Von bösen We­ingärt­nern und einem guten Gott

Faith Impulse

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Dorothee Büürma

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine Predigt zur Parabel von den Weingärtnern, Matthäus 21,33-46 und Jesaja 5

aus dem Erntedank-Gottesdienst der EmK-Gemeinde Salzburg

Erntedank & Dankbarkeit

Heute ist unser Erntedankfest in der EmK Salzburg (Anm.: diese Predigt ist eine Erntedank-Predigt vom 8.10.2023).

Wie wichtig es ist, ganz bewusst dieses Fest der Dankbarkeit zu feiern, das denke ich mir jedes Jahr mehr.

Es tut gut, einmal innezuhalten im Alltagstrubel.

Es tut gut, wenn wir uns vor Augen führen, in welch einer Fülle wir leben.

Auch in Österreich oder in Deutschland spüren wir, dass das Leben immer teurer wird und dass es für viele Menschen immer schwieriger wird, den Lebensstil so weiterzuführen, wie wir es lange Zeit gewöhnt waren.

Keine Sorge – ich werde jetzt nicht vorschlagen, dass wir unsere Erwartungen so weit herunterschrauben sollten, dass uns ein Hamburger als ungesündere Mahlzeit ja auch zum Überleben reichen würde!

Aber wenn wir die heutigen Bibeltexte hören, dann stellen sich auch uns einige unangenehme Fragen.

Undankbarkeit im Alten Testament, Lesung aus Jesaja 5

Hier nachlesen

Da hören wir beim Propheten Jesaja, wie Gottes guter Weinberg (das Volk Israel) eben keine guten Früchte gebracht hat. Vers 7 drückt das sehr poetisch aus: „Gott hoffte auf Rechtsspruch, doch seht: Rechtsbruch! Und auf Gerechtigkeit, doch seht: Schlechtigkeit!“

Gott wird zornig, in der Erzählung des Prophetenbuchs. 
Am besten wäre es, den Weinberg einfach wieder einzureißen. Die ganze Mühe, die er sich mit dem Bebauen und Bepflanzen gemacht hatte – sie hat keinen Ertrag gebracht. Da kann man doch besser die Zäune entfernen, damit zumindest die wilden Tiere der Umgebung sich an dem Weinberg erfreuen können. Dabei wird er dann zwar zerstört, aber das macht ja nun auch nichts mehr. Oder?

Gottes Zorn – Auslöser für Rache?

So sind die Gedankenspiele im Prophetenbuch. Doch wie handelt Gott tatsächlich?

Nach all diesen Überlegungen beruft Gott den Propheten Jesaja. Gottes Reaktion auf die Krise unter seinem Volk ist nicht etwa, dass er seinen Zorn an den Menschen auslässt. Stattdessen überlegt Gott sich einen neuen Plan. Der Prophet soll versuchen, die Menschen von ihren schlechten Ideen abzubringen.

Und der Prophet beschreibt den Menschen ganz deutlich, in welcher schlechten Situation sie sich befinden. Doch auch auf seine Intervention hin wollen sich die Menschen nicht ändern.

Und Gott?

Der überlegt sich schon wieder einen neuen Plan. Er schenkt ein Zeichen, das uns Christ*innen in der Adventszeit vom Propheten Jesaja zitiert wird: Gott verspricht die Ankunft eines Neugeborenen, Immanu-El (Gott-mit-uns). 

Gottes Zorn – Auslöser für kreatives Neu-Denken

Wow! Ist das nicht unglaublich?

Da steckt die Menschheit in einer Krise nach der anderen, da wollen sich die Verantwortlichen mit allen Mitteln vor allem Übel die Augen zuhalten.

Und Gott, der ja laut Jesaja am liebsten alles niederreißen würde, überlegt sich auf kreativste Weise, wie er die Menschen zum Umdenken bringen kann.

Vielleicht ist dieser Prophetentext auch für uns heute hilfreich.

Umdenken im Licht von Klimakrise und Erderwärmung

Wir sollen unsere Dankbarkeit für die Ernte und die Schöpfung zeigen – aber wir sehen auch, dass unsere Welt in verschiedenen Krisen steckt. Es ist viel zu warm für diese Jahreszeit! Wir können heute wahrscheinlich unser Erntedankfest sogar auf der Terrasse genießen – im Oktober! Das schöne Wetter hat einen bitteren Beigeschmack: Es kriselt um unser Klima.

Noch genießen wir das Wetter, aber diese Änderungen werden immer stärkere Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. 

Schon in diesem Jahr sind Ernten zerstört worden, weil es gestürmt hat. 

Schon jetzt blühen Pflanzen erneut, als ob wir einen zweiten Frühling hätten. Noch jetzt werden Igelbabies viel zu spät im Jahr geboren und schaffen es wohl nicht, sich bis zum Wintereinbruch genug Nahrung an den Körper zu fressen. 

Ja, es kriselt, auch in unserer Welt.

Unser Weinberg ist auch nicht nur voller edler Früchte. Unser Weinberg produziert alle möglichen Dinge zu allen möglichen Zeiten.

Vielleicht ist es auch für uns Zeit, umzudenken?

Das Beispiel des Weinbergs im Gleichnis Jesu

Schauen wir uns an, wie Jesus einige Jahrtausende nach dem Wirken des Propheten Jesaja auf das Beispiel des Weinbergs Bezug nimmt.

Jesus erzählt die Geschichte vom Hausherren, der einen Weinberg erwerbt. Wie oft in biblischen Erzählungen, erwarten wir, dass der Hausherr die Eigenschaften Gottes widerspiegelt – aber dieser benimmt sich im Text nicht sehr Gott-ähnlich. Er verpachtet seinen Weinberg – und die bösen Pächter wollen ihre Pacht nicht zahlen. Die Knechte des Hausherren, die die Ernte abholen sollen, werden umgebracht. Was macht der Hausherr nun? Er schickt weitere Knechte hin, die natürlich auch umgebracht werden. Zuletzt schickt er seinen Sohn, den Erben des Weinbergs. Auch dieser wird umgebracht. (Es ist das grausamste Gleichnis Jesu!)

Was tut der Hausherr nun?

In den Worten der Hohenpriester, denen Jesus diese Parabel erzählt, bereitet der Hausherr den Bösen ein böses Ende. Jesus geht darauf nicht direkt ein, sondern spricht zunächst vom verworfenen Stein, der zum Eckstein wird. Denjenigen, die sich böse verhalten, wird der Eckstein zur Last und sie werden daran vergehen.

Es ist eine sehr weltliche Anschauung der Dinge – Aug um Aug, Zahn um Zahn. Die Bösen bekommen die verdiente Rache.

So die Parabel. Was aber folgt? „Als die Hohenpriester und die Pharisäer Jesu Gleichnisse hörten, erkannten sie, dass er von ihnen redete.“

Denn kurz vor diesem Gleichnis hatten sie Jesus im Tempel zur Rede gestellt: Wer erlaubt dir, hier zu lehren? Mit welcher Vollmacht verbreitest du hier deine Ansichten? Jesus war ihnen ein Dorn im Auge, und sie wollten ihn verwerfen und aus dem Tempel scheuchen. Jesu Antwort ist eindeutig: Wer so denkt, kann das Reich Gottes nicht empfangen. Die, die ihre bösen Wege bereuen und umkehren, die erleben Gottes Gnade. 

Aber diejenigen, die wie die Hohenpriester und Schriftgelehrten etwas lehren, an das sie sich selbst nicht halten, die die Menschen ausbeuten um ihre eigene Macht, ihren Einfluss und ihr Ansehen zu vergrößern, – die werden Gottes Reich aus den Augen verlieren.

Krisen in unserer Welt

Der heutige Text ist kein leichter Text und kein besonders schöner Text. Und genau deswegen will ich dazu ein paar Gedanken weiterführen. 

Auch das Leben ist nicht immer leicht. Auch wir erleben Schicksalsschläge und Herausforderungen.

Auch wir leben in einer Welt, in der Geiz und Macht und Ausbeutung herrschen. 

Auch wir erleben die Konsequenzen der menschlichen Rachsucht, sowohl im eigenen Umfeld als auch täglich in den Nachrichten.

Jesus spricht die Diskrepanz an, mit der wir auf der Erde leben. Denn die Erde ist gut geschaffen – Gott sah, dass alles gut war. Unsere Erde und das Leben auf ihr sind ein Geschenk Gottes. 

Allzu oft verlieren wir das aus den Augen.

Wie die Pächter des Weinbergs, die aus Geiz und Habsucht („wir wollen den Erben töten und den Weinberg an uns reißen!") nicht sehen, was für ein Glück sie haben, in diesem Weinberg eine Aufgabe und ein Einkommen zu haben. Denn die Ernte gehört zwar dem Besitzer – aber er wird die Arbeiter natürlich für ihre Mühen entlohnen.

Wer nicht dankbar ist für die kleinen Dinge im Leben, der/die wird im ganzen Leben nicht glücklich. Der/die wird immer wieder mit seiner Situation hadern und falsche Entscheidungen treffen.

Wer nur immer mehr besitzen will, der/die wird das Geschenk des Lebens aus den Augen verlieren. So kann man das Reich Gottes nicht finden.

Auch wir Menschen müssen lernen, von unserem Leben im Überfluss umzukehren. Wir brauchen nicht immer mehr, größer, besser, teurer!

Natürlich wird ein sparsameres, achtsameres Leben von einzelnen Menschen den Klimawandel nicht verhindern. 

Und natürlich brauchen die Krisen unserer Welt Lösungen auf internationalen Ebenen – die können wir mit einzelnen Veränderungen unseres Lebensstils nicht erreichen.

Die eigene Perspektive ändern

Aber es kann unser Leben verändern, wenn wir unsere Perspektive ändern. Wenn wir nicht immer mehr erwarten von uns selbst und den Menschen um uns herum. Sondern wenn weniger auch mal gut sein darf.

Zu Erntedank dürfen wir uns daran erinnern, dass es gut tut, dankbar zu sein für das, was wir haben – in allen Lebenslagen.

Wir können dankbar sein, weil Gott uns liebt. Wir können dankbar sein, dass wir auf dieser Erde leben dürfen.

Wir können dankbar sein, dass die Erde eigentlich genug Ernten hervorbringen kann für alle Menschen. 

Dankbarkeit ist eine Grundhaltung, aus der wir leben dürfen. Und wenn wir dankbar leben, dann können wir Gottes Fülle er-leben.

Dann entdecken wir vielleicht auch noch das letzte Geheimnis der Parabel von den Weingärtnern: 

Gott hat seine Knechte (die Propheten) zu den Menschen geschickt – und sie nahmen sie nicht gern an. Gott hat seinen eigenen Sohn auf die Welt gesandt – und die Menschheit hat auch ihn umgebracht. 

Jesus verändert unsere Sicht

Doch das ist nicht das Ende der Heilsgeschichte Gottes. Der Theologe Andrew Marr setzt die Parabel fort, wie sie nur nach dem Tod und der Auferstehung Jesu fortgesetzt werden kann:

Stellt euch vor, ihr seid die Arbeiter auf dem Weinberg. Stellt euch vor, wie hart ihr arbeitet für einen geringen Lohn, während der Besitzer und sein Sohn ab und zu vorbeischauen und euch bei der schweren Arbeit zuschauen und vielleicht noch kritisieren, dass ihr nicht alles ganz richtig macht.

Stellt euch vor, wie ihr euch fühlt, wenn ihr den Sohn seht, der kommt um das an sich zu reißen, was ihr mühevoll erarbeitet habt. Ihr rebelliert – und vor Zorn verliert ihr die Kontrolle über eure Entscheidungen. Ihr trefft eine Fehlentscheidung mit verheerenden Konsequenzen: Der Sohn stirbt und ihr werdet vom Besitzer des Weinbergs vor Gericht gebracht.

Und nun stellt euch vor, der Besitzer erscheint im Gerichtssaal, begleitet von seinem Sohn, der quietschlebendig ist, obwohl seine Wunden noch deutlich sichtbar sind. Ihr seid schockiert.

Und im Gerichtssaal kommt gleich der nächste Schock: Der Besitzer des Weinbergs liest sein Testament vor. Er vermacht seinen Weinberg nicht nur dem Sohn, sondern auch allen Arbeitern. Gemeinsam sollen sie den Weinberg erben und besitzen. Gemeinsam sollen sie von der Ernte des Weinbergs leben. Keiner von ihnen hat dieses Geschenk durch ehrliches, hartes Arbeiten verdient, aber die Gnade des Besitzers ist höher als alle Vernunft der Welt. Sein Gericht ist nicht von dieser Welt.

Andrew Marr
Theologe & Autor

Gottes Gnade verändert die Welt

John Wesley, hat den Begriff der ‚vorlaufenden Gnade‘ entwickelt. Es war ihm wichtig zu unterstreichen: Bei allem nötigen Engagement auf Seiten der Menschen, bei all unserem Kampf um eine gute Lebensführung – all das wäre umsonst, wenn nicht Gottes Gnade unserem Wirken vorausginge und den Weg ebnete, auf dem wir uns bewegen und entfalten können.  

Gott zeigt schon beim Propheten Jesaja, wie geduldig und kreativ er seine Gnade zu uns Menschen bringt.

Gott kann die Welt verändern und neues Leben schenken.

Dafür lohnt es sich dankbar zu sein.

News
Erntedank mit dem Oikumenia-Gospel-Chor in Salzburg

Am Sonntag, 8. Oktober, feierte die EmK Salzburg mit dem Oikumenia-Gospel-Chor ein Fest der Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung.

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Dorothee Büürma

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