Wer nicht an Jesus glaubt, landet in der Hölle ???

Faith Impulse


Programmatische Predigt zu dieser Aussage und den Hintergründen, also Schriftverständnis, Gottesbild und Art der Verkündigung.

Liebe Gemeinde!

Ich möchte heute eine Aussage mit euch bedenken. Die Aussage lautet: Wer nicht an Jesus glaubt, landet in der Hölle. Recht steile Ansage: Wer nicht an Jesus glaubt, landet in der Hölle. Diese Aussage wurde mir gegenüber kürzlich mit einer Selbstverständlichkeit vorgetragen als wäre das doch glasklar. Ich habe dann etwas zögernd und die Aussage bedenkend Zweifel angemeldet  und mir Bedenkzeit erbeten. 

Mittlerweile habe ich meine Bedenkzeit genutzt und bin zu der Überzeugung gekommen, diese Aussage nicht nur zum Inhalt meiner heutigen Predigt zu machen. Nein, sondern ich möchte diese Aussage und die Auseinandersetzung damit, sozusagen programmatisch an den Beginn dieses Jahres stellen. Ich halte das Thema für so relevant und wichtig, dass es diese prominente Aufmerksamkeit verdient. 
Denn was hier im Hintergrund abläuft, auf welchen Grundlagen eine solche Aussage getätigt wird, sagt enorm viel über unseren Glauben, unser Gottesbild, unsere Vorstellungen von der Weitergabe der guten Nachricht und über unser Schriftverständnis aus.

Und mit einer solchen Struktur möchte ich heute meine Gedanken und Überzeugungen mit euch teilen. Und zwar ohne Anspruch auf endgültige Wahrheit, ohne Verurteilung von anderen Überzeugungen und ohne Pastorenbonus. Jede und jeder soll meine Aussagen prüfen und im eigenen Herzen bewegen. Ich halte überhaupt nichts davon, etwas zu glauben oder nicht zu glauben, nur weil der Pastor oder die Pastorin es so gesagt hat.

Ich hege allerdings schon die Hoffnung, dass ich das Thema und die Hintergründe so für euch aufarbeiten kann, dass ihr gut mitdenken könnt. Das, denke ich, darf man von einer Predigt erwarten, dass sie Licht in dieses komplexe Thema bringt und gute Ansätze anbietet.

Ich werde also zunächst fragen, was wir zu diesem Thema in der Bibel finden. Dann werde ich fragen, wie wir uns Gott im Fokus auf das endgültige Gericht vorstellen und dann mit der Frage schließen, welche Auswirkungen diese Aussage auf unsere Verkündigung des Evangeliums hat. 
Schriftverständnis, Gottesbild, Verkündigung. Das ist meine heutige Struktur.

Beginnen wir also mit dem Schriftverständnis.

Zunächst und zu Beginn habe ich mich gefragt, ob ich diese Aussage wohl so in der Bibel finde. Ob Jesus das so gesagt hat. Dazu habe ich mir die verschiedenen Stellen in den Evangelien angeschaut, die das Thema Hölle überhaupt behandeln. Die größte Auswahl dazu finden wir bei Matthäus und nur bei Matthäus. Hier spricht Jesus an verschiedenen Stellen über die Hölle als Feuerofen oder als Ort des angstvollen Zitterns und Bebens. Auch finden wir hier Aussagen, dass die Gerechten hier und die Bösen dort sein werden. 
Aber nirgends finden wir Aussagen, dass dies mit Jesus und seinem Tod am Kreuz, geschweige denn mit seiner Auferstehung, verknüpft ist. Bei Jesus, dem Juden Jesus, geht es um die Einhaltung des jüdischen Gesetzes, nicht um den Glauben an ihn. Wer also die Bibel wörtlich, eins zu eins auslegen möchte, muss so redlich sein, dass dies nicht gesagt wird. 
Ich kann jetzt im Rahmen dieser Predigt nicht auf jede Einzelstelle eingehen, aber ich bin der Überzeugung, dass es im Matthäusevangelium darum geht, dass sich die Juden, als das erwählte Volk, nichts auf ihre Erwählung einbilden sollen. 
Dass diese Erwählung sie nicht über das Gesetz stellt. 
Dass auch sie sich an das Gesetz halten müssen, um dem Ort des Zitterns und Bebens zu entgehen. 
Aber in allen synoptischen Evangelien also bei Matthäus, Markus und Lukas, bleibt Jesus mehr Mensch als Gott. Wir werden hier also keine Aussagen über die Bedeutung von Jesus als dem entscheidenden Kriterium finden. Wer nicht an Jesus glaubt, landet in der Hölle. 
Wenn wir etwas über die Bedeutung von Jesus als anbetungswürdigen Gottessohn finden wollen, müssen wir mindestens im Johannesevangelium, der Apostelgeschichte oder den Briefen suchen.  
Aber rechtfertigt selbst ein Satz wie Johannes 14,6 zu einer solchen Aussage? „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ 
Ist das nicht eine Heilsbotschaft genauso wie Johannes 3,17: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um sie zu verurteilen, sondern um sie zu retten"? 
Und kann man selbst aus der Aussage von Johannes 3,18 „wer aber nicht glaubt ist schon verurteilt“ eine Höllenvision konstruieren?

Die ganz ernsthafte Frage, die ich als Conclusio an das Thema Schriftverständnis stelle ist: Wie verstehen wir die Bibel als Ganzes? 
Ist es nicht absolut fragwürdig, uns an Einzelstellen zu orientieren? Müssen wir nicht den Gesamtkontext, den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte berücksichtigen? An wen und für wen schreibt Matthäus? Was will Matthäus erreichen? Deckt sich das mit den Zielen, die Lukas verfolgt oder die Johannes wichtig sind?

Und noch etwas ganz Grundsätzliches dazu: Als evangelisch-methodistische Kirche in Österreich lehren wir zum Schriftverständnis: 
„Die Bibel ist nicht einfach Gottes Wort. Aber Menschen des Glaubens waren stets bemüht, aus der Bibel die Stimme Gottes herauszuhören, sodass Gottes Wort im Menschenwort hörbar wird.“ 
So steht es in unseren Unterlagen zur Aufnahme in die bekennende Mitgliedschaft. Das ist sehr wichtig, denn das unterscheidet uns sowohl von evangelikalen Christen als auch von Muslimen. Für Muslime ist der Koran die Offenbarung Gottes. Und zwar ausschließlich der Koran auf Arabisch. 

Am exemplarischsten kann man das vielleicht am Kreuzestod Christi zeigen: Welcher Tod von Jesus am Kreuz ist jetzt wahr? Die Version von Markus oder die Version von Johannes? 
Stirbt Jesus mit den Worten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ oder mit den Worten „Es ist vollbracht.“ 
Ich meine, das ist doch ein fulminanter Unterschied.

Ich frage also, ob es nicht am Sinn der Texte vorbei geht, wenn wir die Texte mit einer solchen „Wie war es denn jetzt wirklich“-Frage konfrontieren.

Ich weiß, wir können hier noch lange nachdenken, aber ich gehe jetzt als zweiten Schritt zum Gottesbild. Wer nicht an Jesus glaubt, landet in der Hölle. 
Was bedeutet das für das Gottesbild, das hinter einer solchen Aussage steht? Mit welchem Selbstverständnis kann ein Mensch diese Aussage tätigen? Macht ein solcher Mensch sich damit nicht automatisch zum Richter? 

Das sind doch berechtigte Fragen, die ich persönlich für grenzüberschreitend halte. Welcher Mensch kann zu Gott sagen: Du musst die Bösen jetzt in die Hölle werfen, denn so steht es in der Bibel? 
Und ist nicht die Hiobsgeschichte der eindeutige Hinweis darauf, dass es eben so nicht funktioniert? Für alle die Hiob jetzt nicht so parat haben: In der Hiobsgeschichte geht es einerseits um die Frage nach dem unverschuldeten Leid, aber anderseits auch um das Verhältnis zwischen Gott und Mensch. Und nachdem Gott in seiner Rede aus dem Wettersturm ganz eindeutig gemacht hat, dass Hiob nicht einmal im Ansatz mitreden kann, wenn es um die Taten Gottes geht, wird der Trost in der Beziehung zwischen Gott und Hiob deutlich. Gott, obwohl unendlich mal größer als der Mensch Hiob, wendet sich dem Menschen Hiob zu und antwortet ihm. Nicht nur das, sondern Hiob sagt: „Ich habe dich nur vom Hörensagen gekannt, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen.“ (Hiob 42,5) Ich liebe Hiob. Hiob ist für mich wirklich tröstlich, denn darin liegt meine ganz persönliche Hoffnung, dass Gott den Überblick hat. 
Welcher Mensch steht im endgültigen Gericht auf, stellt sich vor Gott hin und sagt: „Gott, du musst jetzt den Bösen in die Hölle werfen, denn er hat nicht an Jesus geglaubt und so habe ich es aus der Bibel herausgelesen.“ 
Gott, du musst. Gott, du darfst nicht barmherzig sein. 
Bitte urteilt selbst über diese Vorstellung aber ich bringe es für dieses zweite Kapitel nochmal ganz pointiert auf den Punkt: Ich glaube, dass am Ende der Zeiten Gott entscheiden wird und nicht die Bibel. Ich glaube an Jesus und nicht an die Bibel.

Damit komme ich zur letzten und dritten Fragestellung, der Frage nach unserem Verständnis von der Verkündigung der guten Nachricht. An dieser Stelle frage ich mich und euch: Was möchte ich mit einer Aussage wie „Wer nicht an Jesus glaubt, landet in der Hölle“ erreichen?

Einmal nur angenommen, es gibt die Hölle und einmal weiter angenommen, nur der Glaube an Jesus verhindert, dass ich einmal in der Hölle sein werde, aber was für eine Art Glaube ist das? 

Ist das nicht der Angst einflößende Glaube, der uns ans Mittelalter erinnert? An Luther und Tetzel und die Pervertierung dieser Frage, als es nicht mehr um den Glauben an Jesus, sondern um den Glauben an die Kirche ging? Als der Ablassbrief zur Finanzierung des Petersdoms erfunden wurde? Damals konnte man sich für Geld Jahre im Fegefeuer ersparen. Die Menschen damals haben dann tatsächlich Ablassbriefe gekauft, bis Luther hier ein Gegenmodell entwickelt hat, aber was war ihre Motivation? Steckt nicht pure Panik und Furcht hinter einem solchen Glauben und dem damit verbundenem Verhalten? Ist Angst also der Beweggrund, warum Menschen sich für Jesus entscheiden sollen?

Wo bleibt denn hier die Liebe und noch viel grundsätzlicher gefragt: Kann Liebe aus Angst, aus Zwang, aus Nötigung entstehen? Kann ich zur Liebe gezwungen werden?

Ich denke, das muss man doch ganz klar und entschieden verneinen: Nein, Liebe ist und kann nur freiwillig sein. 
Gott hat dem Menschen einen freien Willen gegeben, damit er sich für oder gegen Gott entscheiden kann. Damit der Mensch Gott lieben kann, weil Gott ihn zuerst geliebt hat.

Ich kann nur für mich selbst sprechen, aber das ist das Zentrum meiner Verkündigung der frohen Botschaft von Jesus: Jesus hat die Welt so sehr geliebt, dass er bereit war, sich kreuzigen zu lassen. Unschuldig und ohne Sünde und freiwillig hat Jesus das getan. Darin zeigt sich, wie weit Jesus bereit war, die Liebe wirken zu lassen. 
Daher könnte ich unseren zentralen Satz heute nur in der Umkehrung, also folgendermaßen verwenden: 
Wer an Jesus glaubt, der braucht die Hölle – so es sie gibt oder geben wird – nicht zu fürchten, denn die Liebe wird sie oder ihn nach Hause lieben.

Nur in der positiven Bekräftigung kann man so etwas sagen. Wer an Jesus glaubt, hat gute Chancen auf den Himmel. Hier auf Erden und einmal am Ende der Zeit. 

Abschließend bringe ich dieses große Thema des Schriftverständnisses, des Gottesbildes und der Verkündigung folgendermaßen auf den Punkt:

Die Bibel hilft mir, Gott näher kennen zu lernen und ist definitiv eine Richtschnur für mein Leben, aber ich glaube an Jesus und nicht an die Bibel. 

Gott ist für mich unendlich viel mal größer als ich es als Mensch bin und dennoch wendet er sich liebevoll mir zu und sucht die Gemeinschaft mit mir. 

Und diese Liebe Gottes soll und wird im Zentrum meiner Verkündigung stehen und nicht die Angst. 

Denn Gott ist die Liebe und sonst gar nichts. 

Amen.

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