Riskier etwas!

Faith Impulse

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Esther Handschin

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine Predigt zu Lukas 4,1-13

Mit Beginn der Fastenzeit begleiten wir Jesus auf dem Weg nach Jerusalem, nach Golgatha, dem Ort seines Sterbens und Auferstehens. Das tun wir unter anderem Damit, dass wir den eigenen Lebensweg und Lebenswandel kritisch unter die Lupe nehmen. In früheren Zeiten wurde dazu gefastet, um mehr Zeit für geistliche Übungen und Betrachtungen zu haben. Heute verzichten die Menschen nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Alkohol, Kaffee oder Schokolade, manche auch auf das Autofahren. Die Tage und Wochen bis Ostern sind eine gute Zeit, um einen neuen Lebensstil einzuüben. Stets aber gibt es die Versuchung, in alte Muster, in eingefleischte Verhaltensweisen und eingeübte Denkmuster zurückzufallen. Wie kommen wir dem bei? Wie widerstehen wir den Versuchungen, gerade wenn sie so schlüssig und einfach daherkommen? Oder wenn sie sich fromm verkleiden?

"Riskier etwas!" sagt eine Stimme in uns

„Riskier was, Jesus!“ So hört Jesus die Stimme des Teufels, des Diabolos, des Durcheinanderwerfers in der Wüste. Jesus hat sich für 40 Tage an diesen Ort zurückgezogen, um zu fasten und sich auf seinen Dienst für und mit den Menschen vorzubereiten. Der Teufel tritt hier nicht mit Bocksfüßen, Schwanz und Schwefelgestank auf. Er ist vielmehr verführerisch und bringt vernünftige Argumente vor, ja sogar mit Bibelsprüchen garniert. Der Teufel ist wie unser eigener Schatten, wie das, was wir lieber verdrängen möchten. Er ist die dunkle, unbeachtete Seite unserer Person. Was unsere guten Absichten sind, das stellt er in Frage. In der biblischen Geschichte ist der Teufel als Person dargestellt, aber eigentlich entspringt er unseren eigenen Gehirnwindungen. Er sitzt in uns selbst drin und ist daher umso gefährlicher.

Diese Gedanken, diese Stimme in uns sagt und fordert Jesus heraus: „Jesus, riskier was. Mach aus diesen Steinen Brot. Du hast doch Hunger, wenn du so fastet. Für dich ist es ein Leichtes, aus Steinen Brot zu machen. Sei doch kein verbissener Asket. Sei viel mehr ein lebensbejahender, fröhlicher Gott. Die Menschen haben genau so Hunger wie du. Sie wollen Brot und nicht Religion. Gib ihnen etwas für ihren Bauch und du wirst ihr König sein.“

Der Traum, aus Steinen Brot zu machen

Der Teufel hat recht. Wir Menschen träumen von einem Gott, der aus Steinen Brot macht. Wir träumen von einem Gott, der uns die Sorgen nimmt und alles für uns erledigt. Wir lassen uns leicht von unseren eigenen Gedanken verführen und träumen uns einen Gott zusammen, zu dem wir sagen können: „Wenn du der liebe Gott bist, dann tu doch endlich etwas gegen den Hunger, die Not und den Krieg in dieser Welt. Dann lass die Menschen und vor allem die Kinder nicht verrecken, sondern mach endlich aus den Steinen Brot. Du kannst das doch.“

Kommt euch diese Stimme nicht irgendwie bekannt vor? Haben wir nicht auch schon einmal diesen Wunsch geäußert? Ist das nicht unsere Stimme, die Jesus von seinem Weg abbringen will und zu ihm sagt: „Jesus, wozu willst du ans Kreuz gehen? Was bringt dir das? Wir wollen keinen gekreuzigten Gott, wir wollen einen, der uns Brot gibt statt Steine.“

Der Traum, alles Böse zu besiegen

Und wir begleiten Jesus mit auf einen Berg. Wir erklären ihm: „Es ist viel besser, wenn du die Herrschaft in dieser Welt übernimmst als am Kreuz zu sterben. Wenn du stirbst, dann hat niemand etwas davon. Wir brauchen keinen Verlierer und keinen Märtyrer. Wir brauchen einen, der die Führung übernimmt und der dem Bösen in dieser Welt ein Ende macht. Darum, riskier was, Jesus!“ Und wir führen Jesus an all die Plätze auf dieser Erde, wo Gewalt herrscht und Krieg geführt wird, wo Menschen unterdrückt und ausgebeutet werden. „Schau da, Jesus, die Mütter und Kinder, die aus der Ukraine flüchten. Schau die syrischen und afghanischen Familien, die immer noch als Flüchtlinge auf den griechischen Inseln sitzen. Schau, die jungen Menschen, die mit Schlauchbooten über das Mittelmeer fahren. Alle diese Menschen brauchen einen, der sie aus ihrem Elend befreit. Es braucht einen, der Präsident Putin in die Schranken weist. Es braucht einen, der das Chaos in Syrien und in Afghanistan wieder aufräumt. Es braucht einen, der sich um all die Menschen kümmert, die im Elend sind. Das ist alles nur eine Frage der Macht. Und du hast jetzt die einmalige Chance dazu. Riskier was!“

Ja, so denken wir gerne: Man muss nur einmal so richtig dazwischenfahren und dann ist Ruhe. Man muss selbst zu den Mitteln greifen, um das Böse in die Schranken zu weisen. Ja, wenn Jesus der liebe Gott wäre, dann würde er allem Bösen ein Ende setzen. Und so sagen wir zu Jesus: „Nur ein einziges Mal musst du vor dem Teufel niederfallen und ihn anbeten. Das ist der einzige Weg, um in dieser Welt an die Macht zu kommen. Denke daran, wie viel Gutes du dann tun kannst. Keine Kriege mehr, die angezettelt werden, keine Frauen, die flüchten müssen, keine Kinder, die hilflos der Gewalt ausgeliefert sind, keine Jugendlichen, die viel zu früh zu Soldaten gemacht werden. Nur ein einziges Mal den Teufel anbeten und Millionen von Menschen werden gerettet. Darum, riskier was!“

Jesus widersteht dieser Versuchung. Er sagt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.“ Das ist die Devise von Jesus. Jeder noch so gut gemeinte Rat geht leer an ihm vorbei und erreicht sein Ziel nicht. Er lässt sich nicht darauf ein. Er geht einen anderen Weg als wir ihm einflüstern.

Seinen Gleichnissen und Aussagen entnehmen wir einen viel realistischeren Blick auf diese Welt als wir ihn selbst haben. Das Gute und das Böse lassen sich nicht fein säuberlich voneinander trennen. So lange diese Welt besteht, wird es immer Gut und Böse geben. Selbst eine Sintflut konnte das Böse nicht auslöschen. Es ist auch danach wieder aufgetreten. Der Weizen und das Unkraut, sie wachsen nebeneinander auf. Selbst wenn du das Böse besiegst, ausrotten kannst du es nicht. Es kommt wieder, einfach in anderer Gestalt. Es ist eine Illusion zu glauben, die Welt wäre besser, wenn nur alle zu essen haben. Es ist eine Illusion zu meinen, mit Gewalt können wir der Gewalt ein Ende setzen.

Der Traum, die Religion an die erste Stelle zu setzen

Irgendwie ist es nicht leicht mit diesem Jesus. Er ist schwer zu überzeugen und von seinem Weg abzubringen. Darum nehmen wir noch einen dritten Anlauf und gehen mit ihm zum Tempel hinauf, bis auf die letzte Zinne, hinauf in den obersten Bereich, da wo der Himmel die Erde berührt und wir Gott am nächsten sind. Und wir sagen: „Jesus, eines könnte den Himmel auf die Erde bringen, Frieden schaffen und aller Not ein Ende bereiten. Wenn alle Menschen an Gott glauben und ihm dienen, dann ist das Ziel erreicht. Die Religion muss wieder die erste Stelle im Leben der Menschen einnehmen. Du brauchst nur ein eindeutiges Zeichen zu vollbringen, das alle überzeugt, dass du Gottes Sohn bist. Die Menschen brauchen Beweise um glauben zu können. Sie können nicht an einen Gott glauben, der sich nicht öffentlich zeigt. Du musst demonstrieren, dass auf Gott wirklich Verlass ist. Riskier was und spring herunter, damit es alle sehen, dass du Gottes Sohn bist.“

Religion ist die wohl größte Versuchung des Menschen. Wie viel Gewalt ist schon im Namen Gottes auf dieser Erde ausgeübt worden. Was man mit dem Namen Gottes begründen kann, dem ist nichts mehr entgegenzusetzen. Da lässt sich nicht mehr argumentieren. Da blüht der Fanatismus. Der eigene Glaube wird absolut gesetzt und es werden andere Menschen damit terrorisiert.

Auch dieser Traum wird abgelehnt

Jesus ist kein Fanatiker. Er springt nicht von der Zinne des Tempels. Er entgegnet dem Teufel, der inneren Stimme: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“ Denn er weiß, wie leicht die Menschen zu verführen sind. Der Glaube, für den Jesus die Menschen gewinnen möchte, ist nicht Fanatismus oder blinder Eifer. Es ist ein Glaube, der durch die Liebe tätig ist. Ein Sprung von der Zinne des Tempels würde nur Fanatismus und religiösen Wahn wecken. Jesus aber geht es darum, einen Gott der Liebe, des Erbarmens und der Versöhnung bekannt zu machen. Einen Gott, der den Weg der Ohnmacht sucht, der den Weg ans Kreuz geht, der auf Macht und Gewalt verzichtet.

Wer diesen Gott finden will, der begegnet ihm in den Hungernden und Durstenden dieser Welt. Er findet ihn nicht bei den Mächtigen und bei denen mit einem großen Namen, sondern da, wo man Kranke besucht, mit Obdachlosen seinen Besitz teilt, die Armen besucht und ihnen auf Augenhöhe begegnet, wo man Vertriebene aufnimmt. Dem Gott der Liebe begegnen wir in den Augen eines Kindes und in der Dankbarkeit von Geflüchteten. Gott findet man im Vertrauen und in der Liebe zu den Menschen. Es ist wahr, Glauben heißt einfach: Sich in Gottes Arme fallen lassen. Da hat der Teufel ganz recht: Wenn wir uns ganz Gott anvertrauen, dann werden uns Engel auf den Händen tragen.

Das Risiko des Glaubens bedeutet die Zuwendung zum Menschen

Aber dieser Sprung des Vertrauens findet nicht auf dem Gipfel eines hohen Berges oder auf der Zinne des Tempels statt. Dieser Sprung des Vertrauens geschieht mitten in unserem Alltag. Da, wo wir uns einem Menschen zuwenden, dem Nächsten unsere Liebe schenken und das Risiko eingehen, uns von diesem Menschen berühren zu lassen.

Bei der Versuchungsgeschichte nach Matthäus heißt es zum Schluss: „Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.“ (Matth 4,11) Vor dem wirklichen Vertrauen in Gott und vor der Liebe zu Gott und den Mitmenschen muss der Teufel weichen. An seine Stelle treten die Engel Gottes, die mit uns gehen. Sie sind die guten Mächte, die uns auf dem Weg des Vertrauens treu und still umgeben und uns behüten und trösten. Wenn du der liebe Gott bist, dann schenke uns dieses Vertrauen. Amen.

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