Gott erkennen & aufnehmen

Glaubensimpuls

Bild von Manfred Schwarz
Manfred Schwarz

Pastor i.R., EmK Salzburg


Eine Weihnachtspredigt aus Salzburg zu Johannes 1, 9-10
EmK Salzburg Weihnachten 2021

„Der Methodismus wird öfter mal als „Erfahrungsreligion“ bezeichnet. Für John Wesley hatte die persönliche Erfahrung eine hohe Bedeutung. Denken wir nur an seine Schilderung des Erlebnisses von Aldersgate. 
Dass jemand die Liebe Gottes persönlich annimmt und erfährt und dass Menschen die persönliche Verbindung zu Christus gestalten, das ist für Methodisten typisch.“

Bischöfin  Rosemarie Wenner
in einem Referat in Frankfurt 2008

Eine Erfahrungsreligion!

Könnt ihr euch vorstellen, dass ich neue Erfahrungen mache, neu Einsichten gewinne, wenn ich in der Bibel lese?

Viele Jahre lese ich, studiere ich die Bibel – und immer wieder tauchen darin neue Gedanken auf – oder wird mir etwas neu bewusst. 

So auch heuer, als ich den Beginn des Johannesevangeliums gelesen hatte. Da blieb ich bei den Versen 9 und 10 hängen. Ich zitiere sie nach einer genauen Übersetzung:

Er (der Logos) war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet; 
(er war das Licht), das in die Welt kam. 
Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, doch die Welt erkannte ihn nicht.

Ich hatte früher darüber hinweggelesen. Doch diesmal ging mir etwas auf:
Er, der Logos, oder wie wir es kennen, das Wort Gottes…
Da heißt es doch später: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. 
Also: das Wort Gottes, der Logos – ist Jesus, ist der Christus.
Jetzt bitte, stellt euch vor:

Dieser Jesus Christus ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet!

Wow, hab ich mir gedacht:  …jeden Menschen
Und dieses Licht ist in die Welt gekommen!
Ist also da! Jesus, der Christus, ist also da.
Und von dem heißt es nun: Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, doch die Welt erkannte ihn nicht.
Seltsam, dachte ich mir: 
Früher hatte ich immer geglaubt, das Johannesevangelium erzählt da über längst vergangene, historische Tatsachen.
Aber wenn ich jetzt so nachdenke, dann heißt das doch: Dieses Wort Gottes, dieser Logos, dieser Jesus, der Christus ist in der Welt. Er ist das Licht, das jeden Menschen erleuchtet. Er ist auch heute da.
Nur…die Welt erkennt ihn nicht. Auch heute nicht! 
Wir erwarten seine Wiederkunft – ja, aber er ist ja da. Und da heißt es weiter bei Johannes: „In das Eigene kam er und die Eigenen nahmen ihn nicht auf.“

Und wieder hatte ich gedacht: Ja, das war damals in Bethlehem, als in der Herberge kein Platz war…und so. 

Doch jetzt ging mir ein Licht auf: Das ist ja heute noch immer genau so. Er kommt, ist da, und selbst seine Eigenen nehmen ihn nicht auf.

Wieso? werdet ihr fragen. 
Wir nehmen ihn ja auf, wir gehen in die Kirche, nicht nur 1x im Jahr zu Weihnachten, sondern immer wieder. Wir beten zu ihm, wir feiern ihn, wir singen Lieder von ihm, wir lobpreisen ihn… Also, was sollen wir denn noch tun? 
Ja, dann hab ich nochmals die Bibel aufgeschlagen, diesmal den 1. Johannesbrief, also auch Johannes. Und da steht in Kap. 4, Verse 11-12: "Geliebte, wenn uns Gott auf solche Weise geliebt hat, dann sind wir auch verpflichtet, einander zu lieben. Gesehen hat Gott niemand jemals; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist vollendet in uns."

Und wieder staune ich: wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns! Und dazu sind wir sogar verpflichtet.

Na – bitte – „verpflichtet“, das hören wir aber gar nicht gern. Wir sind doch „freie Menschen“, freie Bürger in einem freien Staat. Wir lassen uns doch von niemandem verpflichten, weder von Kirchen, noch vom Staat. – Und da sollen wir uns von Jesus zum ‚Einander Lieben‘ verpflichten lassen?

Genau, liebe Schwestern und Brüder, füreinander da sein – heißt für uns, die wir ja sein Eigentum sind, ihn aufnehmen. Das heißt dann – mit anderen Worten – nicht mehr auf sich und die eigene Befindlichkeit zu schauen, sondern auf das Wohl der Mitmenschen. Denn so (und nur so) kommt Gott. Denn so ist Gott!

Vielleicht noch ein weiterer Vers von Johannes aus dem 1.Brief 4,9.

Es ist einer meiner schönsten Weihnachtstexte: "Darin ist die Liebe Gottes unter uns erschienen, dass Gott seinen einziggezeugten Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben."

Die Liebe Gottes ist erschienen! Schön! Doch wenn man ein bisschen nachdenkt:
Habt ihr schon einmal „Liebe“ gesehen? 
Die Auswirkung der Liebe sieht man. Das Tun von Liebenden sieht man. Aber nicht die Liebe selbst.
Wenn also die Liebe Gottes unter uns erschienen ist, dann ist sie nur durch Werke der Liebe sichtbar erschienen. Also – wie Jesus geliebt hat, wie er gehandelt hat: “Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Armen wird frohe Botschaft verkündet!“  Das sind die Kennzeichen der Liebe Gottes. 
Wenn wir also einander lieben, füreinander da sind, helfend und heilbringend durchs Leben gehen, erscheint durch uns die Liebe Gottes. Dann ist der Logos, das Wort Gottes, der Christus mitten unter uns lebendig – und wird aller Welt sichtbar. 

Wie sagt Jesus bei Joh 15,12? „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“  
Wie aber hat er uns geliebt? Indem er bereit war, sein Leben für uns hinzugeben. Den eigenen Leib einzusetzen. Leib-haftig!
Hat Gott uns so sehr geliebt, dann müssen auch wir einander lieben. Wohlgemerkt, wir sind dazu verpflichtet! Mit unserm Leib und Leben.

Ich fasse zusammen: 

Er, Christus, ist in der Welt – und wir sind es, diejenigen, die die Liebe Gottes, Christus, in unserer Welt aufleuchten lassen. 

Gottes Liebe kommt in sein Eigentum, und seine Eigenen nehmen ihn auf! 

Das ist Weihnachten: Die Liebe Gottes ist unter uns erschienen, darin, dass Gott seinen einziggezeugten Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben… 

Denn, wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist vollendet in uns.

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