Gebet um Frieden zum 1. Jahrestag des Krieges in der Ukraine
Faith Impulse
Pastor
Liebe Schwestern und Brüder, am vergangenen Freitag dem 24. Februar 2023 haben wir anlässlich des 1. Jahrestages des Kriegsausbruchs in der Ukraine ein ökumenisches Friedensgebet im Grazer Dom gefeiert.
Wenn wir als Menschen und als Christinnen und Christen nicht mehr weiter wissen oder wenn unsere Kraft überschritten wird oder wenn unser Arm nicht helfen kann, dann bleibt uns in jeder Situation unseres Lebens das Gebet. Das Gebet bleibt uns immer. Das Gebet zu Gott, wie auch immer wir ihn ansprechen.
Und angesichts des Elends in der Ukraine, von dem wir ja nur eine gefilterte und wohl dosierte Menge abbekommen, ist es meiner Ansicht nach gut, wenn wir uns betend an Gott wenden.
Denn es ist ein Elend.
Es ist ein ganz miserables Elend.
Und wenn wir es uns in seiner ganzen Bandbreite vor Augen führen, dann tut das richtig weh. Ich möchte niemanden vorsätzlich mit diesen Gedanken quälen, aber ich halte es für einen Akt der Liebe, wenn wir unser Herz öffnen und empfindsam bleiben für dieses Elend und Leid, das ein paar hundert Kilometer von uns entfernt stattfindet.
Jetzt mag man unterschiedlicher Meinung darüber sein, wann und wie der Friede für dieses gebeutelte Land zustande kommen soll. Aber vorgestern habe ich Folgendes dazu gehört:
„Eine universelle Einsicht in allen Religionen besagt, dass Friede nicht eine menschliche Leistung ist, sondern göttliche Gabe. Wir schaffen nicht Frieden, wir empfangen ihn, wir können ihn nur zulassen. Friede ist ein göttlicher Energiestrom, der durch die ganze Schöpfung fließt, unsere Herzen erreicht, uns verwandelt und das Leben neu gestaltet.“ Diese Worte schrieb der indische Jesuit P. Sebastian Painadath.
In dieser Haltung der Empfangenden, jener Menschen, die angewiesen sind auf dieses göttliche Geschenk des Friedens, sind wir vorgestern am 1. Jahrestag des Kriegsausbruchs in der Ukraine in ökumenischer Verbundenheit im Grazer Dom zusammengekommen, um gemeinsam um Frieden zu beten. Und dann hieß es:
„Wir verbinden uns in dieser Stunde mit all jenen Menschen in der Ukraine, die Vertriebene sind, die bangen, schreien, trauern, zusammenbrechen unter der Last des kriegerischen Geschehens:
Kinder, die gestorben sind, Kinder, die durch Bilder von Gewalt und Gefühlen der maßlosen Angst traumatisiert werden, die ihre Eltern verloren haben, die Hunger haben und frieren; alte Menschen, die sich nicht mehr auf den Weg machen können an einen sicheren Ort, die mit ihrer Heimat verwachsen sind; junge Menschen mit Zukunftsträumen, die zunichte gemacht werden.
Wir bitten heute um Kraft für alle, die vom Krieg in irgendeiner Weise betroffen sind.“
Dann folgte ein Gebet, zu dem ein Kyrie gesungen wurde:
„Wir haben keine Macht über Leben und Tod, wir haben keinen Einfluss auf die Machthaber dieser Welt, wir haben keine Mittel gegen Panzer und Raketen. Aber wir können dich anrufen, dich, unseren Gott.“
„Wir kommen zu dir und bitten dich um Frieden für die Menschen in der Ukraine, für die Männer, die in den Krieg geschickt werden, und alle, die um sie bangen, für die, die sich dem Krieg in den Weg stellen, für die Verwundeten und Traumatisierten, für alle in Angst.“
„Du bist ein Gott des Friedens, erbarme dich. Stell dich dem Tod in den Weg. Beende die Gewalt. Schütze die Schwachen, behüte die Opfer der Gewalt. Du bist ein Gott des Friedens. Schaffe Frieden. Das erbitten wir durch Jesus Christus im Heiligen Geist.
Amen.“
Anschließend hat ein Priester der ukrainisch-katholischen Kirche, ein Gebet auf ukrainisch gebetet und ich hatte den Eindruck, dass es auch aus ukrainischer Feder stammt:
„Gott des Trostes, wir schreien zu Dir in unserer Not und Angst: Wir wollen leben! Komme rettend in unsere Mitte!
Gib unserem Volk ein Licht in dieser dunklen Nacht, eine Zuversicht, eine Zukunft, neue Hoffnung!
Hilf uns, wieder an Frieden glauben zu können!
Gib uns Kraft zu verzeihen! Gib unseren Herzen Frieden! Tröste unseren Schmerz! Tröste alle Verlassenen! Gib Mut zu verbinden – Gegensätze und Wunden!
Nimm unsere Toten hinein in Dein ewiges Leben! Lass sie geborgen sein in Deiner liebenden Hand, mache sie und uns wieder glücklich und heil!
Hilf unserer Welt neu auf die Beine, Gott des Lebens, wie Du Tote auferstehen ließest, wie Du Deinen Sohn aus dem Grab in ein neues Leben erweckt hast! FÜR UNS!
Erwecke auch heute die Welt aus dem Tod! Wir lassen Deine Zusage nicht los: „Aufleben soll euer Herz FÜR IMMER!“
Amen.“
Und vor dem Segen hat Wolfgang Rehner, der evangelische Superintendent in der Steiermark, noch einen Meditationstext von Dietrich Bonhoeffer vorgetragen:
„Segnen heißt,
die Hand auf etwas legen und sagen:
Du gehörst trotz allem Gott.
So tun wir es mit der Welt,
die uns solches Leiden zufügt.
Wir verlassen sie nicht,
wir verwerfen, verachten.
verdammen sie nicht,
sondern wir rufen sie zu Gott.
Wir geben ihr Hoffnung,
wir legen die Hand auf sie und sagen:
Gottes Segen komme über dich.
Wir haben Gottes Segen empfangen
im Glück und im Leiden.
Wer aber selbst gesegnet wurde,
die kann nicht mehr anders,
als diesen Segen weitergeben,
ja, er muss dort, wo er ist,
ein Segen sein.
Nur aus dem Unmöglichen
kann die Welt erneuert werden.
Dieses Unmögliche
ist der Segen Gottes.
Gott, mach das Unmögliche möglich!
Zeig uns, wo du uns als Menschen des Friedens brauchst!
Lass uns heilen, wie du geheilt hast.
Lass uns verbinden, wie du verbunden hast.
Lass uns vergeben, wie du vergeben hast.
Segne uns mit Hoffnung auf Frieden!“
Ich denke, wir alle können zum Frieden in der Ukraine etwas beitragen, und ein Baustein von allem ist das Gebet. Es hilft uns mitfühlend und empathisch zu bleiben. Und es hilft den Menschen in der Ukraine, denn wir bitten Gott um sein Wirken. Dabei bleibt es Gott überlassen, wie er wirken will und wirken wird. Ich habe es an anderer Stelle schon einmal gesagt: Gott erfüllt vielleicht nicht alle unsere Wünsche. Aber alle seine Verheißungen. Und eine davon lautet:
„Selig, die Frieden stiften. Denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ (Matthäus 5,9)
Amen
Glaubensimpulse