Christus ist unser Friede

Faith Impulse

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Esther Handschin

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine Predigt zu Epheser 2,11-22

In der Reihe der Predigten zum Epheserbrief machen wir einen Sprung ins zweite Kapitel. Wir lassen zwei Abschnitte aus. Am Ende des ersten Kapitels stehen der Dank und die Freude im Vordergrund über den gemeinsamen Glauben. Dabei werden die wesentlichen Punkte des Glaubens noch einmal zusammengefasst. Der Anfang des zweiten Kapitels stellt die Veränderungen vor, die Gottes Gnade im Leben bewirken kann. Menschen von damals und auch heute machen die Erfahrung: Wenn Gottes Gnade mir begegnet, dann verändert sich mein Leben. Ich lasse ein altes Leben zurück, das davon geprägt ist, dass ich selbst oder etwas, das mich gefangen nimmt, im Mittelpunkt meines Lebens steht. Habe ich bisher Dinge getan, von denen ich eigentlich weiß, dass sie mir und anderen nicht gut tun, so steht in meinem neuen Leben Gott in der Mitte. Mein Leben ist nun geprägt von Dankbarkeit und davon, dass ich mich um das Gute bemühe. Gott selbst zeigt mir, wie mein Leben gelingen kann. An Jesus kann ich mir ein Vorbild nehmen, wie ich anderen Menschen gut begegne.

 Ein gutes Miteinander ist erwünscht

Der Abschnitt, um den es heute geht, befasst sich damit, wie Menschen unterschiedlicher Herkunft und Ansichten in einer guten Weise miteinander zusammenleben können. Auch das kennen wir aus unserem Leben. Es fängt damit an, dass andere Personen in unser Leben treten: Da gibt es neue Nachbarn oder die Tochter bringt ihren Freund in die Familie mit. Nach einer Trennung von der bisherigen Partnerin hat der Bruder eine neue Freundin. Oder ist selbst bin in einem Verein tätig, wo neue Menschen hinzukommen. Man muss erst ausloten, wie diese Menschen sind. Und dann stellt man fest: Da gelten andere Regeln. Die benehmen sich anders. Sie setzen andere Akzente in ihren Prioritäten. Sie halten es anders mit der Sauberkeit und der Mülltrennung. Oder sie leben Gastfreundschaft anders, ja manchmal bis weit in die Nacht hinein. Auf einmal sind wir nicht nur neugierig, sondern ganz schön genervt, weil die anderen so anders sind als wir. Wie kann da ein friedliches Zusammenleben überhaupt noch möglich sein?

 Auch für die frühen christlichen Gemeinden, an die das Rundschreiben des Epheserbriefes gerichtet ist, ist dieses Thema nicht neu. Hier verlaufen die wesentlichen Trennlinien entlang der Unterscheidung „Heiden“ und „Juden“. Denn in den ersten christlichen Gemeinden gab es solche, die jüdischer Herkunft waren und andere, die es nicht waren. Der Unterschied zeigte sich in den alltäglichen Fragen: Können wir miteinander an einem Tisch sitzen und zusammen essen? Können wir miteinander auch das Abendmahl feiern? Wie leben wir konkret die Gemeinschaft miteinander, zu der wir eingeladen sind? Die jüdischen Speise- und Reinheitsregeln haben ein solches Miteinander von Juden und Heiden eigentlich verboten. Aber mit dem, was durch Jesus Christus geschehen war, musste man dieses bisherige Nichtverhältnis, die Trennung – ja, von manchen bis zu einer Feindschaft verstanden – neu überdenken. Was diese Änderung des Verhältnisses zueinander herbei geführt hat, das umschreibt der Epheserbrief sehr kurz und damit kaum verständlich, indem er sagt, dass es „durch das Blut Christi“ geschehen sei.

 Diese Kurzformel muss man erst etwas auseinanderfalten, damit sie verständlich wird. „Das Blut Christi“ fasst in knappster Ausdrucksweise zusammen, was wir jeweils am Ende eines Evangeliums nachlesen können: Die Geschichte von Jesu Leiden und Sterben, und eigentlich gehört dazu auch die Geschichte von Jesu Auferstehung. Sie erzählt uns, dass ein Mensch gewaltsam gestorben ist, der eigentlich friedfertig war und für den der Tod frühzeitig kam. Es war ein Tod, der seinen Sinn dadurch gewonnen hat, dass er für andere, nämlich für uns geschehen ist. Und gleichzeitig wird der Tod Jesu von seinen Anhängerinnen und Anhänger bis heute als ein Zeichen verstanden, mit dem Gott den Menschen zeigt: Das habe ich für euch getan, um euch meine Nähe und Zuwendung zu zeigen und euch Menschen die Angst vor der Gottferne zu nehmen. Es musste bis zum Tod gehen, weil sonst viele Menschen mich nicht verstanden oder ernst genommen hätten. Denn erst da, wo es um das Letzte und Unabänderliche geht, da werden die Menschen bereit, nicht mehr auszuweichen. Es ist, als wollte Gott mit dem Tod Jesu sagen: Dafür stehe ich mit meinem Leben und mit meinem Namen.

 Christus ist unser Friede

Im Epheserbrief wird entfaltet, was dieser Tod Jesu bei uns Menschen bewirkt. Er stiftet Frieden und das in unterschiedlicher Richtung. Die Menschen brauchen mit ihren unterschiedlichen Herkünften als Juden oder als Heiden, Frieden mit Gott. In welche Beziehung sie zum Gott Israels stehen, ist ja verschieden. Die Juden kennen den Gott ihrer Väter, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs schon von klein auf. Sie sind mit den Geschichten und Traditionen ihres Volkes groß geworden. Sie haben von klein auf gelernt, sich von Menschen mit heidnischer Herkunft fern zu halten. Dahinter steht die Angst, bei einer Vermischung den eigenen Glauben an den Gott der Väter zu verlieren. Aber, wo Gott in Jesus Christus Versöhnung stiftet, darf man Vorurteile und Ängste ablegen. Denn Gott ist größer als die Grenzen, die wir Menschen setzen. Gott wirkt tiefer, als die Ängste, die wir entwickeln. Gottes Horizont ist weiter, als allein bei dem Volk zu bleiben, dem er seine Gegenwart und Nähe zugesagt hat. Er bezieht auch diejenigen Menschen in sein Heil mit ein, die er zunächst nicht im Blick hatte, nämlich die sogenannten Heiden.

Darum stiftet Christus auch Frieden für diejenigen, die den Gott Israels nicht oder noch nicht kennen. Dazu müssen wir auch uns selbst zählen. Denn wir kennen den Gott Israels nur, weil Jesus uns ihn als seinen himmlischen Vater bezeugt hat und wir über die Jahrhunderte der christlichen Tradition an diesem Gott und dem, was von ihm erzählt wird, festgehalten haben. Das war nicht unumstritten und wird auch von namhaften Theologen in Frage gestellt. Über die Jahrhunderte hinweg gab es immer wieder Menschen, die der Meinung waren, dass man den christlichen Glauben und damit auch Jesus aus dem Judentum herauslösen müsse. Aber Jesus war Jude und hat als Jude unter Juden gelebt. Er hat uns die Anliegen des Gottes Israels vermittelt, seine Leidenschaft für die Menschen und seine Zuwendung zu den Menschen.

 Die Ängste voreinander ablegen

Genauso wie es für Menschen jüdischer Herkunft in den frühen christlichen Gemeinden wichtig war, die Ängste vor den Nichtjuden zu verlieren, so geht es für uns auf nichtjüdischer Seite darum, dass wir uns durch die Versöhnung, die Jesus Christus gestiftet hat, in den Bund Gottes mit seinem Volk hineinnehmen zu lassen. Als Christen sind wir keine Fremdlinge und Heiden mehr, sondern wir stehen in einem Naheverhältnis zum Gott Israels. Wir gehören zu Christus und sind nicht mehr ausgeschlossen von dem, was für diejenigen gilt, die zum Volk Israel gehören. Wir werden von „Zugereisten“ und „Neuzuzügern“, von „Gästen“ und „Fremdlingen“ nun zu „Mitbürgern der Heiligen“ und „Hausgenossen Gottes“, wie es in Vers 19 heißt.

Dabei geht es nicht darum, gleich zu werden wie die anderen. Es geht vielmehr darum, als zu Christus Gehörende eine neue Identität zu gewinnen. Zwei Dinge gilt es in guter Weise zusammenzubringen: Meine bisherige Vergangenheit mit all ihren Facetten, die zu meiner Identität beigetragen haben und das Neue, das ich in Jesus Christus erkannt habe, nämlich Frieden zu finden. Christus selbst ist unser Friede, heißt es im Epheserbrief. Er ist die Grundlage dafür, dass unterschiedliche Menschen zueinander finden, weil beide Seiten in Christus versöhnt sind mit Gott. Jesus selbst hat die Feindschaft, die wir immer wieder gegeneinander aufrichten, getötet. Der Epheserbrief verwendet dafür die Kurzformel, dass dies „durch das Kreuz“ geschehen sei. So werden wir daran erinnert, dass Jesus für unseren Frieden sein Leben gelassen hat. Er, der keine Gewalt angewendet hat, ist einen gewaltsamen Tod gestorben, damit wir Frieden haben.

 Wie leben wir nun diese neue Identität, die uns in Jesus Christus gegeben ist?

 Wer an einem neuen Ort heimisch werden will, tut gut daran, die neue Sprache zu erlernen. Das hilft, die Kommunikation zu verbessern. Als Christinnen und Christen tun wir gut daran, darüber zu lernen, wie die Bibel – und zwar gerade das Alte Testament – den Menschen sieht und vom Menschen spricht und wie Gott sich diesen Menschen zuwendet. Es gilt aber nicht, mit den Menschen von heute nur noch „biblisch“ zu sprechen. Es geht vielmehr darum, das, was wir vom Gott der Bibel verstanden haben, immer wieder neu in die Sprache der Menschen von heute zu übersetzen. Wie wendet sich Gott den Menschen zu in der Situation, in der sie heute sind? Wie können sie in den Schwierigkeiten unserer Zeit das finden, was wir „Frieden“ nennen?

 Wer an einem neuen Ort heimisch werden will, fängt an, die Feste und Traditionen der Umgebung wertzuschätzen und mitzufeiern, die das Leben mitformen und prägen. Als Christinnen und Christen steht es uns gut an, von der Erinnerungs- und Gedenkkultur der jüdischen Tradition zu lernen. Wir können Gott als einen erfahren, der nicht nur damals zu unserem Heil gehandelt hat, sondern was Gott getan hat, wird immer wieder neu gegenwärtig und konkret. Er ist nicht nur vor zweitausend Jahren in Jesus Christus Mensch geworden. Er will auch in uns neu geboren werden. Er ist nicht nur damals für uns gestorben. Sein Tod schenkt auch heute noch Leben und geschieht für uns. Seine Auferstehung schenkt uns heute Hoffnung und Zuversicht.

 Wer an einem neuen Ort heimisch werden will, sucht Begegnung und Beziehungen zu den Menschen, die schon da sind und wird bereit, Menschen, die neu hinzukommen, willkommen zu heißen und in die Gemeinschaft aufzunehmen. Als Hausgenossen Gottes haben wir unser Bürgerrecht im Himmelreich. Da liegt unsere Beheimatung, wo auch immer wir auf Erden zu Hause sind. Da haben wir einen fixen Platz. Diese Verwurzelung gibt Halt, gerade dann, wenn die Heimat auf der Erde nicht einfach so sicher ist und man sie verlassen muss. Dass unser Platz bei Gott sicher ist und hält, das liegt an Christus Jesus selbst. Er hält dieses unsichtbare Haus, das wir Kirche oder Gemeinschaft Gottes nennen, auf wunderbare Weise zusammen, auch wenn die Steine, aus denen dieses Haus gebaut ist, sehr verschieden sind. Darum wird Christus der Schlussstein genannt. Wie bei einem aus Steinen geformten romanischen Rundbogen oder bei einem gotischen Spitzbogen ist es der letzte Stein, der von oben eingefügt wird, der letztlich alles zusammenhält. Denn Christus ist unser Friede und er macht aus den unterschiedlichen Menschen eine Gemeinschaft, weil er die Feindschaft unter den Menschen aufgehoben hat. Amen.

 

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