Erwählt, erlöst, Gottes Erben und ver­siegelt

Faith Impulse

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Esther Handschin

Pastorin, Erwachsenenbildung


Predigt von Pastorin Esther Handschin zu Epheser 1,3-14

Ein Rundschreiben für die christlichen Gemeinden

Der Epheserbrief ist in der Bibel unter die Briefe des Apostels Paulus eingeordnet. Vermutlich war er eher ein Rundschreiben für verschiedene frühe christliche Gemeinden als ein echter Brief. Denn nicht in allen Handschriften, die uns überliefert sind, steht in der Anschrift der Name der Gemeinde von Ephesus. Die Sprache des Briefes lässt darauf schließen, dass dieses Schreiben nicht direkt von Paulus verfasst worden ist. Es ging vielmehr darum, das Anliegen des Paulus weiter zu denken und in seinem Namen neu zu formulieren: Was ist Kirche? Was ist diese Gemeinschaft, die sich auf Christus beruft und in ihm ihren Grund und Anfang hat? Wie kann Kirche und Gemeinde gestaltet werden, wenn ganz unterschiedliche Menschen dazugehören?

Es geht also um die nächste Generation, die wieder neu für sich zu entdecken hat, was die christliche Botschaft für sie bedeutet. Dieses Anliegen ist uns vertraut. Es ist auch für uns eine bleibende Aufgabe, die nächste Generation mit dem christlichen Glauben vertraut zu machen: Was bedeutet es, dass sich Gott den Menschen in Jesus Christus zuwendet? Zur Entstehungszeit dieses Rundschreibens, das wir Epheserbrief nennen, ging es um ein sehr weit gefasstes Weltbild, wo Kräfte, Mächte und Gewalten vorkommen, die wir nicht sehen können. Ein solches Denken mag Menschen von heute nicht mehr vertraut sein. Dennoch finden wir in diesem Brief wichtige Anliegen, die unseren Glauben stärken können. So möchte ich mich heute dem einen Satz zuwenden, der sich im griechischen Text über die zwölf Verse der Lesung aus dem 1. Kapitel hinzieht. Die Übersetzung der Basisbibel hat daraus 32 Sätze gemacht und damit wird es verständlicher.

Das umfassende Lob der Herrlichkeit Gottes

Ausgangspunkt und Endziel ist das Lob Gottes. Damit beginnt der erste Abschnitt des Briefes und damit schließt er: Alles dient dem Lob der Herrlichkeit Gottes. Dazwischen wird uns erzählt, was Gott getan hat und was sein Wille ist. Und auch dazwischen wird immer wieder gesagt, wohin das alles führt und wozu es dient: „dem Lob seiner Herrlichkeit und Gnade“ (V 6) oder „hin zum Lob seiner Herrlichkeit“ (V 14). Also anders gesagt: Alles, was Gott für uns unternommen hat, dient dazu, dass wir Gott loben; dass wir durch unser Lob in eine Beziehung zu Gott treten. Dies aber kann nur sein, weil Gott schon zu uns eine Beziehung geschaffen hat, nämlich in Jesus Christus. Das ist der Segen, den  Gott für uns vorbereitet hat: Wir gehören zu Christus.

Das Hin und Her zwischen dem Lob Gottes und Gottes Segen dürfen wir ruhig als ein gegenseitiges Geben und Nehmen verstehen. Denn in den Sprachen der Bibel wird dafür das gleiche Wort verwendet: Segnen ist Loben oder Preisen, und Preisen ist Segnen. Im Deutschen nennen wir es „Segnen“, wenn es von Gott zu uns kommt und wir sagen „Preisen“, wenn es von uns Menschen zu Gott geht. Das Lateinische und davon abhängig manche andere Sprachen sagt, worum es beim Segnen und Preisen geht: „bene dicere“ – etwas Gutes über den anderen sagen, ihm Glück und Heil wünschen.

Wir sind erwählt

Wie aber sind wir durch Gott gesegnet? Wie lässt er uns sein Heil zukommen? Zunächst einmal sind wir erwählt, und zwar in Liebe erwählt. Dass Gott unser Heil will, ist nicht eine Idee aus heiterem Himmel. Gott wollte und Gott will das Heil für jeden Menschen, schon von allem Anfang an. Darum heißt es, dass wir im Voraus dazu bestimmt sind, seine Kinder zu werden (V5). Und wir spüren an dieser Stelle, dass im Epheserbrief wirklich das Ganze in den Blick genommen wird, wenn es heißt, dass wir erwählt worden sind, bevor die Welt erschaffen wurde (V 4). Gibt es etwas Schöneres als einem Menschen zu sagen: Du bist gewollt, von allem Anfang an. Egal, was aus deinem Leben geworden ist und noch wird, Gott sagt zu dir: Ich meine es gut mit dir und das schon so lange, noch bevor du auf dieser Welt existiert hast. Du bist etwas Besonderes, weil du so bist, wie du bist und weil ich dich genau so geschaffen habe.

Wir sind erlöst

Wir sind aber nicht nur erwählt, wir sind auch erlöst. Das ist das nächste, was wir aus dem Rundschreiben erfahren und was allen gesagt werden muss. Auch hier – wie so oft in der Bibel – wird das Leben nicht nur einfach als gelingend und gut gesehen. Wir machen Fehler. Wir schlagen eine falsche Richtung ein. Wir meinen es selbst besser zu wissen. Wir lassen uns vereinnahmen oder plappern anderen nach. Wir klammern uns an etwas fest, wo wir loslassen sollten. All dies führt dazu, dass wir einander das Leben schwer machen und dass wir Gott nicht die Ehre geben. Aber dabei soll es nicht bleiben, denn Gott hat uns seine Gnade gegeben. Nicht nur ein bisschen. Er überschüttet uns damit regelrecht „über jedes Maß hinaus“ (V8). Und diese Gnade führt dazu, dass uns all die Fehler und Verfehlungen, die ich vorhin aufgezählt habe, vergeben sind. So großzügig ist Gott.

Darüber hinaus lässt uns Gott durch seine Gnade am Geheimnis seines Willens teilhaben. Wir dürfen damit quasi in seine Karten schauen. Denn alle sollen erfahren, dass Gott es gut mit den Menschen meint und ihnen ihre Verfehlungen vergibt. Und wiederum greift der Epheserbrief aus und bezieht alles, was zur Welt gehört, in dieses Geschehen mit ein: Die ganze Welt, der ganze Kosmos, Himmel und Erde, ist in diesen gnädigen Willen Gottes mit eingeschlossen.

Wir sind Gottes Erben

Wir sind erwählt – von allem Anfang an. Wir sind erlöst – aus den Verstrickungen des Jetzt. Und wenn Gott sich so um uns bemüht, dann sind wir zu seinen Erben geworden. So geht es in unserem Abschnitt weiter. Es ist kaum vorstellbar, dass es noch möglich sein sollte, bei all dem Einsatz und der Zuwendung von Gott her, sich ihm zu entziehen. Der Epheserbrief rechnet hier gar nicht mit dieser Möglichkeit, die heutzutage viele Menschen in Betracht ziehen. Sie sagen, dass all das, was Gott für sie bereit hält, gerade ihnen nicht gilt. Sie nehmen sich davon aus und sagen sich damit von Gott los. Das ist schade. Denn Gott meint es anders: Wer so zu Gott gehört, wie Gott sich zu uns stellt, dessen Leben kann nur eine Antwort haben: Gott dienen und sich unter seine Herrschaft stellen. Darum werden wir an anderer Stelle im Epheserbrief auch Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes genannt (2,19). Wir stehen in enger Verbindung mit Gott und das lässt uns zu seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ja zu seiner Hausgemeinschaft werden.

Wir sind versiegelt

Schließlich wird uns noch eine letzte Segnung oder Zuwendung Gottes zugesagt. Gott hat uns sein Siegel aufgedrückt, oder wie es in der Übersetzung von Martin Luther heißt: wir sind „versiegelt worden mit dem Heiligen Geist“. Hier gilt es einiges zu erklären. Wenn wir im Deutschen das Wort „versiegeln“ brauchen, dann geht es um die Versiegelung eines Bodens, um die Versiegelung von Zähnen, um die polizeiliche Versiegelung einer Wohnung zum Beispiel oder früher vielleicht noch um die Versiegelung eines Briefes. Jedes Mal ist gemeint, dass etwas so verschlossen wird, dass es einerseits geschützt ist und andererseits nicht mehr geöffnet werden kann ohne dass man es nachher bemerkt.

In biblischen Zeiten war eine Versiegelung aber auch die Möglichkeit deutlich zu machen: Das ist mein Besitz. Das gehört mir. Das, wo ich mein Siegel oder meinen Stempel aufdrücke, das ist mir zugehörig. Oder mit anderen Worten: Das Vieh, das mein Branding trägt; das Buch, in dem mein Ex libris klebt, das gehört eindeutig mir; das Tattoo, das ich mir habe stechen lassen, das lässt sich nicht mehr entfernen und gehört zu mir. Wenn wir also den Heiligen Geist haben, dann gehören wir unverkennbar zu Gott. Aber es ist nicht so, dass wir dann abgeschlossen und in einer Weise versiegelt wären, dass wir uns nicht mehr verändern könnten. Gottes Geist weht wo und wie er will. Und wie es der Epheserbrief sagt: Das, was Gottes Geist in uns wirkt, ist erst ein Vorschuss, ein erster Anteil von unserem Erbe. Vom Heiligen Geist gibt es noch mehr – und wir müssen nichts dafür bezahlen.

"In ihm" – in Christus

Nun habe ich viel darüber gesagt, was Gott uns zusagt und wer wir dadurch sind. Wir sind erwählt. Wir sind erlöst. Wir sind seine Erben. Wir haben Anteil an seinem Geist. Stets aber werden wir in unserem Abschnitt des Epheserbriefes darauf verwiesen, wie das geschieht. Jeder der vier Abschnitte wird eingeleitet mit: „durch unsere Zugehörigkeit zu Christus“ – oder wie es kürzer bei Luther heißt „in ihm“. An diesem „in ihm“ hängt alles. In Jesus Christus und durch nichts anderes kommt uns das alles zu Gute, was Gott für uns vorgesehen hat. „In ihm“ – in Christus segnet uns Gott mit all diesen Gaben und mit seinem Heiligen Geist. „In ihm“ – in Christus sind wir zu Gott in eine Beziehung gesetzt, und nicht nur wir, sondern der ganze Kosmos. „In ihm“ – in Christus: Das ist der Punkt, auf den hin sich alles richtet und das ist der Punkt, von dem alles ausgeht.

Falls wir es also einmal vergessen sollten, so ist es mit zwei kleinen Worten gesagt: „in ihm“, in Jesus Christus, ist uns alles geschenkt. Und durch unsere Zugehörigkeit zu Jesus Christus haben wir Anteil an Gottes Heil. „In ihm“ sind wir erlöst, befreit, geliebt, wie es in einem unserer Lieder heißt. Darum lasst uns immer auf ihn, Jesus Christus, schauen und bei ihm bleiben. Amen.

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