Dein Gott ist König
Faith Impulse
Pastorin, Erwachsenenbildung
An den Sonntagen im Advent haben uns Texte aus den Prophetenbüchern begleitet. Zwei Aspekte daraus sind mir immer wieder begegnet.
Sehnsucht
Das eine ist die Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Veränderung. Die Sehnsucht nach Frieden. Die Sehnsucht nach Heil, nach einem Leben, das in keiner Weise beeinträchtigt wird. Diese Sehnsucht steckt tief in uns Menschen.
Vorfreude
Der andere Aspekt, der mir aufgefallen ist, das ist die Vorfreude. Auch wenn das Ersehnte noch nicht da ist, kann man sich trotzdem schon einmal darauf freuen und diese Freude auskosten. Freude kann man allerdings nicht befehlen oder einfordern. Das wissen alle, die ein Weihnachtsgeschenk weitergegeben haben, das nicht so recht passen will. Wenn man dann von einem Kind fordert: „Jetzt freu dich doch!“ kann man sich auf etwas gefasst machen. Ein Schmollmund ist dann noch das harmloseste, was man zu sehen bekommt. Freude kann nicht eingefordert werden, aber sie braucht einen Grund, über den man sich freuen kann. Und dieser Grund ist auch im heutigen Predigttext zu finden: „Dein Gott ist König!“
Zurück zur Monarchie?
„Dein Gott ist König!“ Was ist das für eine Botschaft? Kehren wir staatspolitisch wieder in die Zeiten der Monarchie zurück, wo ein König alles zu sagen und zu entscheiden hat? Geht es beim Fest von Weihnachten um einen Herrschaftsantritt oder gar um eine Krönung? Es soll ja gar nicht so leicht sein, eine Krone auf dem Kopf zu tragen. Gute zwei Kilo auf einem Kopf zu balancieren, das muss man erst einmal üben, hat uns der englische König verraten.
„Dein Gott ist König!“ Im Zusammenhang des Prophetenbuches von Jesaja ist das die Botschaft, die bei den nach Babylon deportierten Menschen eine große Freude auslöst. Denn im Buch der Propheten Jesaja finden wir im Großen eine ähnliche Situation vor, wie beim Propheten Zefanja im Kleinen. Im ersten Teil des Buches, der etwa Zweidrittel des Umfangs umfasst, geht es um das Gericht über das Volk Israel oder um eines der Nachbarvölker. Aber im letzten Drittel des Buches verändert sich der Tonfall. Da hören wir Worte des Trostes, Worte der Ermutigung und Zuversicht. Denn das Volk darf in die alte Heimat zurückkehren. Und es steht vor der schwierigen Aufgabe, die Städte in Trümmern wieder aufzubauen und das zerstörte Land wieder in ein fruchtbares Land zu verwandeln.
Hat Gott versagt?
„Dein Gott ist König!“ Diese Botschaft ist nicht selbstverständlich. Denn mit der Zerstörung der Stadt Jerusalem wurde auch der Tempel zerstört. Das bedeutet, dass Gott seinen Wohnsitz auf dem Berg Zion verloren hat. Kann er da überhaupt noch zurückkehren? Kann er da noch der Gott seines Volkes sein? Oder wäre es nicht längst an der Zeit, das zu tun, was man im Alten Orient immer getan hat, wenn ein Volk über das andere gesiegt hat? Nämlich ebenfalls den Gott des siegreichen Volkes anzubeten und damit quasi die Seite zu wechseln. Wenn ein Gott nichts taugt und sein Volk nicht beschützen kann, dann hatte er ebenso wie der König abzudanken.
Nun aber lautet die Botschaft: „Dein Gott ist König!“ Er kehrt zurück. Gott hat nicht abgedankt. Er hat sich nicht davongeschlichen. Er hat sein Volk nicht im Stich gelassen. Darum gibt es Grund zu jubeln und sich zu freuen. Darum sind Freudenboten unterwegs und sagen es weiter. Darum sind die Wächter der Stadt so aufgeregt und tragen die Botschaft weiter. Und darum brechen selbst die Trümmer der Stadt Jerusalem in Jubel aus.
Was bedeutet diese Freudenbotschaft: „Dein Gott ist König!“?
Dein Gott ist König und kein anderer
Zunächst einmal eine Abgrenzung: Dein Gott ist König und kein anderer. Das ist eine Absage an andere Könige. Nicht Nebukadnezzar, nicht Kyros, nicht Augustus, nicht Herodes, weder Kaiser Franz-Josef noch Putin oder sonst irgend ein Machthaber ist König, sondern Gott allein. Niemand außer Gott hat einen umfassenden Anspruch auf unser Leben. Niemand außer Gott darf über uns bestimmen. Und niemand anderem als Gott geben wir die Ehre.
Diese Botschaft muss in unseren Demokratien, wo eigentlich das Volk der Souverän, die oberste Macht im Staat ist, noch etwas weiter gedacht werden. Wer oder was hat in unserer Zeit einen umfassenden Anspruch auf unser Leben? Ist es die Diktatur der Leistung, die sich wieder lohnen muss, wie es manche Politiker fordern? Sind es Profit und Gewinn, die an erster Stelle stehen, wie es der Wettbewerb uns aufnötigt? Ist es der Zwang zum Konsum, der gerade zu Weihnachten besonders gepflegt wird, damit die Wirtschaft wieder an Schwung aufnimmt? Oder geht es darum, möglichst viel für sich selbst herauszuschlagen und die anderen auf der Strecke zu lassen, wie der Überlebensdrang und Egotrip, die in uns stecken, es fordern?
Nein: „Dein Gott ist König!“ Lass niemand anderes über dich regieren als Gott allein! Lass niemand anderes über dein Leben bestimmen als Gott allein! Lass niemand anderes an erster Stelle stehen als Gott allein! Dein Grund zur Freude, das ist Gott selbst, der dein König sein will.
Eine Botschaft des Friedens
Ein zweiter Punkt: „Dein Gott ist König!“ Das ist auch eine Botschaft des Friedens. So war es die Hoffnung des Volkes Israel. Wenn Gott unser König ist, dann nimmt das mit den Kriegen ein Ende. Dann wird Gott selbst für Gerechtigkeit sorgen. Und dann ist es unsere Aufgabe, nach den Ordnungen Gottes zu leben. Er hat sie uns gegeben, damit Frieden und Gerechtigkeit eine Chance haben im Miteinander der Menschen.
Dabei ist stets mitzudenken, dass Frieden im biblischen Sinn das Wohlergehen des ganzen Menschen umfasst. Das biblische Wort für Frieden, „Shalom“, bedeutet ein Heil sein, ein Ganz sein an Körper und Seele. Und dazu gehören auch geordnete und geklärte Beziehungen zwischen den Menschen.
Frieden ist mehr als ein Waffenstillstand. Auch wenn ein Waffenstillstand ein erster Anfang für ein friedliches Miteinander in Kriegsgebieten ist, so wissen wir, dass mehr dazu gehört. Frieden, Shalom, bedeutet nicht hungern zu müssen. Frieden bedeutet, in guter Weise für sich selbst und seine Mitmenschen sorgen zu können. Das ist auch eine Frage der gerechten Verteilung von Gütern. So gehören in der Bibel Frieden und Gerechtigkeit stets zusammen, quasi als untrennbare Zwillinge.
Trost und Ermutigung
Ein dritter Punkt: „Dein Gott ist König!“ Das ist auch eine Botschaft des Trostes und der Ermutigung. In früheren Zeiten hatte der König nicht nur die Aufgabe der Regierung und der Repräsentation. Er war auch derjenige, der Menschen getröstet und ermutigt hat. Vom König durfte man sich erwarten, dass er einem hilft, wenn man in Not geraten ist. Es war seine Aufgabe fürsorglich zu sein, zu trösten und aufzurichten, wenn Menschen am Boden lagen.
Es gibt Menschen, die sich auch heute einen solchen König als starken Mann in der Politik wünschen. Einer, der eine Politik betreibt, wo alle zu ihrem Recht kommen und niemand unter die Räder kommt. Und an erster Stelle wird dabei an sich selbst gedacht. Die Erfahrung hat uns allerdings gezeigt, dass kein Mensch all diese Hoffnungen und Wünsche eines Volkes erfüllen kann. Und die Erfahrung hat gezeigt, dass Menschen an der Macht sich gerne mehr aneignen, als ihnen zusteht. Die Versuchung zur Korruption ist groß und man kann ihr schwer widerstehen.
Gerade darum ist der Ruf „Dein Gott ist König!“ der eigentliche Ruf der Erlösung. Denn es gibt nur einen, der sich nicht durch die Macht, die man ihm zuspricht, korrumpieren lässt, das ist Gott. Es gibt nur einen, dem wir uns wirklich anvertrauen können, ohne Gefahr zu laufen, dass er uns ausnützen oder ausbeuten wird, das ist Gott. Es gibt nur einen, der für uns in umfassender Weise sorgen kann, sodass wir Shalom erfahren, das ist Gott.
Der König als Kind
Zum Schluss möchte ich fragen: Was ist an der Botschaft „Dein Gott ist König!“ überhaupt weihnachtlich? Das lässt sich kurz und überraschend beantworten: Der König, der den umfassenden Anspruch auf unser Leben hat, er ist ein Kind. Ihr fragt euch nun sicher: Wie soll das gehen? Wie soll ein Kind für Frieden sorgen? Wie soll ein Kind für uns sorgen, uns trösten und ermutigen? Ist ein Kind nicht viel zu machtlos und klein dafür?
Die einzige Macht, die ein Kind hat, das ist die Fähigkeit andere Menschen durch seine Bedürftigkeit an sich zu binden. Ein kleines Kind, ein Säugling kann nur überleben, indem es erwachsene Menschen an sich bindet, die für ihn sorgen. Ein Kind weckt in uns die Liebe, die es braucht, um zu überleben. Was für ein Gedanke! Gott legt sich als Kind in eine Krippe, damit er die Liebe in uns wecken kann. Gott legt sich als Säugling in unsere Arme, damit wir uns nicht scheuen, ihn zu lieben. Gott bindet uns nicht durch Macht und Unterdrückung an sich, sondern durch seine Liebe.
Wie ganz anders ist doch Gottes Art zu regieren. Sie unterscheidet sich von all den vielen Machthabern. Seine Macht ist die Liebe, die er uns entgegenbringt. Dafür wird er ein Mensch, wird er ein Kind, wird er ein hilfloser kleiner Säugling. So weckt er ins uns die Liebe, um ihn zu lieben. So wird er zum König unserer Herzen. Das ist der tiefe Grund der Freude von Weihnachten. Amen.