Maria Katharina Moser: “Menschen ein Leben in Fülle ermöglichen”
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Diakonie feierte 150-jähriges Bestehen und 50. Geburtstag ihrer Direktorin
»Es reicht nicht, Pflaster auf Wunden zu kleben, man muss auch fragen, wo kommen die Wunden her«, sagt Maria Katharina Moser und spricht damit den Leitgedanken der Diakonie Österreich an. »Den Menschen ein Leben in Fülle ermöglichen, indem wir sie begleiten, Menschen ihre Gaben wachsen lassen können und wir uns für Rahmenbedingungen einsetzen, die dies möglich machen.« Ihren 50. Geburtstag begeht die Diakoniedirektorin genau im Jubiläumsjahr: Heuer feiert die große Sozialorganisation der Evangelischen Kirche ihr 150-jähriges Bestehen.
Bilder vom Empfang finden Sie auf foto.evang.at
Zum Empfang, der am Donnerstagabend im Wiener Albert-Schweitzer-Haus beide Jubiläen würdigte, hatte sich Moser eine Podiumsdiskussion »zur Lage der Gesellschaft« gewünscht. Gegen das Bild einer gespaltenen Gesellschaft wandte sich dabei der Berliner Soziologe Linus Westheuser. Eigentlich stehe eine große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland in der Mitte, nur ein kleiner Rand tendiere nach rechts. Die Mitte präge eine abwägende Haltung, wenn Menschen jedoch nicht mitreden könnten, »beschränkt sich ihr politisches Handeln auf reine Empörung«. »Aus Ohnmacht und Demobilisierung der sozialen Frage wächst das Ressentiment«, erklärte Westheuser und warnte vor »Allmählichkeitsschäden an der Demokratie«.
Eine Lanze für »rebellische Lemminge« brach die Journalistin und Autorin Solmaz Khorsand, deren neues Buch »untertan – Von braven und rebellischen Lemmingen« demnächst erscheint. Gehorchen, Anpassen und Sich-Unterwerfen sei in der Gesellschaft »extrem präsent«, befand Khorsand und fragte: »Warum trauen wir uns so selten dem Blick in den Spiegel und stellen uns dem eigenen Lemming?« Gemeinsam mit anderen Organisationen sieht Khorsand die Diakonie als politische Akteurin und mahnende Stimme in einer »Gesellschaft, die immer mehr verroht«.
»Kann ich teilhaben? Kann ich mitreden? Hab ich jemanden?« seien entscheidende Fragen und Dimensionen sozialer Integration, erklärte Maria Katharina Moser. Diakonisches Engagement beginne seit 150 Jahren mit der Wahrnehmung von Not und mit der Vorstellung von einem Leben in Fülle. Die Diakonie wolle »lautverstärkend« sein und auch »Räume des Sprechens« anbieten. »Die Miteinanderwelt ist besser«, meinte die Diakoniedirektorin und erinnerte damit an Texte der Autorin Ruth Oberhuber, aus denen die Schauspielerin Hilde Dalik beim Empfang las. Ruth Oberhuber wurde mit dem Downsyndrom geboren, die heute 30-jährige ist als Schauspielerin und Literatin tätig und arbeitet im Diakoniewerk Gallneukirchen. Moderiert wurde die Diskussion vom Wiener Pfarrer und Teamleiter des ASH-Forums der Zivilgesellschaft Johannes Modeß, der auch durch den Jubiläumsabend führte.
Glückwünsche zum 150-jährigen Jubiläum der Diakonie und zum 50. Geburtstag der Direktorin überbrachten mehrere Vertreter aus der Politik, der Diakonie und der Evangelischen Kirche. Sozialminister Johannes Rauch zeigte sich dankbar für den regelmäßigen Austausch und würdigte das »kämpferische« Engagement und den Optimismus der Diakonie, als »leuchtendes Beispiel« möge die Diakonie weiterhin »für Menschen eintreten, die am Rande stehen«. Die »Kommunikation auf Augenhöhe« strich Innenminister Gerhard Karner heraus, gerade nach dem Angriff auf die Ukraine hätten »unbürokratische Lösungen für Menschen« gefunden werden können. Als konservativer Innenminister habe er in der Zusammenarbeit mit der Diakonie »die Würde des Kompromisses« gelernt. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker erinnerte an seine Zusammenarbeit mit der Diakonie seit über 20 Jahren, dabei habe er die Organisation immer als eine mit besonders hohem Qualitätsanspruch kennengelernt, die sich beständig weiterentwickeln wolle. Glückwünsche kamen auch von Vizekanzler Werner Kogler und Außenminister Alexander Schallenberg, die ebenfalls unter den Gästen waren.
Thomas Fux, Präsident der Diakonie Österreich, dankte der Direktorin für ihren Einsatz an der Spitze einer Organisation, in der über 10.000 hauptamtliche und 3.000 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen über 400.000 Menschen betreuen. Maria Katharina Moser sei »ein zuverlässiger Kompass« und vertrete die Anliegen der Diakonie auch bei heftigem Gegenwind.
»Du bist selber das größte Geschenk, das die Evangelische Kirche erhalten hat«, sagte Bischof Michael Chalupka. Maria Katharina Moser zeichne nicht nur »charmante Klugheit« aus, sondern auch das »Herz einer Löwin, wenn es für die Menschen und die Sache zu kämpfen gilt«. »Ich kenne Steine im Weg, aber auch Häuser, die du daraus gebaut hast«, sagte der Bischof weiter und dankte der Diakoniedirektorin »nicht nur als Bischof sondern auch im Namen der ganzen Evangelischen Kirche«.
Präsentiert wurde bei dem Empfang auch eine Ausstellung zum 150-jährigen Jubiläum der Diakonie. Sie porträtiert auf Roll-Ups 25 Personen aus Gegenwart und Geschichte. Gründer*innen, Mitarbeiter*innen und Klient*innen erzählen darin, was Diakonie durch 150 Jahre hindurch ausgemacht hat. Musikalisch gestalteten den Jubiläumsabend Musiker*innen der Johann-Sebastian-Bach-Musikschule und der Popakademie, zum krönenden Abschluss folgte ein »Maria«-Medley von Leonard Bernstein, über Santana und Roland Kaiser bis hin zu John Fogertys »Proud Mary«.
Text & Fotos: epd/ Marco Uschmann