Ist Christus König? Oder Gott?

Faith Impulse

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Dorothee Büürma

Pastorin, Kinder- & Jugendwerk


Eine Predigt zu 1. Petrus 2,1-9 und Johannes 14,1-12

Die in der Predigt zitierten Bibeltexte können hier nachgelesen werden:

- 1. Petrus 2,1-9

- Johannes 14,1-12

 

Wir sind eine königliche Priesterschaft?

Normalerweise beginne ich eine Predigt gern mit dem Gruß „liebe Brüder und Schwestern“, oder „liebe Geschwister im Glauben“ oder so ähnlich.
Heute möchte ich Worte aus dem Petrusbrief wählen:

„Liebes erwählte Volk, liebe königliche Priesterschaft, liebes heilige Volk, liebe Gemeinschaft, die in besonderer Weise zu Gott gehört!“

Wie fühlt sich so ein Gruß an? 

Mich erinnert er ein bisschen an den Predigttext der letzten Woche, aus dem Buch der Apostelgeschichte (Kapitel 2,42-47). 
Da wurde beschrieben, wie die ersten Gemeinden, die Jesus nachfolgten, in Gemeinschaft lebten und versuchten, alles miteinander zu teilen. Die Bibelstelle wird heute noch zitiert als ein Idealbild von Gemeinde. Man konnte ihnen förmlich ansehen, dass sie als heiliges Volk zu leben versuchten. Sie waren in ihrem Glauben schon irgendwie anders als die Juden zu ihrer Zeit (oder gar die Römer), sie gehörten in besonderer Weise zu Gott.

Ich habe die Fortsetzung der Leseordnung aus der Apostelgeschichte für heute ausgelassen, das wäre die Geschichte von der Steinigung des Stephanus gewesen. Und da wird nämlich schon deutlich, dass dieses Leben als Christus-Anhänger in der ersten Zeit ein Opfer war. Es endete für viele mit dem Tod, so wie auch Jesus sterben musste.

Wer bereit war, für die neuen Glaubensüberzeugungen bis in den Tod zu gehen, musste sich wirklich als von Gott erwählt sehen. Das gab ihnen den nötigen Halt im Glauben an die Auferstehung und das ewige Leben.

Christliches Leben und christliches Vokabular heutzutage haben sich verändert

Mir zeigt schon diese Anrede und der Vergleich mit der Lebenswelt der frühen christlichen Gemeinden und unserem Gemeindeleben heutzutage, dass meine Realität (Gott sei Dank!) eine andere ist. Ich muss mich hier in diesem Land und in dieser Kirche nicht fürchten, dass ich für meine Predigten jederzeit umgebracht werden könnte. Mein Dienst fordert zwar auch immer wieder Opfer, aber ich bezahle sie nicht mit meinem Leben. Gott und den vielen mutigen Christ*innen sei Dank, die ihr Leben dafür eingesetzt haben, dass wir hier und heute die Freiheit haben, unsere Gottesdienste auf unsere Weise zu feiern!

Es fällt schon auf, dass manche Begriffe in biblischen Texten für uns heute nicht immer leicht nachvollziehbar sind. Die Welt hat sich in 2000 Jahren doch verändert. Die Menschheit hat sich weiterentwickelt – auch wenn wir manchmal den Eindruck haben, dass aus der Vergangenheit noch viel mehr gelernt werden hätte können!

Und so manche Begriffe und Bilder, die in biblischen Texten fast selbstverständlich verwendet werden, lösen in uns in unserer heutigen Zeit eher befremdliche Assoziationen aus.

Mal ehrlich, würde sich irgendjemand in unserer Gemeinde hier in Salzburg als „königliche Priesterschaft“ bezeichnen??

Die Herrschaft von König (bzw. Kaiser*in) haben wir doch abgeschafft hier; Demokratie ist nicht nur die Struktur unseres Landes, sondern auch unserer Kirche. 

Auch die Priesterschaft löst in uns veraltete Bilder aus. Unsere zum ordinierten Dienst berufenen Gemeindeleiter*innen nennen wir Pastoren und Pastorinnen. Priester waren für die Opfer zuständig zu einer Zeit, in der Glaube bedeutete, dass Priester zu Gott einen direkteren Draht hatten als der Normalmensch. Priester konnten Gott umstimmen und durch die Opfer Gottes Entscheidungen beeinflussen.

Und die Hohenpriester und Ratsältesten waren es ja, die sich von Jesus und seinen Anhängern so bedroht gefühlt hatten, dass sie ihn zum Tode verurteilten.

Wir spüren deutlich, dass im Petrusbrief eine Mischung aus den alten Vorstellungen und Begriffen und neuem Glauben versucht zusammenzufinden.

Wenn wir hier und heute diese Glaubenstexte lesen, dann lesen wir sie vor dem Hintergrund einer jahrtausendelangen Tradition. Diese Tradition ist für die Entstehung und Entwicklung unseres Glaubens heute ein wichtiger Baustein gewesen. Ein „Grundstein“, um es mit den Worten vom Petrusbrief zu sagen. Aber dieser Grundstein ist lebendig. Er entwickelt sich weiter. 

Auch die Art, wie wir den Glauben leben und verstehen, ist lebendig. Sie kann nicht nur die Tradition erhalten, sie muss Traditionen weiterentwickeln.

Königskrönungen heutzutage – am Beispiel von King Charles III (UK, Commonwealth)

Das ist mir gestern, am 6. Mai 2023, anlässlich der Königskrönung wieder sehr deutlich geworden.
Ich bin ja sowohl deutsche als auch britische Staatsbürgerin. Es ist quasi unmöglich, in Großbritannien zu leben und nicht mit der sentimentalen Verehrung des britischen Königshauses in Berührung zu kommen. 

Ich habe mir gestern also brav die Übertragung des Krönungsgottesdienstes für King Charles III angeschaut, wie viele meiner britischen Kolleginnen und Kollegen auch. Der Übersetzer im ORF hatte seine liebe Mühe mit der altertümlichen liturgischen Sprache, das habe ich gemerkt. In der Liturgie der Eucharistie wurde doch glatt verkündet, dass Christus ein Institut gegründet habe (auf Englisch: "Christ has instituted this sacrament...")!

Während der Salbung erklärte der Dolmetscher aber auch, dass diese priesterliche Salbung von King Charles III auf die Königssalbung im Alten Testament zurückgehe. Der britische Monarch sieht sich damit in der Thronfolge Davids, als von Gott gesalbten König. Auch dem hinduistischen Premierminister wurde gezeigt, dass das Vereinigte Königreich christliche Werte vertritt – so wurde ihm die Lesung aus der Bibel zugeteilt! 

Es war ein durchaus imposanter Gottesdienst, aber ich habe mich gefragt: Spricht das die 54% der Bevölkerung an, die ihre Religion gar nicht mehr als christlich bezeichnen? 

Und selbst unter den Christ*innen dort gibt es viele, die mit den 400 Jahre alten Liturgien der Anglikanischen Kirche nur wenig anfangen können. 

Der methodistische Theologe und Professor, Dr. Anthony Reddie, hat die Krönungszeremonie gestern so kommentiert: „Black liberation theologians like me and many others were fooling ourselves if we think that we can drag Christianity back to the simplicity and prophetic witness of Jesus of Nazareth, an itinerant rabbi who had no where to lay his head.“ 

Grob übersetzt: „Wir Befreiungstheologen haben uns etwas vorgemacht, wenn wir glauben, dass wir das Christentum zur Einfachheit und zum prophetischen Zeugnis des Jesus von Nazareth zurückführen können, eines Wanderrabbiners, der kein Dach über dem Kopf hatte.“

Hat er recht?

Was würde Jesus zu derartigen Krönungszeremonien wohl sagen? 

Welche Begriffe hat Jesus verwendet, wenn er von Gott sprach? Welche Symbolbilder hat Jesus in seinen Geschichten und Gleichnissen über Gott gewählt?

Der König fällt mir da nicht gleich ein. Eher der barmherzige Vater, der den verlorenen Sohn empfängt. Oder der Weinbergbesitzer, der seine Arbeiter großzügig entlohnt. Der gute Hirte, mit dem Bild vom vergangenen Sonntag, der sich um seine Schafe liebevoll kümmert.

Das Reich Gottes, also die Herrschaft, oder mit anderen Worten, Gottes Einfluss auf die Menschen, wird mit Bildern wie dem Sauerteig oder dem Senfkorn, das zum Baum wächst, dargestellt.

Jesus verwendet ganz alltägliche Bilder, um von Gott zu sprechen

Auch von Gottes Ewigkeit, dem Leben nach dem Tod, spricht Jesus in einfachen Worten. Im Johannesevangelium haben wir heute die Verse gehört, die oft bei Beerdigungen gesprochen werden: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.“ (Vers 2)

Es geht um das Miteinander zwischen Gott und den Menschen. Eine ewige Wohngemeinschaft sozusagen. Jesus spricht nicht von prunkvollen Villen für diejenigen, die am meisten geopfert haben für den Glauben. Er spricht auch nicht von einem goldenen Eingangstor, durch das man erst einmal hineingelassen werden muss.

Und die Jünger sind verwirrt. Wo ist denn dann dieser Ort des ewigen Miteinanders? 
Die Antwort „beim Vater“ ist ihnen nicht genau genug. 
Wie sieht der Vater denn aus, wollen sie wissen. Wie erkennen wir ihn?

Wieder spricht Jesus in Symbolen: Der Vater ist in mir. Ich bin der Weg zum Vater. Ich bin die Wahrheit, ich bin das (ewige) Leben.

Gott ist in Jesus

In Jesus ist Gott für die Menschen sichtbar.  
In seiner Art, mit Menschen umzugehen. 
In seinen Taten, wie der Evangelist Johannes es beschreibt.
Wer den Sohn kennt, wird auch den Vater erkennen. 
Mir kommt das das Sprichwort in den Sinn: „Ein Apfel fällt nicht weit vom Stamm“. In Jesus sind Eigenschaften Gottes erkennbar.

Aber was bedeutet das für die vielen Menschen in unserer Welt, die sich für Jesus kaum mehr Zeit nehmen? Die vielleicht gerade noch die Weihnachtsgeschichte kennen?

Wie können Menschen sich für Gott begeistern, wenn ihnen der Glaube in liturgischen Worthüllen wie in der zweistündigen Krönungszeremonie gestern präsentiert wird?

Glaube wächst  aus den Taten

Ich bin überzeugt, dass der Schlüssel bei Jesus liegt. Jesus hat den Jüngern erklärt: „Wenn ihr (…) nicht glauben könnt, dann glaubt (…) wenigstens wegen der Taten. (…) Wer an mich glaubt, wird genau solche Taten vollbringen, wie ich sie vollbringe.“ (Verse 11-12, gekürzt)

Auch der salbungsvollste Gottesdienst wird Menschen nicht vom Glauben überzeugen. Das können allein die Zeichen, die wir als Christ*innen in unserem Leben setzen. 
Unsere Taten sind Zeugnis für unseren Glauben.
Wie wir im Alltag leben, weil wir uns an Jesu Werten orientieren, das kann auf andere Menschen wirken.

Wenn wir im Petrusbrief lesen: „Wie neugeborene Kinder nach Milch schreien, sollt ihr nach dem echten Wort verlangen. Dadurch wachst ihr im Glauben heran“, dann ermutigt es uns, die Worte Jesu zu lesen. 
Es ist gut, immer wieder von Jesus zu lernen.

Gemeinschaft stärkt

Das geht zu Hause beim Bibellesen oder wenn wir uns gute Vorträge oder Podcasts online anhören. Aber noch besser ist es, wenn wir uns gemeinsam mit anderen über den Glauben und die biblischen Texte unterhalten. Wenn wir gemeinsam versuchen, in den Texten Ideen für unser Leben zu finden. 

In unserer Gemeinde in Salzburg gibt es derzeit einen regelmäßigen Hauskreis, in dem Glaube und Alltagsleben gestärkt werden. Es gibt die wöchentlichen Friedensgebete, in denen wir aus der Bibel Hoffnung schöpfen und für unsere leidenden Mitmenschen beten. Und es gibt wieder monatliche Gesprächsrunden, in denen wir uns über Predigttexte vertieft Gedanken machen wollen.

Zu diesen verschiedenen Gruppen und Treffen sind alle eingeladen. Aber das muss noch nicht alles sein. Die frühen methodistischen Gemeinden hatten viele verschiedene Kleingruppen und Kreise, in denen sich Mitglieder und Freund*innen im Glauben gestärkt haben.

Ich möchte euch heute ermutigen, besonders wenn ihr noch nicht regelmäßig über den Glauben im Gespräch seid mit anderen: Lasst euch auf bestehende Gruppen ein, oder gründet vielleicht auch etwas eigenes? 

Wir sind eine Kirche, in der jede und jeder etwas beitragen kann. Macht euch Gedanken über das, was euch helfen würde im Glauben und lasst Neues wachsen. Denn wenn Gottes Wort in uns lebendig ist, dann wächst dadurch die ganze Gemeinde im Glauben. 

Und so eine lebendige Gemeinschaft ist ein Hoffnungszeichen in unserer Zeit und in unserer Gesellschaft. Machen wir uns gemeinsam weiter auf den Weg des Glaubens!

Amen.

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