Wie wirkt der Heilige Geist?

Faith Impulse

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Esther Handschin

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine Predigt zu Johannes 14,8-17

Zu Pfingsten feiern wir das Fest des Heiligen Geistes. Die Jünger Jesu sind in Jerusalem versammelt und erhalten eine Kraft, die eindeutig von Gott her kommt. Diese Kraft bewirkt unterschiedliche Phänomene, die die Menschen staunen lässt, die das Geschehen miterleben.

Sturmwind, Feuerzungen und Sprachenwunder

Es sind kraftvolle, fast etwas bedrohliche Bilder, mit denen diese Kraft beschrieben wird: Ein Brausen kommt vom Himmel, ein Sturmwind, der das ganze Haus erfüllt. Es fehlt gerade noch, dass er das Haus zum Einsturz bringt. Es ist von Feuerzungen die Rede, die sich auf den Köpfen der Jünger verteilen als würde das diese Kraft sichtbar machen. Und schließlich wird das Ganze als Sprachenwunder beschrieben. Jeder spricht in einer anderen Sprache. Das zeigt die Vielfalt der Menschen, die sich da versammelt hat. Es überrascht die anwesenden Pilger von überall her, die zum jüdischen Pfingstfest nach Jerusalem gekommen sind. Wie kann es sein, dass diese teils einfachen Leute, die als Fischer in Galiläa gearbeitet haben, auf einmal so sprachbegabt geworden sind? Die einen sind ratlos darüber und die anderen haben ihre Erklärung dafür gefunden: Sie haben zu viel Alkohol getrunken und sind dadurch etwas gar fröhlich geworden.

Eine Situation des Abschieds

Wie in ganz anderem Ton klingen da die paar Verse aus dem Johannesevangelium: Jesus ist zum letzten Mal mit seinen Jüngern beisammen. Was er in dieser Nacht zu ihnen sagt, ist eine letzte große Abschiedsrede, ein Vermächtnis für die Zeit danach. So gesehen würde dieses Evangelium besser in die Karwoche passen. Es ist, als ob man im Hintergrund die Angst und Unsicherheit der Jünger lauern spürt: Wie wird es weitergehen, wenn Jesus einmal nicht mehr da ist? Wie können wir glauben, wie können wir ihm vertrauen, wenn er nicht mehr unter uns weilt? Wer wird uns dann vermitteln, wer Gott ist und wie er zu uns steht, wenn es Jesus nicht mehr tut? Es ist, als ob die ganze Jüngerschar aus lauter Thomassen bestehen würde, die behaupten nicht glauben zu können, wenn sie nicht etwas zum Anfassen und Angreifen haben.

Erkennen wir uns in den Fragen der Jünger und in ihrer Haltung ein Stück weit wieder? Ich denke, dass uns die eine oder andere ähnlich lautende Frage auch schon beschäftigt hat. Wie soll ich Jesus vertrauen, wenn ich ihn nicht sehen kann? Wie erfahre ich, wer Gott ist und dass er mich wirklich liebt? Kann ich dem trauen, was mir die Bibel von Gott erzählt?

Das, was uns das Johannesevangelium über Gottes Geist erzählt, klingt anders als das, was wir in der Apostelgeschichte über das Wirken von Gottes Geist erfahren. Dennoch geht es um dieselbe Kraft, die von Gott ausgeht und in uns Menschen wirkt. Wie verschieden Gottes Geist an uns und in uns wirksam wird, das können wir dem entnehmen, was Jesus darüber sagt.

Trost und Beistand

Da ist einmal die Verheißung des Geistes, der uns als Tröster gegeben wird. (Joh 14,16) Gelegentlich wird Tröster auch mit Beistand oder Fürsprecher übersetzt. In dieser Verheißung wird ganz deutlich vom Wirken des Geistes Gottes geredet. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Kontinuität. Wenn Jesus den Geist einen anderen Beistand nennt, so ist er selbst der erste Beistand, der erste Tröster. Die Geschichten aus den Evangelien erzählen uns immer wieder, wie Jesus den Menschen beigestanden ist in den Nöten und Sorgen des Alltags, in den Erfahrungen von Krankheit und Todesnähe, im Erleben von Ablehnung und Erniedrigung. Er hat sich zum Fürsprecher gemacht für Frauen ohne Rechte, für Kinder ohne Aufmerksamkeit, für Aussätzige und Zöllner, die ausgegrenzt wurden.

Doch bei diesen punktuellen Aktionen und vereinzelten Tröstungen soll es nicht bleiben. Der Horizont von Jesu Wirken geht über Jerusalem und Galiläa hinaus und besteht über seine Lebenszeit hinaus fort. Der Geist macht es möglich, dass das, was Jesus angefangen hat, auch weitergehen kann. Dieser Geist wird bleibend bei den Jüngern sein und sie erfüllen. Und so hat wohl jeder und jede von uns das Wirken des Geistes auch schon einmal erfahren. Wir erinnern uns an Begebenheiten, wo wir Beistand und Trost erfahren durften, da wo wir es nicht erhofften. Oder jemand hat für uns ein gutes Wort eingelegt und Fürsprache gehalten, oft so, dass wir erst nachher davon erfuhren. Auch so wirkt Gottes Geist.

Worte zum Beten

Neben dieser offensichtlichen Wirkweise des Geistes wird uns sein Wirken auch noch an anderer Stelle, aber verborgener deutlich. Über den Weggang von Jesus hinaus bleibt die Bitte, das Gebet im Namen Jesu eine Möglichkeit, ihm zu glauben und ihm zu vertrauen. So werden die Jünger angewiesen: „Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, ich will es tun.“ (Joh 14,14)

Das Gebet ist wie ein Raum, ein Raum des Vertrauens und der Vertrautheit. In ihm lässt sich so vieles sagen und vorbringen, was einem bewegt und beschäftigt und wo es sonst keinen Ort dafür gibt. Ja, manchmal wagen wir hier Dinge zu äußern, die wir uns eigentlich selbst nicht einmal einzugestehen wagen. So ist gerade beim Beten der Geist mitbeteiligt an dem, was wir sagen. Oft genug sind es gar nicht unsere Worte, die wir da finden, sondern sie werden uns geschenkt und bestärken uns wie von außen her. Es ist als ob Gott selbst durch seinen Geist durch uns und zu uns sprechen würde, so wie es der Apostel Paulus im Römerbrief beschreibt: „Der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.“ (8,16)

Durch Jesus zum Vater schauen

Und schließlich sehe ich die Wirkung von Gottes Geist in einer Art und Weise, wie wir sie kaum wahrzunehmen vermögen. Jesus sagt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ (Joh 14,9) Durch Jesus wird deutlich, wer Gott ist und wie er zu den Menschen steht, nämlich wie ein Vater zu seinen Kindern. Doch wie haben wir als Kinder unseren Vater wahrgenommen, wenn wir denn mit einem Vater aufwachsen durften? Und wie haben andere ihren Vater wahrgenommen? Schon allein der Vergleich unter Geschwistern zeigt, dass sogar ein und derselbe Vater ganz unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Und nicht wenige Kinder machen äußerst negative Erfahrungen mit ihren Vätern. Es gibt viele verfälschte und verzerrte Bilder, die unser inneres Bild, was ein Vater sei, prägen. Und so kann es sein, dass das Bild unseres leiblichen Vaters uns den Blick auf Gott als den himmlischen Vater verstellt und uns daran hindert einen positiven Zugang zu ihm zu finden.

Heißt das nun, es ist besser möglichst jede Redeweise von Gott als einem Vater zu unterlassen oder zu beseitigen? Oder soll man von Gott nur noch ganz anders reden und ihn „Mutter“ nennen? Was ist dann mit denen, die äußerst schlechte Erinnerungen an ihre Mutter haben? Ob väterlich oder mütterlich, oder ob gar nicht mehr elterlich, sondern nur noch als Freund von Gott zu reden, das lässt sich kaum in irgendeiner Weise befriedigend lösen. Darum fasziniert es mich, wie uns Jesus hier mit seiner Aussage eine neue Sichtweise vermittelt. Er sagt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“

Durch Jesus hindurch wird deutlich, wer der Vater ist. An seinem Beispiel, an seiner Art mit Menschen umzugehen wird etwas davon deutlich, wie Gott als Vater zu sehen ist. Es kommt vor allem darauf an, von welcher Seite her wir hindurchschauen. Schauen wir von Jesus her auf Gott, so kommen wir nicht darum herum, einige von unseren verzerrten und verfälschten Bildern zu korrigieren. Denn wir werden entdecken, dass Jesus anders vom himmlischen Vater gesprochen hat als wir unseren leiblichen Vater wahrgenommen haben. Lassen wir uns aber dazu verleiten, in der anderen Richtung zu schauen, und zunächst Gott in den Blick zu nehmen, um von da her auf Jesus zu sehen, so werden wir unsere eigenen Vaterbilder mit der verfälschten Sicht nicht von dem eigentlichen Bild Gottes trennen können.

Eine Brille, geschliffen für meine Sehstärke

Mir ist, als sei hier der Heilige Geist die Kraft, die uns die Blickrichtung auf Gott hin vorgibt. Und nicht nur das: Der Heilige Geist gleicht auch dem Schliff einer Brille, durch die wir hindurchschauen. Nur der Schliff, der zu unserem individuellen Sehfehler passt, bringt die nötige Korrektur, damit wir Gott in der Weise wahrnehmen können, die für uns hilfreich ist. Dabei hat die Brille, die Jesus für uns sein kann, ganz unterschiedliche Schliffe. Was dem einen eine tröstende Aussage oder eine bedeutungsvolle Handlung sein kann, das hilft der anderen nicht weiter, weil sie damit eine andere Erfahrung verbindet. So ist es das Wirken des Geistes, wenn ein Wort uns zu der Zeit und in dem Ausmaß trifft, wo wir es gerade brauchen und nötig haben. Und so wirkt der Geist in ganz verborgener Weise, geradeso wie wenn wir uns so an den Schliff unserer Brille gewöhnt haben, dass wir gar nicht mehr merken, dass wir überhaupt eine Brille tragen.

Gottes Geist wirkt und handelt an uns

Der Heilige Geist als die verheißene Kraft und Kontinuität, die das Wirken Jesu über seinen Tod und über den Raum seiner Tätigkeit hinaus möglich macht.

Der Heilige Geist als ein Raum, in dem ich Worte finde um zu beten und in dem ich selbst zu einer Beschenkten werde.

Der Heilige Geist als die richtige Blickrichtung und die korrigierende Sehhilfe, mit der wir auf Gott als den himmlischen Vater schauen.

Das Johannesevangelium beschreibt uns andere Aspekte wie Gottes Geist wirkt und an uns arbeitet als es die Apostelgeschichte tut. Und doch ist es derselbe Geist, denn er geht von Gott aus und bewirkt, dass Gott in uns und an uns handeln kann. Öffnen wir unsere Herzen dem Wirken dieses Geistes, damit Gott seine Liebe in uns gießt und er uns zu den Menschen formt, die wir in seinen Augen sein dürfen. Das muss nicht immer überraschend und gewaltig sein. Es kann auch sanft und zart geschehen, tröstend und fürsprechend, umhüllend und korrigierend, hilfreich und erleichternd. Amen.

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