Warum soll ich zur Kirche gehen?

Faith Impulse

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Dorothee Büürma

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine Predigt zu 1. Johannes 3,1-2 und Johannes 10,11-18, gehalten im ökumenischen Gottesdienst der Pfarre St. Paul in Salzburg

Die Bibeltexte zum Nachlesen:

1. Johannes 3

Johannes 10

"Mama, wieso gehst du in die Kirche?"

Mein 8-jähriger Sohn hat mich vor einigen Tagen gefragt: „Mama, musst du wirklich so oft in die Kirche gehen? Ist das nicht eine Zeitverschwendung? Du könntest doch zu Hause bleiben und ganz viel fernsehen oder spielen stattdessen.“  

Ich musste lächeln über so eine Frage an die Mutter, die schließlich eine Kirchengemeinde leitet.

Aber ich habe versucht, die Frage ernst zu nehmen und so zu beantworten, dass es vielleicht auch ihm neu erklärt, warum er Sonntag für Sonntag von mir in die Kinderkirche (wir nennen es „Kinderstunde“) gebracht wird.

Wieso ist es so wichtig, dem Glauben und der kirchlichen Gemeinschaft Raum zu geben? 
Wieso ist es gut für uns selbst, diesem Glauben Zeit zu widmen und Aufmerksamkeit?

Wir sind Kinder Gottes

Der Verfasser des 1. Johannesbriefs würde schlicht und einfach antworten: „weil wir Kinder Gottes sind“.

Und so wie es Kindern gut tut, Zeit mit ihren Eltern, Großeltern, Adoptiveltern, Pflegeeltern, oder anderen Bezugspersonen zu verbringen, so tut es uns gut, ganz bewusst Zeit mit Gott zu verbringen. 

Jesus nannte ihn „Abba – Vater“ – eine ganz besondere Art der Anrufung Gottes. Die Religionen seiner Zeit hatten andere Sitten, um ihre Götter anzubeten.

Ein Gott, der für uns Menschen wie ein Vater ist, unser „himmlischer Vater“, das ist außergewöhnlich. Da spüren wir, dass unser Glaube mehr ist, als nur Opfer bringen und einer höheren Macht zu huldigen.

Zu einem Vater können Kinder eine Beziehung aufbauen. 
Und im schönsten Fall spüren sowohl die Kinder als auch der Vater, dass diese Beziehung von Liebe geprägt ist.

Glaube ist Liebe

Davon wird im Johannesbrief immer wieder erzählt: von der Familie, die wir Gläubigen sind. Von Christus, unserem Bruder. Von Gott, unserem Vater. 

Von der Liebe, die im Vordergrund unseres christlichen Glaubens stehen soll und die uns motivieren soll.

Vielleicht spüren Sie und spürt ihr schon:
Der erste Johannesbrief ist für mich ein biblischer Schatz. Im Studium habe ich ihn damals sogar ganz vom Griechischen ins Englische übersetzt (ich habe in Großbritannien studiert). Es hat meine Theologie geprägt, wie oft in diesem Brief von Liebe in Zusammenhang mit Gott gesprochen wird.

„Gott ist Liebe“, wird da zum Beispiel immer wieder betont. 

Und wenn uns diese göttliche Liebe mitten in unser Alltagschaos zugesprochen wird, dann spüren wir die Kraft unseres Glaubens. Dann finden wir Ruhe inmitten des Trubels und können unseren Problemen und Sorgen mit Hoffnung entgegengehen.

Die Botschaft der Gottesdienste tut mir gut!

Eine Antwort auf die Frage meines Sohnes wäre also: In der Kirche wird mir immer wieder gesagt, dass ich von Gott geliebt bin. Und diese Zusage tut mir gut. Ich höre sie gerne und ich brauche sie immer wieder. Sie hilft mir, im Alltag so einige Lieblosigkeiten auszuhalten. Und sie erinnert mich daran, dass ich als Kind Gottes auch liebevoll handeln und entscheiden darf. Ich muss nichts rächen oder vergelten. Ich darf Gottes Liebe weiterschenken. Und das tut dann nicht nur mir gut, sondern auch den Menschen, mit denen ich zusammenlebe oder arbeite.

In dieser göttlichen Liebe können Grenzen übersprungen werden und Brücken gebaut werden unter uns Menschen.  

Glaube spielt auf der Beziehungsebene

Das sticht für mich heute im Text aus dem Johannesevangelium heraus: Jesus bezeichnet sich als den guten Hirten, der nicht nur die Herde hütet, die sich um ihn schart. Er hat auch Schafe, die nicht aus dem selben Stall kommen, aber die er auch führen möchte und die auch in seine Herde hineingenommen werden.

Jesus hat versucht, die Liebe Gottes in Wort und Tat auszudrücken. Und in dieser Liebe hat er immer wieder die gewohnten Strukturen durchbrochen und Grenzen überschritten. 

Auch Jesus spricht immer wieder vom Glauben mit Worten, die eine Beziehung beschreiben. Zum Beispiel im heutigen Evangelium: „Ich kenne die, die zu mir gehören, und die zu mir gehören, kennen mich. Genauso kennt mich der Vater, und ich kenne ihn.“

Zum Glauben gehört ein inniges Vertrauen und das Bedürfnis, immer mehr kennenzulernen.

Glauben ist wie Atmen, sagt John Wesley

John Wesley, der die methodistische Tradition mitbegründet hat, hat das so ausgedrückt: Glaube ist wie Atmen. Wir atmen ein und wir atmen aus.

Das Einatmen sind Dinge, die mir im Glauben gut tun. Ich empfange von Gott: im Gebet, im Bibellesen, im Gottesdienst, im heiligen Abendmahl. Dieses Einatmen stärkt mich im Glauben.

Das Ausatmen sind Dinge, die nach außen sichtbar sind: Werke der Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Ich kann sie ausströmen lassen, weil ich zuvor eingeatmet habe. 

Beides ist gleich wichtig: Einatmen und auch wieder Ausatmen.

Glaubens-Atmen bei Madeleine Delbrel

Auf ganz ähnliche Weise beschreibt auch die römisch-katholische Theologin und Mystikerin Madeleine Delbrel den Rhythmus des geistlichen Lebens. 
Einatmen und Ausatmen, Anbeten und Tun – so beschreibt sie den Rhythmus von „Beten und Arbeiten“. Auf Französisch: „Solitaire und solidaire“. 

Solitaire, das ist die Intimität des Gott-Einatmens, des Betens und der Anbetung, das ist das Verweilen in Seiner Gegenwart – und Solidaire meint das ganz praktische solidarische Leben mit andern Menschen und für sie. 
Einatmen und Ausatmen, Gottesliebe und Nächstenliebe – das ist der Kern des christlichen Glaubens. 

Eins in der Liebe Christi

An diesen beiden Zitaten mit methodistischem bzw. römisch-katholischem Hintergrund spüre ich: Auch wenn es vieles gibt, das uns Schafe in den verschiedenen Konfessionen voneinander unterscheidet, so haben wir doch durchaus auch Überzeugungen, die uns im Glauben einen. 
Und im Zentrum von allem steht Christus, der die Liebe Gottes ausdrückt.
Amen. 

Die Informationen über Madeleine Delbrel sind zitiert aus: https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=18283 

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