ein Leiden namens Seasonal Affective Disorder diagnostizieren, im Volksmund auch Winterdepression genannt: Störungen im Gleichgewicht zwischen Hormonen wie Melatonin und Serotonin, deren Produktion im Körper durch Licht beeinflusst wird.

Wenn es in Europa ein Land gibt, das ganz sicher mit reichlich anderen Problemen zu kämpfen hat, aber nicht mit Lichtmangel, dann ist das, klar, Italien. Mit einer Ausnahme: Viganella, ein Dorf im Piemont, kurz vor der Schweizer Grenze, so tief in einem schmalen Tal, dass es jedes Jahr fast drei Monate lang im Schatten liegt. Vom 11. November bis zum 2. Februar schafft es die Sonne schlicht nicht hoch genug über den Berg, um auf Viganella zu scheinen.

Viele Häuser in Viganella standen leer; etliche junge Leute sind abgewandert, es fehlt nicht nur an Wintersonne, sondern auch an Arbeitsplätzen. Das langsame, aber stetige Dahinsterben des Dorfes schien unabwendbar – bis ein Mann namens Pier Franco Midali Bürgermeister wurde. Midali, im Hauptberuf Lokführer, hat zusammen mit einem befreundeten Architekten die Wintersonne nach Viganella geholt. Die beiden haben einen gewaltigen Spiegel entwickelt, der das Sonnenlicht vom Berg auf den Dorfplatz reflektiert; computergesteuert, immer im exakten Winkel.

Ein Bericht, der mich fasziniert hat und mich ganz schnell an einen Bibelvers erinnert hat: "Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben." (Joh 8,12)

Drei Gedanken, die mich in Zusammenhang mit dieser Geschichte aus dem Piemont und der Bibelstelle aus dem Johannesevangelium bewegen, möchte ich herausgreifen: 

1. Schatten: Finsternis

  • bei allem, was das Leben wirklich schön macht, so sind wir doch auch immer wieder mit Dunkelheit konfrontiert –
    • Im Moment ganz sicher im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine
    • Menschen, die auf der Suche nach Licht und Halt sind
    • Menschen, die auf Grund einer Not den Himmel nicht mehr sehen
    • Menschen, deren Blick so sehr auf den Boden gerichtet ist, dass ihr Herz und ihr Gesicht die Sonne nicht mehr wahrnehmen
    • Menschen, die in unserem Umfeld leben und die – eingestanden oder uneingestanden – Sehnsucht haben nach mehr, nach Licht, nach Hoffnung, nach Sinn
    • ... und auch wir selbst natürlich ...

Das Leben im Dorf Viganella „funktionierte“ – aber etwas Entscheidendes fehlte sichtbar im Empfinden der Menschen: Sie froren, soziale Kontakte wurden zunehmend schwierig und jedes Jahr verfielen viele in eine schwermütige Stimmung.

Im Johannesevangelium spricht Jesus vom „Wandeln in der Finsternis“. Als Dunkel kann auch die Trennung von Gott erfahren werden: Ein Leben im Schatten – auch in unserem Umfeld.

  • Menschen stehen im Dunkel, können nicht am Leben in seiner Fülle teilnehmen: Wo sind die dunklen Ecken in meiner Stadt?
  • Menschen sind einsam und haben Sehnsucht nach mehr, nach Licht und Leben?
  • Überall wo Lieblosigkeit, Unehrlichkeit, Egoismus um sich greifen?
  • Überall wo Leben nur so vor sich hindümpelt, statt sich freudig zum Himmel auszustrecken?

2. Sonne / Licht

Jesus sagt: "Ich bin das Licht der Welt." 

Mit dem „Ich bin“ kennzeichnet er seine Autorität als Sohn Gottes – der Name Gottes, der eigentlich nicht genannt werden darf (den Gott Mose mit auf den Weg gegeben hat, der „Ich bin“ hat mich gesandt).

Und mit seinem Anspruch Licht der Welt zu sein, erinnert er auf dem Laubhüttenfest in Jerusalem an die Zeit der Wüstenwanderung, an die Feuer- und Wolkensäule, in der Gottes Gegenwart und Begleitung sichtbar wurde. Und jetzt ist eben ER da – das Licht der Welt – umfassender als die Feuersäule in der Wüste – damit Finsternis nicht finster bleibt und jeder ins Licht treten kann. 

Auf unser Beispiel übertragen können wir sagen: Egal wo wir im Schatten stehen, egal wie schattig die Dörfer sind, die wir sehen: Gott ist auch da! Das Licht der Welt scheint.

Nur manchmal steht halt was im Weg – und wir sehen die Sonne nicht / die Welt sieht die Sonne nicht.

Und hier kommt der Spiegel ins Spiel:

3. Spiegel

Bei Matthäus 5 lesen wir: "Ihr seid das Licht der Welt." – Das ist Zuspruch und Anspruch zugleich.

  • Wir sind solche Spiegel: Wir leben als Einzelne und als Gemeinden im Licht Gottes und wir sind berufen es in unsere Welt zu spiegeln.
  • Gott selbst hat für uns einen Platz gewählt, an den er uns gestellt hat, damit ein Ort im „Tal“ Licht bekommt.
  • Gott hat uns als Gemeinde wie einen Spiegel auf den Berg gestellt, damit Salzburg, Linz, St. Pölten, Wien, Graz oder Ried Licht hat, damit wir Seine Liebe in diese Stadt, in unser Umfeld spiegeln.
  • Es ist klar: EIN Spiegel macht EINEN Fleck hell.
  • Viele Spiegel können je nach Ausrichtung Licht und Liebe in unterschiedliche Richtungen spiegeln.
  • Im Zusammenstehen ergibt sich so die Chance, ganz unterschiedliche „Täler“ und Menschen zu erreichen.
  • Das gilt für uns als Einzelne, aber eben auch für die Angebote unserer Gemeinden.
  • Jeder Spiegel ist ein bisschen anders ausgerichtet und gibt so ein anderes Stück von Gottes Liebe weiter!
  • ganz klassische oder extravagante Gemeinden
  • bunt und vielfältig
  • Hauskreise in unterschiedlichen Prägungen und Formen
  • diakonische Projekte (zum Bsp. Kleidersammlungen)
  • Kindergruppen in verschiedenen Farben
  • Gemeinden, die im Hintergrund bleiben, aber gerade so Gottes Liebe spiegeln
  • andere herausfordernd und fast ein bisschen wild
  • oder ruhig und im Gleichmaß

Immer (bei allen Schwierigkeiten, die in Gemeinde ja auch mal auftreten): voller Hoffnung ( ...hinter den Horizont schauen! Die Sonne hinter dem Berg sehen.)

Bricht Licht in die Welt!

Alle Spiegel / alles was wir als Christen und Gemeinden tun hat ein Ziel: Gottes Liebe in unsere Stadt bringen, die Menschen nicht im Dunkeln stehen lassen! 

Und in der Vielfalt der Spiegel, der Menschen, der Gruppen und Angebote, mit denen wir Menschen erreichen wollen, wird die Größe und Herrlichkeit Gottes deutlich.

Wichtig dabei Ist: 

  • Kein Spiegel kann etwas selbst produzieren.
  • Kein Spiegel ist für sich selbst da – Spiegel, die sich nur gegenseitig widerspiegeln, Gemeinde, die um sich selbst kreisen, können nichts hell machen.
  • Es geht um die Ausrichtung des Spiegels! Geistliche Verantwortung ist auch wahrnehmen!
  • Das setzt Zweierlei voraus: Wissen, wo das Licht ist und wissen wo es hin soll.
  • Mit beidem habt ihr euch in euren letzten Konferenzen beschäftigt. Beides sind Bereiche, wo wir als Kirche und auch persönlich herausgefordert sind „dranzubleiben“.
  • Eben auch als Mitarbeiter*innen, die Leitungsverantwortung tragen: miteinander unterwegs sein im Glauben, uns ermutigen und gemeinsam sehen und suchen, wo und wie wir als Gemeinden gefragt sind.
  • Wenn Spiegel staubig geworden sind, Gottes Licht nicht mehr spiegeln können, hilft es nicht, am Rahmen zu polieren oder an der Halterung zu schrauben. Dann ist es nötig, Alltagsstaub weg zu pusten, den Spiegel – uns selbst – Gottes Wort auszusetzen, damit er wieder spiegeln kann. Im Alltag kann man das mit Spiritus machen – Gott leitet uns mit seinem Geist.
  • Und das Beste daran: Der Erste, der merkt, dass er wieder im Licht steht, ist der Spiegel selbst. So hat Friedrich von Bodelschwingh gesagt: „Es ist unmöglich, dass ein Mensch / eine Gemeinde die Sonne schaut, ohne dass sein / ihr Angesicht davon hell wird.“

So wie der Spiegel in Viganella eine enorm spannende Angelegenheit ist, so herausfordernd und spannend ist unsere Aufgabe als Gemeinden, Spiegel zu sein, Gottes Licht und seine Liebe zu spiegeln und unsere Welt hell werden zu lassen. Damit es den Menschen in unserem Umfeld gut geht und sie ihr Leben aus der Fülle Gottes gestalten können, nicht zitternd und schwermütig.

Visionäre gesucht

Für dieses Projekt in Italien brauchte es Visionäre, die Schritte gewagt haben. 

Auch unsere Gemeinde / unsere Kirche braucht Visionäre; Menschen, die mutig einen Weg gehen, ein Projekt durchziehen, ein Dorf aus dem Schatten holen – und WIR als Konferenz, als Leitende Mitarbeitende sind ein Teil davon! WIR sind herausgefordert unseren Traum von Gemeinde, unseren Traum von Kirche Wirklichkeit werden zu lassen.

Möglich wird das, weil das Entscheidende, die Liebe und Gnade Gottes, von außen kommt; weil Gott mit seiner Liebe auf uns zukommt und ER sein Angesicht über uns leuchten lässt...

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