Schuhe ausziehen! Mose und der brennende Dornbusch

Faith Impulse


Eine Predigt von Prof. Dr. Christoph Schluep zu 2. Mose, Kapitel 3 und 4 und zum Thema "Berufung"

Der Bibeltext zur Predigt, in gekürzter Fassung:

Mose weidete die Schafe seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Und er trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Gottesberg, den Horeb. Da erschien ihm der Bote JHWHs in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch. Und er sah hin, und sieh, der Dornbusch stand in Flammen, aber der Dornbusch wurde nicht verzehrt. 

Da dachte Mose: Ich will hingehen und diese große Erscheinung ansehen. 
Und Gott rief ihn aus dem Dornbusch und sprach: Mose, Mose! 
Und er sprach: Hier bin ich. 
Und er sprach: Komm nicht näher. Nimm deine Sandalen von den Füßen, denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. 
Dann sprach er: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Schreien über ihre Antreiber habe ich gehört.
Und nun geh, ich sende dich zum Pharao. 
Führe mein Volk, die Israeliten, heraus aus Ägypten. 

Mose aber sagte zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen könnte? 
Da sprach er: Ich werde mit dir sein, und dies sei dir das Zeichen, dass ich dich gesandt habe: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr an diesem Berg Gott dienen. 

Mose aber sagte zu Gott: Wenn ich zu den Israeliten komme und sie sagen zu mir: Was ist sein Name?, was soll ich ihnen dann sagen? 
Da sprach Gott zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und er sprach: So sollst du zu den Israeliten sprechen: Ich-werde-sein hat mich zu euch gesandt. 
Daraufhin sagte Mose: Sieh, sie werden mir nicht glauben und auf meine Stimme nicht hören. 

JHWH aber sprach zu ihm: Was hast du da in deiner Hand? 
Und er sagte: Einen Stab. 
Und er sprach: Wirf ihn auf die Erde! Da warf er ihn auf die Erde, und er wurde zu einer Schlange, und Mose floh vor ihr. 

Und JHWH sprach weiter zu ihm: Stecke deine Hand in die Falten deines Gewandes. 
Und er steckte seine Hand in sein Gewand, zog sie heraus, und sieh, seine Hand war von Aussatz überschneit. 
Und er sprach: Stecke deine Hand noch einmal in dein Gewand. 
Und er steckte seine Hand wieder in sein Gewand und zog sie aus seinem Gewand, und sieh, sie war wieder gesund. 
Wenn sie dir nicht glauben und auf das erste Zeichen nicht hören, werden sie dem zweiten Zeichen glauben. 

Mose aber sagte zu JHWH: JHWH, ich bin kein Mann von Worten. Ich war es früher nicht und bin es auch nicht, schwerfällig sind mein Mund und meine Zunge. 
Da sprach JHWH zu ihm: Wer hat dem Menschen einen Mund gemacht, wer macht stumm oder taub oder sehend oder blind? Bin nicht ich es, JHWH? 
Und nun geh, ich selbst werde mit deinem Mund sein und dich lehren, was du reden sollst. 

Er aber sagte: JHWH, sende, wen immer du senden willst! 
Da entbrannte der Zorn JHWHs über Mose, und er sprach: Ist da nicht dein Bruder Aaron, der Levit? Ich weiß, dass er zu reden versteht. Sieh, schon kommt er dir entgegen, und wenn er dich sieht, wird er sich von Herzen freuen. Ich selbst werde mit deinem und mit seinem Mund sein und euch lehren, was ihr tun sollt. Er wird für dich zum Volk reden, und er wird dein Mund und du wirst sein Gott sein. 

(Zürcher Bibel, Exodus 3-4)

Berufung in der Lebensgeschichte von Mose

In 2. Mose 3-4 begegnet uns Mose als ein Schafhirte, der in der Wüste ein neues Leben findet, nachdem er in Ägypten einen ebenso steilen Auf- wie Abstieg erlebt hat. Eines Tages nähert er sich mit seiner Herde dem Horeb, von dem er gar nicht weiß, dass es der Gottesberg ist. 

Gotteserscheinung – der brennende Busch

Als Mose einen Busch sieht, der zwar brennt, aber nicht verbrennt, begegnet er Gott. Wohl zum ersten Mal in seinem Leben – wir wissen von nichts anderem. Wenn Gott sich uns offenbart, dann hat das mit der Welt, in der wir leben, zu tun. Wie sonst könnten wir es wahrnehmen? Darum brennt ein Busch in der Wüste. Und zugleich ist es etwas ganz Außergewöhnliches, eigentlich Unmögliches – darum brennt der Busch, ohne zu verbrennen. So seltsam dieses Ereignis klingt, es hat trotz allem eine gewisse innere Logik. 

Wo Gott erscheint, da verändert sich die Umgebung, sie wird heilig, rein, gut. Wo das Licht ist, gibt es keine Dunkelheit, wo das Gute wohnt, hat das Böse keinen Platz. Darum muss Mose seine Schuhe ausziehen, darum verhüllt er sein Gesicht, denn er weiß, dass er vor Gott nicht bestehen kann. Aber Gott ist nicht gekommen, zu richten, sondern zu rufen, er hat Großes vor. Und jetzt entspinnt sich ein Dialog, der zugleich witzig und befremdlich ist: Gott sagt, was Sache ist, und Mose, statt gehorsam "Amen" zu murmeln, wider­spricht in einem fort. Bevor wir uns das genauer anschauen, ein paar grundsätzliche Fragen zum Thema Berufung. Wie steht es denn mit unserer Berufung? Denn auch wir sind von Gott berufen, unabhängig davon, was andere dazu sagen mögen. Leben wir unsere Berufung, und steht darum das, was wir tun und sind, in einem Zusammenhang mit den Ideen Gottes für diese Welt? Oder tun wir einfach, was man uns sagt oder wozu wir gerade Lust haben? Und wenn Gott mit uns spricht: Raunzen wir herum wie Mose, oder sagen wir aus lauter Angst nur das, was Gott hören will? 

Was ist "Berufung"?

Über Berufung habe ich schon oft mit Menschen aller Altersstufen gesprochen. Sie ist kein Thema der Jugend oder der Midlifecrisis, sondern unseres ganzen Lebens. Berufung ist ein grundsätzliches und einfaches spirituelles Thema: Hat das, was ich tagein, tagaus mache, irgend etwas mit dem zu tun, woran ich glaube? 

Meine eigene Berufung ist nicht spektakulär gewesen und auch nichts, was ich in jenem Moment erkannt hätte. Es war ein Prozess, den ich erst im Nachhinein als Berufung deuten konnte. Aber dieser Prozess hat mein Leben geprägt bis zum heutigen Tag. 

Die Symbolik der ausgezogenen Schuhe

Etwas von dieser Prozesshaftigkeit kommt zum Vorschein, wenn Gott Mose befiehlt, seine Schuhe auszuziehen. Das hat mit der Heiligkeit des Ortes zu tun, gewiss, aber die Symbolik geht tiefer. Ohne Schuhe steht Mose barfuß vor Gott, nackt und bloß, zumindest zuunterst. Und weil Gott weiß, dass Mose am liebsten davonläuft, ist es gerade recht, dass er jetzt nicht wegrennen kann – das ist im Gebirge ohne Schuhe weder ratsam noch schmerzlos. Er muss hierbleiben und Gott zuhören, bis zum Schluss. Berufung hat mit Bleiben zu tun, mit Warten, mit Geduld, mit Zeit, Hören und Gehörtwerden. Wer immer sogleich der nächsten Idee hinterherrennt, wird sein Ziel verpassen, und wer immer schon die Sprintschuhe montiert hat, hört nicht, was er/sie hören muss. Eine Berufung braucht Zeit, dafür steht das Ausziehen der Schuhe. 

Wie ist es mit dir – welche Schuhe trägst du? Ausgetragene Latschen unerfüllter Hoffnungen? Sprintmodelle mit Nägeln, um sich möglichst schnell aus dem Staub zu machen? Weiche Pantoffeln für den Schlummertrunk vor dem Kamin? Oder konkreter gefragt: Wozu ist es Zeit in deinem Leben? Die Schuhe auszuziehen und zu warten, hören, nachzudenken? Oder die Bergschuhe zu montieren, um den Herausforderungen des Kommenden entgegenzutreten? Fast immer fällt es uns leicht, die Schuhe anziehen und ans Werk zu gehen. Vielleicht täten wir zuweilen besser daran, die Schuhe ausziehen, um entblößt von Fluchtgedanken in einen Dialog mit Gott zu treten. Welche Schuhe also trägst du? Und könnte es wieder einmal Zeit sein, die Schuhe auszuziehen? Es gibt eine Zeit zum Laufen, und es gibt eine Zeit zum Stehenbleiben. 

Mose wehrt sich gegen den Auftrag

Was mich an dieser Geschichte am meisten beeindruckt, ist nicht das Wunder des Dornbusches, nicht die Größe der Aufgabe, es sind nicht die Zeichen mit Stecken und Hand. Es ist die Art und Weise, wie Mose mit JHWH, dem Herrn des Universums, spricht. Zuerst bewundert er respektvoll die Erscheinung im Busch und zieht gehorsam die Schuhe aus. Dann aber wird er dreister, wider-spricht Gott, bringt Gegenargumente (Wer bin ich denn? – Wer bist du denn? – Ich bin kein Mann großer Worte), um am Schluss wie ein Teenager zu raunzen (Sende, wen immer du senden willst/ rutsch mir den Buckel runter). Was für ein Dialog mit dem Herrn der Welt! Was gäben wir für eine Gottesbegegnung, wie Mose sie erlebte in der Wüste – und er selbst würde gerne verzichten. 

Am Ende zürnt Gott, zu Recht, werden wir sagen. Aber wer Blitz und Donner erwartet, täuscht sich: Gott lässt kurzerhand Aaron auftreten, denn der kann, will und wird reden. Pech gehabt, Mose! 

Kreative Problemlösungen von Gott

Was für ein überraschendes Gespräch: Unendlich geduldig hört Gott zu, und selbst als es ihm zu viel wird, schlägt er nicht zu, sondern löst das Problem kreativ. Gott zeigt sich hartnäckig, aber auch flexibel. Er sieht die Schwächen und Bedenken, und er überwindet sie. 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Berufung weniger eine einmalige Beauftragung ist, als vielmehr ein Dialog, eine Dynamik, eine Beziehungsangelegenheit. Du kannst und darfst mit Gott diskutieren, du sollst ihm deine Meinung sagen. Du kannst dich aber darauf verlassen, dass er immer wieder originelle Wege findet, dich zu überzeugen und zu motivieren. Es ist möglich, dass dein Starrsinn oder dein Unverständnis Gott nicht kalt lassen, vielleicht sogar erzürnen. Ich vertraue aber darauf, dass er nicht nur bei Mose zu phantasie­vollen Mitteln greift, sondern auch bei uns. Denn jemand, der so sehr wie er immer wieder die Beziehung zu uns sucht, ist auch bereit, etwas in diese Beziehung zu investieren. Wahrscheinlich ist es Gott sogar lieber, wenn du ihm widersprichst, als wenn du einfach schweigst oder gar nicht zuhörst. 

Zum Schluss noch einmal ein paar persönliche Fragen: 

1.  Wie erlebst du Berufung – als Gespräch, als Prozess, als Befehls­ausgabe? 

2.  Bist du bereit, dich auf einen Dialog mit Gott einzulassen, selbst wenn du davon ausgehen musst, dass dir deine Gegenargumente nicht helfen werden? 

3. Inwiefern war Gott bisher in deinem Leben kreativ und originell? Und was erwartest du für deine Zukunft, unabhängig davon, ob du 18 oder 80 bist?

Prof. Dr. Christoph Schluep (Theologische Hochschule Reutlingen)

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