Kommt, nehmt die Gnade Gottes an

Faith Impulse

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Esther Handschin

Pastorin, Erwachsenenbildung


Liedbetrachtung zu EM 263 "Come, let us use the grace divine". 
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Das Lied „Kommt, nehmt die Gnade Gottes an“ von Charles Wesley (1707-1788) hat sich in den methodistischen Gemeinden eng mit dem Bundeserneuerungsgottesdienst verbunden, der üblicherweise am ersten Sonntag eines neuen Jahres gefeiert wird. Die Tradition diesen Gottesdienst in den methodistischen Gemeinschaften zu feiern, geht auf John Wesley (1703-1791) zurück. Im Lauf der Zeit wurde der Bund in unterschiedlicher Weise erneuert, sodass die dabei verwendeten Texte sich in der britischen und der amerikanischen Tradition des Methodismus unterscheiden. Im Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche 2002 ist unter der Nr. 776 eine vereinfachte Fassung mit den grundlegendsten Texten dieses Gottesdienstes abgedruckt.

 

Der Bundesgedanke bei den Wesleys

John Wesley war – ebenso wie Charles Wesley – zum Priester der Kirche von England ordiniert und beide legten Wert darauf, dies auch bis zum Ende ihres Lebens zu bleiben. Beide Elternteile, sowohl der Vater Samuel Wesley (1662-1735) als auch die Mutter Susannah Wesley, geb. Annesley (1669-1742), waren ebenfalls überzeugte Angehörige der Kirche von England, stammten aber aus Familien der Dissenter. D.h. beide Großväter der Wesley-Brüder waren Prediger von christlichen Gemeinschaften, die sich neben der Kirche von England etabliert hatten und die heute z.T. in der United Reformed Church zusammengeschlossen sind. Vater Samuel Wesley wechselte seine Gesinnung als er als Student an einer Dissenterakademie die Aufgabe hatte, die Lehren der Kirche von England zu widerlegen. Dabei kam er zur Überzeugung, dass die Kirche von England die rechtmäßige Kirche sein müsse. So wechselte er zum Studium der Theologie nach Oxford, später dann nach Cambridge. Susannah Wesley, deren Vater Samuel Annesley eine Führungsgestalt unter den Dissentern war, entschied sich schon mit 12 Jahren nicht mehr die Gottesdienste ihres Vaters zu besuchen, sondern Mitglied der Kirche von England zu werden.

Trotz der tiefen Überzeugung, dass die Kirche von England die wahre christliche Kirche sei, wurden die Brüder John und Charles Wesley in ihrer Kindheit von der nach wie vor puritanischen Frömmigkeit ihrer Eltern geprägt. Dazu gehörte auch die von den Puritanern vertretene Bundestheologie, deren Wurzeln in der Bibel und in der Theologie von Johannes Calvin (1509-1564) zu finden sind. Der Gedanke, mit Gott einen Bund zu schließen, war John Wesley auch durch seine Lektüre puritanischer theologischer Werke vertraut. So entwickelte er eine Gottesdienstform zur Erneuerung des Bundes mit Gott, die mit der Feier des Abendmahls verbunden war.

 

Der Bundeserneuerungsgottesdienst – eine relativ späte Erfindung im Methodismus

Im Vergleich zu anderen speziell methodistischen Gottesdienstformen wie dem „Liebesfest“ (Agapefeier) oder der „Wachnacht“ („watchnight“) sind in den Tagebüchern John Wesleys Notizen zum Bundeserneuerungsgottesdienst erst relativ spät zu finden, so erstmals am 11. August 1755. Er erwähnt dabei Richard Alleine (1610/11-1681), einen puritanischen Theologen. Schon 1753 hat Wesley Auszüge aus Richard Alleines Buch „Vindiciae Pietatis: Or, A Vindication of Godliness“ und einem Buch seines Schwiegersohns Joseph Alleine (1634-1668) in der „Christian Library“ für seine Mitarbeiter veröffentlicht. Was John Wesley gut und nützlich zu lesen schien, fasste er zusammen und gab es als preisgünstige Bücher für die methodistischen Prediger heraus, die er anhielt täglich mehrere Stunden zu lesen – und zwar nicht nur die Bibel!

Es kann also gut sein, dass John Wesley mit seinen Gemeinschaften schon vor 1755 erste Gottesdienste zur Bundeserneuerung gefeiert hat. Weil Thomas Lee, einer seiner Prediger, 1779 eine nicht authorisierte Textfassung dieses Gottesdienstes publizierte, sah sich Wesley genötigt, 1780 die „Directions for Renewing Our Covenant with God“ drucken zu lassen. Sie bildeten die Grundlagen für die späteren Fassungen der Liturgie zur Erneuerung des Bundes mit Gott, die in der Tradition der britischen Methodisten entstanden sind. In London feierte John Wesley üblicherweise den Bundeserneuerungsgottesdienst am Neujahrstag. In den weiteren methodistischen Gemeinschaften im Vereinigten Königreich wurde dieser Gottesdienst dann gefeiert, wenn John Wesley zu Besuch war.

In den Anfängen der methodistischen Tradition war zum Jahreswechsel oft die „Wachnacht“ mit einem Gottesdienst zur Bundeserneuerung verbunden. Später wurde das voneinander getrennt. Der Bundeserneuerungsgottesdienst wurde zunehmend am ersten Sonntag eines neuen Jahres gefeiert, während die Tradition der „Wachnacht“ in Amerika und Europa mehr und mehr verschwand. In Ghana ist die Tradition der Wachnacht in der methodistischen Kirche noch verbreitet.

Die „Wachnacht“ war eine Feier von drei bis vier Stunden Länge mit Schriftlesungen, Liedern und Gebeten. Sie begann etwa ab 20:30 Uhr und dauerte bis kurz nach Mitternacht und stellte damit ein alternatives Programm zum Besuch des Wirtshauses dar. Zeitweise wurden Wachnächte vierteljährlich, gerne am Freitag möglich zeitnah zum Vollmond gefeiert, damit es bei der Heimkehr der Teilnehmenden hell genug war. Der Zeitpunkt rund um die Vollmondnacht nährte allerdings das Gerücht, die Methodisten hätten da besondere Heimlichkeiten zu verbergen.

Während das „Book of Worship“ von 1992 der United Methodist Church eine Fassung des „Covenant Renewal Service“ bietet, der eine Reihe von Gebeten und Ermahnungen aus den „Directions“ John Wesleys von 1780 aufnimmt, bietet die Liturgie des Bundeserneuerungsgottesdienstes im deutschsprachigen Gesangbuch der EmK eine vergleichsweise kurze Fassung, die die beiden schon bestehenden Traditionen der Zentralkonferenz Deutschland aus dem Feierheft „feiern und bekennen“ (Nr. 908) von 1994 und der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa, Liturgieheft von 1981, zusammenführt. Darin wird vorgeschlagen, das Lied „Kommt, nehmt die Gnade Gottes an“ vor der eigentlichen Erneuerung des Bundes mit dem Gebet der persönlichen Hingabe zu singen.

 

Dichten als Mittel gegen die Gicht

Charles Wesley ging in den Jahren 1760 und 1761 durch eine längere Zeit des Leidens, da er an Gicht erkrankt war. In diesen Jahren lebte er mit seiner Familie in Bristol. Zur Linderung seiner Krankheit besuchte er mehrmals den Kurort Bath. Da er in dieser Zeit keine methodistischen Gemeinschaften besuchen konnte, widmete er sich umso eifriger der Abfassung von geistlichen poetischen Texten. So entstanden die beiden Bände „Short Hymns on Selected Passages of the Holy Scripture“, die er 1762 herausgab. Ausgehend von einzelnen Bibelversen entstanden 2.348 „Lieder“ mit ein, zwei, höchstens drei Strophen. Sie bilden eine Art „Variationen“ zu einem theologischen Thema, das die methodistische Bewegung in jenen Jahren umtrieb, nämlich die Frage nach der christlichen Vollkommenheit, worin sie besteht und wie sie zu erreichen sei.

 

Gedanken zur christlichen Vollkommenheit

Der erste Band der „Short Hymns“ umfasst die Texte zu den Bibelstellen von 1. Mose bis Jesaja, der zweite Band von Jeremia bis zur Offenbarung. Nur bei den Psalmen tun sich größere Lücken auf, da Charles Wesley diese schon im Jahr 1749 als „Hymns and Sacred Poems“ paraphrasierend in Reime gefasst hatte. Im Vorwort zu den „Short Hymns“ gibt Charles Wesley an, dass er bei seinen poetischen Bibelauslegungen auf die Bibelkommentare von Matthew Henry (1662-1714, dreibändiger Kommentar zum Alten und Neuen Testament), Robert Gell (1595-1665, zu den fünf Büchern Mose) und Johann Albrecht Bengel (1687-1752, „Gnomon Novi Testamenti – Zeiger des Neuen Testaments“, 1742 in Lateinisch verfasst) zurückgegriffen hat.

„Come, let us use the grace divine“ ist mit drei Strophen zu acht Zeilen ein vergleichsweise langer Text. Der dazugehörende biblische Ausgangstext kommt aus Jeremia 50,5: „[Sie werden fragen nach dem Wege nach Zion und sich dorthin kehren:] ‚Kommt, wir wollen uns dem HERRN zuwenden zu einem ewigen Bunde, der nimmermehr vergessen werden soll!‘ – Come, and let us join ourselves to the Lord, in a perpetual covenant that shall not be forgotten."

In einem Tagebucheintrag vom Sonntag, den 12. Juli 1778 zitiert John Wesley die letzten vier Zeilen des Liedes, die gesungen wurden – wohl zum Abschluss der Konferenz, die in Irland mit etwa zwanzig Predigern in den Tagen davor stattgefunden hatte. Er schreibt: „Nachdem ich die Eigenart des Gottesdienstes mehrfach erklärt hatte, erneuerten wir feierlich unseren Bund mit Gott. Es war eine Zeit, die man niemals vergessen wird; Gott schüttete ‚den Geist der Gnade und des Flehens‘ auf die Versammlung herab, besonders als wir diese Strophe des Schlussliedes sangen.“ (Übersetzung von Martin E. Brose, Werkbuch zum Gesangbuch)

 

Veränderung in der großen Liedsammlung von 1780

Zwei Jahre später nahm John Wesley das Lied 1780 in seine große Sammlung „A Collection of Hymns for the use of the People called Methodists“ unter der Nr. 518 (von 525) auf. Diese Liedsammlung ist nach dem Heilsweg des Menschen geordnet. In fünf großen Abschnitten wird zunächst die Welt Gottes und die Religion beschrieben. Es folgt der Weg des vorerst noch ungläubigen Menschen, der mit der Buße beginnt, worauf die Wiedergeburt folgt und wo sich der Gläubige dann freut, kämpft, betet, wacht, arbeitet, leidet, gerettet ist, Fürbitte leistet. Im fünften und letzten Teil folgen die Lieder, die man für das geistliche Leben in den methodistischen Gemeinschaften gebraucht hat: für die Versammlungen, Dank- und Gebetslieder, Lieder für das Liebesfest, zur Bundeserneuerung und Lieder zum Abschied. Im Gegensatz zum Erstdruck von 1762 sind bei der Ausgabe von John Wesley aus dem Jahr 1780 die drei Strophen zu acht Zeilen in sechs Strophen zu vier Zeilen aufgeteilt.

In der britischen Tradition wird das Lied in der erweiterten Ausgabe der „Collection of Hymns“ von 1877 noch mit diesen sechs Strophen abgedruckt, während das Methodist Hymn-Book von 1933 die fünfte Strophe (resp. die erste Hälfte der dritten Strophe mit acht Zeilen) weglässt und in dessen Folge „Hymns  and Psalm“ von 1983 und „Singing the Faith“ von 2011 ebenfalls nur mehr eine Fassung mit fünf Strophen bieten.

In die amerikanische Tradition kam das Lied über das „Pocket Hymn Book“ von 1788, das John Wesley als Auszug aus der Collection von 1780 zusammengestellt hatte, ebenfalls mit sechs kurzen Strophen. Im Lauf des 19. Jahrhundert gingen jedoch die letzten beiden Kurzstrophen verloren und so wurde das Lied im „Methodist Hymnal“ von 1932 und von 1966 nur mit vier kurzen Strophen tradiert. Erst das „United Methodist Hymnal“ von 1989 bietet wieder den ganzen Text mit drei langen Strophen zu acht Zeilen.

 

Der englische Text

Hier eine instrumentale Fassung des Liedes mit dem englischen Text zum Mitlesen. Es ist die Textfassung aus dem United Methodist Hymnal, die in Strophe 2,5/6 und Strophe 3,5 leicht vom ursprünglichen Text abweicht.

Als klare Veränderung gegenüber dem Bibelvers aus Jeremia 50,5 geschieht bei Charles Wesley die Hingabe des Menschen nicht an Gott, sondern an Jesus Christus („to Christ, our Lord“). Er ist einerseits der Herr, dem die Hinwendung gilt und andererseits schenkt er zugleich die Kraft („thru Jesu’s power“), um sich Gott ganz hinzugeben und allein für ihn zu leben und zu sterben („for God to live, and die“). Das ganze Geschehen geht – und das fügt Charles Wesley in den biblischen Ausgangsvers ein – von der Kraft der göttlichen Gnade aus („Come, let us use the grace divine“). Zu diesem Bundesgeschehen gehört außerdem die Einigkeit („and all with one accord“), die vollständige Hingabe („give ourselves up“) und die Aufgabe der Verfügbarkeit über sich selbst („for God to live, and die“).

Die zweite Strophe betont in verschiedenen Aspekten dieses Geschehen der Hingabe: Es vollzieht sich im Augenblick („The covenant we this moment make“) und hat doch Ewigkeitswert („be ever kept in mind“). Es ist ein gültiges Versprechen („we will no more our God forsake“), bei dem Gottes Verheißungen ernst genommen werden („or cast his words behind“). Auf der anderen Seite liegt die Ernsthaftigkeit Gottes, der unsere Worte hört („who hears our [solemn] vow“), sodass in diesem Augenblick der Wunsch zu einer Gottesbegegnung ausgesprochen wird („Come down, and meet us now!“)

Der Beginn der dritten Strophe (die in den neueren Gesangbüchern der britischen Tradition als fünfte Kurzstrophe fehlt) bettet nun das Bundesgeschehen, das nach der christlichen Tradition seinen Ausgang von Jesus her nimmt und Gott gegenüber geschieht, in die Fülle und Weite des dreieinen Gottes ein. Ja, sie wird sogar noch erweitert um die „celestial host“, die himmlischen Heerscharen, die Gott umgeben und ihn bezeugen, resp. loben. Ob damit, wie in anderen Liedern von Charles Wesley, auch diejenigen in die himmlischen Heerscharen miteingeschlossen sind, die uns im Glauben vorangegangen sind, bleibt offen. An dieser Stelle tut sich noch eine weitere lexikalische Unschärfe auf. „Host“ kann nicht nur "Heerschar" bedeuten, sondern auch „Gastgeber“. Das wäre ein Hinweis auf den Heiligen Geist, der es uns erst ermöglicht Gott auf sein Bundesangebot hin von menschlicher Seite her zu antworten.

So geht es schließlich darum, dass das Angebot Jesu, zu sterben und sich damit für die Menschen hinzugeben, von uns auch angenommen wird. Das drückt Charles Wesley mit dem Bild des Bundesblutes aus („to each the covenant-blood apply“), das auf die Kelchworte Jesu beim Abendmahl hinweist: „Das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ (Matthäus 26,28) Schließlich führt die Annahme des Geschenks der Hingabe Jesu durch den Menschen dazu, dass der Name – wie in Lukas 10,20 beschrieben – im Himmel aufgeschrieben wird („and register our names on high“).

 

Die deutschen Übersetzungen

Eine erste deutsche Übersetzung dieses Liedes, das einen eigenen Platz in der methodistischen Gottesdiensttradition hat, findet sich in der »Zionsharfe« von 1878, dem Gesangbuch der Wesleyanischen Methodistengemeinschaft (britischer Zweig), die ab 1830 in Süddeutschland zunächst in Versammlungen außerhalb der evangelischen Hauptgottesdienste tätig wurde. Erst nach einer Änderung des Württembergischen Dissidentengesetzes im Jahr 1872 konnten allmählich kirchliche Strukturen aufgebaut werden. Dazu gehörte auch die Herausgabe eines Gesangbuches mit Melodien.

Die Übersetzung stammt von Friedrich Mürdter, der auch schon eine erste deutsche Übersetzung für das Lied „Gott Abrahams sei Preis“ (EM 39) verfasst hat. Mürdter nahm die dreistophige Fassung mit je acht Zeilen als Vorlage, wählte jedoch ein anderes Versmaß. Statt dem Wechsel von Zeilen mit je 8 und 6 Silben sind es Zeilen im Wechsel zwischen 9 und 8 Silben. Das kommt den Bedürfnissen der deutschen Sprache mehr entgegen, braucht aber eine andere Melodie. Diese wird mit „Wie groß ist des Allmächt’gen Güte“ (EM 77) angegeben.

Hier diese Melodie gesungen vom Solistenensemble des Hänsslerverlages unter der Leitung von Gerhard Schnitter mit dem Text von Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769).

Für das Liederheft der ersten europäischen methodistischen Glaubenskonferenz, die vom 26. bis zum 29. Juli 1984 im österreichischen Hollabrunn stattfand, schuf Lothar Pöll (1951-2020) eine neue Übersetzung des Liedes von Charles Wesley. Anlass für dieses Treffen war die 200-Jahr-Feier der Gründung der Bischöflichen Methodistenkirche in den USA im Jahr 1784. Zu dieser Konferenz waren jedoch nicht nur Methodist*innen aus der United Methodist Church / Evangelisch-methodistischen Kirche eingeladen, zu deren Wurzeln die Bischöfliche Methodistenkirche zählt. Es nahmen auch Methodist*innen aus Großbritannien teil. Damit stellte sich hinsichtlich des Liedes "Come, let us use the grace divine" die Frage, ob man der britischen oder der amerikanischen Tradition folgen soll.

Lothar Pöll, der für das Liederheft zu dieser Konferenz zuständig war, wählte dafür zehn deutschsprachige Lieder aus, zu denen es englischsprachige Übersetzungen gab und zehn englischsprachige Lieder, zu denen es deutschsprachige Übersetzungen gab. Diese Lieder spiegelten nur zum Teil die Botschaft der methodistischen Theologie wider. Daher war auch das Bedürfnis zusätzlich zehn Lieder von Charles Wesley aufzunehmen. Da es im damaligen deutschsprachigen methodistischen Gesangbuch von 1969 nur sechs Lieder von Charles Wesley in deutscher Übersetzung gab, war Pöll genötigt, selbst einige der Lieder Wesleys zu übersetzen, die wesentliche Aussagen methodistischer Theologie zur Sprache brachten. Dazu gehörte auch das Lied „Come, let us use the grace divine“.

Als Vorlage wählte Pöll die in den britischen Gesangbüchern tradierte Fassung mit fünf kurzen Strophen à vier Zeilen. Die abgedruckte Melodie fand sich sowohl im britischen Methodist Hymnbook von 1933 als auch im Gesangbuch der EmK von 1969 und trägt den Melodienamen DUNDEE. Der Name weist auf die Herkunft aus dem Schottischen Psalter von 1615 hin.

Hier die Fassung mit fünf Strophen nach der Melodie DUNDEE aus dem aktuellen britischen methodistischen Gesangbuch „Singing the Faith“, gespielt und gesungen von Gareth Moore von der Isle of Man.

Pölls erste Übersetzung von 1984 wies einige poetische Mängel auf: Reimwörter wiederholten sich. Die Übereinstimmung von Wort- und Versakzent wurde nicht durchgehalten und führte zu falschen Betonungen. Die Wortstellung im Satz war teilweise recht frei.

Für das Gesangbuch von 2002 war klar, dass dieser Text sprachlich überarbeitet werden musste. Außerdem enthielt das inzwischen erschienene United Methodist Hymnal von 1989 die Langfassung des Textes mit drei Strophen zu acht Zeilen. Es war das Anliegen des Gesangbuchausschusses, dass es bei Liedübersetzungen aus dem United Methodist Hymnal eine möglichst hohe Übereinstimmung in Text und Melodie gab. So war auf jeden Fall eine Neuübersetzung der dritten Strophe notwendig.

Die Germanistin Ulrike Voigt (*1963) nahm sich als Mitglied des Übersetzungsausschusses der ursprünglichen Fassung von Lothar Pöll an. Die erste Strophe konnte sie weitestgehend übernehmen. Für die zweite Strophe waren gewisse Zeilen gut, andere mussten ergänzt werden. Für die dritte Strophe war eine Neuübersetzung notwendig.

Die nun im Gesangbuch von 2002 vorliegende Übersetzung behält in der ersten Zeile der ersten Strophe die beiden Schlüsselwörter bei. Es sind dies der Auftakt mit dem „kommt“ und das Wort „Gnade“. Viele Lieder von Charles Wesley beginnen mit dem einladenden Aufruf „komm!“ oder „kommt!“. Das entspricht dem Anliegen der methodistischen Bewegung, die Menschen zu einem aktiven und gelebten Glauben anzuleiten. Dieser Glaube geht jedoch nicht vom Menschen aus, sondern er ist eine Antwort auf Gottes Gnade, die den Menschen in Gottes Nähe ruft.

Da die deutsche Sprache mehr Raum braucht, um Sachverhalte auszudrücken, konnte der Inhalt der zweiten Zeile – die Absicht, mit Einigkeit in den Bund einzutreten – nicht in die deutsche Übersetzung übernommen werden. Die zweite Zeile des deutschen Textes bezieht sich noch einmal auf die menschliche Absicht, sich diesem Bund anschließen: Es soll von Herzensgrund, also aus der Tiefe der Person, geschehen.

Das „join in a perpetual covenant“ wird mit „sich in einem ewigen Bund weihen“ wiedergegeben. Das führt zu einer leichten Akzentverschiebung in der menschlichen Beteiligung. Sich zu weihen erfordert ein gewisses Mehr an Mitwirkung und Hingabe als ein Mitmachen oder Einstimmen ("join"). Getreu dem englischen Text geschieht diese Hingabe an Christus, der als „Herr“ bezeichnet wird.

Sowohl „sich verleugnen“ als auch „to give up – sich aufgeben“ sind starke Begriffe für die menschliche Hingabe an Gott. Wie im englischen Original kann dies nur durch die Unterstützung mit der Kraft Jesu gelingen. Dies wird im Deutschen mit dem „allein“ am Ende der sechsten Zeile unterstrichen, wenn es um das exklusive Lob für Jesus geht.

Das Versprechen der letzten beiden Zeilen, das eigene Leben dem Dienst für Gott zu widmen, drückt der deutsche Text mit dem statischen Begriff der Zugehörigkeit aus: „will ich sein Eigen sein“, während der englische Text verbal-dynamisch formuliert „for God to live, and die“.

 

Die zeitliche Dimension des Geschehens, die am Ende der ersten und zu Beginn der zweiten Strophe angesprochen wird, dass die Hingabe an Gott in diesem Moment geschieht und damit auf die liturgische Einbettung des Liedes in einem Gottesdienst zur Erneuerung des Bundes mit Gott hinweist, muss im deutschen Text wieder entfallen. Sowohl die Aspekte von „sacred hour“ als auch von „this moment“ fehlen. Dadurch erhält das rückblickende Moment der Erinnerung mehr Gewicht. „Wir denken stets an seinen Bund“ unterstreicht die Konstanz mit der Gott den Bund von seiner Seite her hält und immer wieder bestätigt. Auf der Seite des Menschen entspricht dem die Beteuerung, zu diesem Bundesgeschehen zu stehen und „nie mehr zurückzugehn“. Beides wird schon im englischen Text angesprochen.

In der zweiten Hälfte der zweiten Strophe verdichtet sich das Geschehen. Gott wird angerufen, sich zu offenbaren, nachdem das menschliche Versprechen der Hingabe mit einem Gelöbnis („vow“) erfolgt ist. Die deutsche Übersetzung spielt an dieser Stelle noch einmal den Schlüsselbegriff aus der ersten Zeile ein und erinnert damit daran, dass eine Offenbarung Gottes nicht erzwungen, sondern nur erbeten werden kann: „Sei gnädig uns und komm herab und offenbare dich!“

 

Was von menschlicher Seite her ausgesprochen wurde, soll nun von Gottes Seite her bestätigt werden. Die deutsche Übersetzung entscheidet sich an dieser Stelle „celestial host“ als „Himmelsheer“ wiederzugeben. Damit wird mit „the peaceful answer“ auf den Frieden angespielt, den die himmlischen Heerscharen auf dem Feld vor Bethlehem den Menschen zusprechen: „ … und Friede bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lukas 2,14)

Die letzten vier Zeilen des englischen Textes sind in der deutschen Übersetzung recht getreu abgebildet, sodass nichts von der Anspielung auf die Kelchworte beim Abendmahl nach Matthäus verloren geht. Mit dem „Buch des Lebens“ wird eine Redewendung aus Philipper 4,3 übernommen, die im englischen Text anklingt, aber nicht explizit ausgesprochen wird („register our names“). Es geht darum, dass kein Name bei Gott verloren geht, weil er aufgeschrieben wird und darum auch beim letzten Gericht aufgerufen werden kann. Das wird mit dem „großen Tag“ in Erinnerung gerufen.

 

Die Melodie KINGSFOLD

Die Musikerin Lucy E. Broadwood (1858-1929), aus der Klavierbauerfamilie Broadwood stammend, machte es sich zur Lebensaufgabe Volksliedmelodien aus verschiedenen Gegenden Englands zu sammeln und zu publizieren. Die unter dem Namen KINGSFOLD bekannte Melodie findet sich erstmals in der von Lucy E. Broadwood und ihrem Cousin J. A. Fuller Maitland (1856-1936) herausgegebenen Sammlung „English County Songs“ aus dem Jahr 1893. Beide waren auch führend in der Wiederentdeckung englischer Musik aus dem 16. und 17. Jahrhundert, vor allem von Henry Purcell (1659-1695).

In der Sammlung „English County Songs“ trug die Melodie den Namen LAZARUS, weil sie zu einer Ballade über die Geschichte vom reichen Mann und vom armen Lazarus (Lukas 16,19-31) gesungen wurde.

Hier eine temporeiche instrumentale Version der Melodie, begleitet mit Instrumenten, die in der irischen Volksmusik üblich sind.

Die Melodie zeigt große Ähnlichkeit mit der irischen Melodie von „Star of the County Down“, das die Schönheit eines braunhaarigen irischen Mädchens beschreibt, hier dargeboten in einer Version von Angelo Kelly und seiner Familie. Die Melodie von „Star of the County Down“ ist erstmals schon 1726 schriftlich belegt.

Wie viele Volksliedmelodien wird die Form der sogenannten Reprisenbar verwendet. Ein erster Melodieteil wird wiederholt, es folgt ein Zwischenteil, der einige Melodieelemente aus dem ersten Teil aufnimmt. Zum Schluss wird der erste Teil mit einer kleinen Variante wiederholt, sodass das Melodieschema AABA erkennbar ist. Die vielen Wiederholungen ermöglichen so ein leichtes Erlernen der Melodie. Die kleinen Veränderungen führen dazu, dass die Melodie nicht zu gleichtönig erscheint.

Der Komponist und Arrangeur Ralph Vaughan Williams (1872-1958), selbst ein Sammler von Volksliedmelodien und Präsident der englischen Gesellschaft für Volkstanz und Volkslied, hörte die Melodie erstmals im Dorf Kingsfold/Sussex und gab ihr daher diesen Namen, als er sie für das von ihm und Percy Dearmer (1867-1936) 1906 herausgegebene Gesangbuch „The English Hymnal“ arrangierte. Dort erscheint die Melodie mit dem Text „I Heard the Voice of Jesus Say“ von Horatius Bonar (1808-1889), einem schottischen Geistlichen. Es ist ein Lied der Hingabe und des Trostes und nimmt in jeder der drei Strophen ein Worte Jesu auf, das er uns zur Stärkung zuspricht: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.“ (Matthäus 11,28) „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten.“ (Johannes 4,14) „Ich bin das Licht der Welt“ (Johannes 8,12)

Diese Aufnahme stammt aus der in Großbritannien beliebten Fernsehsendung „Songs of Praise“.

Im englischen Sprachraum wird die Melodie KINGSFOLD auch für das Lied „O sing a song of Bethlehem“ (1889) mit einem Text des presbyterianischen Pastors Louis F. Benson (1855-1930) aus Pennsylvania verwendet, der in vier Strophen den vier Lebensstationen Jesu entlanggeht: Bethlehem, Nazareth, Galiläa und Calvary (Golgatha). Dieses Lied findet sich im United Methodist Hymnal unter der Nummer 179.

Ralph Vaughan Williams komponierte zur Melodie KINGSFOLD außerdem „Five Variants of ‚Dives and Lazarus‘“ für Streichorchester und Harfe (1939).

Hier werden diese Variationen vom britischen Orchestra of the Swan unter der Leitung von David Le Page gespielt.

Aus urheberrechtlichen Gründen können hier keine Texte aus dem Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche 2002 abgedruckt werden. Dieses kann jedoch bei blessings4you bestellt werden.

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