"Freedom Day": endlich wieder Freiheit?

Faith Impulse

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Stefan Schröckenfuchs

Pastor, Superintendent


Betrachtung zum Monatsspruch für den März: "Hört nicht auf, zu beten und zu flehen!"

Anfang März, so hat es die Bundesregierung nun angekündigt, ist es endlich so weit: Nach Monaten der Einschränkungen kann endlich ein großer Teil der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid19-Pandemie zurückgenommen werden. Es soll einen Freedom Day geben – einen Tag, an dem wir endlich wieder unsere Freiheit zurück erhalten. Der verwendete Begriff scheint mir wenig passend. Denn erstmals wurde der Begriff „Freedom Day“ im Jahr 1948 für die Feier der Abschaffung der Sklaverei in den USA verwendet. Und in Südafrika gibt es seit den ersten freien Wahlen 1994 nach dem Ende der Apartheid einen Freedom Day. Die Einschränkungen, die wir in den vergangenen Monaten in Kauf nehmen mussten, waren ohne Zweifel belastend. Sie auf eine Ebene mit den Verbrechen der Sklaverei oder der Apartheid zu stellen halte ich jedoch nicht für angemessen.

Freiheit oder nicht?

Doch auch abgesehen davon merke ich, dass die Ankündigung dieses „Freedom Day“ bei den verschiedenen Menschen sehr unterschiedliche Gefühle auslöst. Einerseits ist da ein großes Aufatmen über die Erleichterungen im Alltag, die uns nun erwarten, und die Hoffnung, dass zumindest die schlimmste Phase der Pandemie überstanden sein könnte. Doch mischt sich diese Hoffnung und Erleichterung bei vielen mit dem Zweifel, ob die Lockerungen nicht viel zu früh kommen; oder ob dem Frieden denn wirklich zu trauen ist. Während die einen darauf warten, endlich keinen Gedanken an Covid19 mehr verschwenden zu müssen, haben andere Angst, es könne sie mit Aufhebung der Maßnahmen doch noch erwischen oder rasch zu weiteren Varianten und Wellen kommen. Das Bedürfnis der einen nach Freiheit steht im Widerspruch zum Bedürfnis der anderen nach Sicherheit. Und manche spüren wohl beide Gefühle in ihrer Brust.

Dazu kommt, dass mit der Erleichterung über die bevorstehenden Lockerungen so manche:r erst jetzt zu spüren beginnt, wie groß die Anspannung der vergangenen Monate war. Es macht sich jetzt, wo es endlich besser werden könnte, womöglich eine Erschöpfung breit, die es schwer macht, die „neue“ Freiheit überhaupt zu nutzen. Endlich wird man wieder unbeschwert Freunde besuchen, Reisen tätigen oder Veranstaltungen besuchen können. Doch statt von Vorfreude erfüllt fühlen sich manche eher überfordert mit dem Gedanken, sich wieder in größeren Menschenmengen aufzuhalten oder überhaupt das Haus zu verlassen.

Auch in anderer Hinsicht ist die Pandemie nicht spurlos an uns vorüber gegangen. Gewohnheiten haben sich verändert. Rituale, die den Alltag oder den Jahresrhythmus bestimmt haben, sind verloren gegangen. Und vielleicht ist auch so manche Beziehung oder Freundschaft in die Brüche gegangen. Weil man sich aus den Augen verloren hat. Oder weil man sich über die Frage des Impfens oder Nicht-Impfens zerstritten hat.

Wo ist meine Kraftquelle?

All das macht deutlich: So einfach ist die Rückkehr zur Freiheit bzw. zur Normalität gar nicht. Auch jetzt, in dieser hoffentlich letzten Phase der Pandemie, sind wir gefordert. Wir brauchen Geduld mit uns selbst und miteinander. Wir brauchen gegenseitige Rücksicht. Und wir brauchen unsere Kraftquellen, bei denen wir auftanken, durchatmen und Halt finden können.

Eine solche Quelle der Kraft nennt der Monatsspruch für den März: „Hört nicht auf, zu beten und zu flehen!“ (Eph 6,18). Die Aufforderung stammt aus einem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesus. In der neuen Basisbibel trägt der gesamte Abschnitt die Überschrift: „Die Waffen für den Kampf gegen die Mächte der Finsternis“. Paulus spricht hier vom Glauben als einer Quelle der Kraft, die uns hilft, uns gegen jene Kräfte zur Wehr zu setzen, die uns den Boden unter den Füßen wegziehen und in die Irre treiben. In der modernen Psychologie würde man vielleicht sagen: Er beschreibt den Glauben als eine Ressource, die unsere Resilienz steigert, d.h. unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber den vielen Einflüssen, die uns überfordern, verängstigen oder Dinge tun lassen, die wir gar nicht wollen.

Sich fest machen im Gebet

Insbesondere das Gebet ist ein solcher Anker, an dem wir uns festmachen können, wenn die Stürme des Lebens uns haltlos hin und her wehen. „Hört nicht auf, zu beten und zu flehen!“ Im Gebet lässt sich ein Halt finden. Im Gebet können wir uns die Sorgen von der Seele schreien. Im Gebet können wir unsere Ängste, unsere Wut, unsere Orientierungslosigkeit vor Gott bringen. Im Gebet können wir still werden und Gott bitten, unsere innere Leere zu füllen. Im Gebet können wir neue Orientierung finden und den Dingen ihren richtigen Stellenwert geben. „Hört nicht auf, zu beten und zu flehen!“, sagt Paulus; und ich ergänze: gerade dann, wenn ihr euch überfordert fühlt, oder allein; und auch gerade dann, wenn euch so gar nicht fromm im Herzen zumute ist. Hört nicht auf zu beten! Nehmt euch Zeit fürs Gebet. Allein, an einem stillen Ort. Und gemeinsam, im Gottesdienst. Betet mit Worten oder ohne. Redet einfach darauf los. Oder verwendet Gebete, die jemand anderer formuliert hat. Betet für euch selbst. Und betet auch für andere. Besonders für die, die euch vielleicht Kummer bereiten oder auf die Nerven gehen.

Gebete sind keine Zauberformeln, durch die sich Probleme einfach in Luft auflösen. Aber sie sind eine Kraftquelle, eine Hilfe, eine Ressource. Weil sie uns mit dem Gott des Lebens in Berührung bringen. Von Gott kommt Orientierung, Halt, und neue Kraft. Und die brauchen wir. Besonders jetzt.

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