Frieden auf Erden

Glaubensimpuls

Bild von Stefan Schröckenfuchs
Stefan Schröckenfuchs

Pastor, Superintendent


Damit es Frieden geben kann, muss man die Randfiguren in die Mitte holen. Predigt vom TV-Gottesdienst am 26.12.2022

Die Predigt von Superintendent Pastor Stefan Schröckenfuchs aus dem TV-Gottesdienst vom 26.12.22 kann hier nachgelesen werden. Der Gottesdienst kann auch über die Homepage des ORF nachgesehen werden.

Predigttext 

Lukas 2,8-14 (Lutherbibel 2017)

8Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;11denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Predigt 

Liebe Gemeinde, wir haben für unseren Gottesdienst heute nochmals einen Abschnitt aus dem Weihnachtsevangelium des Evangelisten Lukas ausgewählt. Der Heilige Abend ist zwar schon vorbei. Aber es lohnt sich, noch einmal genau hinzuhören, was Lukas erzählt. 

Licht für die, die im Dunkeln leben 

Wenn man seiner Geschichte folgt, dann sind die ersten, die von der Geburt Jesu erfahren, einige Hirten. Hirten sieht man heute nicht mehr alle Tage. Trotzdem hab ich ein recht klares Bild dazu vor Augen. Ich stelle mir eine Schar von rauen Männern vor: junge Burschen und alte, abgebrühte Kerle, die keinen anderen Platz in der Gesellschaft gefunden haben als den, auf das Vieh anderer Leute aufzupassen. Die Gefahren, denen sie dabei ausgesetzt waren, waren groß; die Entlohnung für ihre Arbeit dennoch gering. Und die Anerkennung, die sie für ihre Arbeit bekamen, war gleich null. Hirten waren weit unten im gesellschaftlichen Ranking. 

Vergleichbar sind sie vielleicht am ehesten mit den Heerscharen an jungen, meist zugewanderten Männern, die in Wien heute als Fahrradboten Essen und Einkäufe für die diversen Lieferdienste ausliefern. Schlechte Bezahlung, hohes Risiko im Straßenverkehr, geringes Ansehen und kaum Perspektiven auf eine Verbesserung ihrer Situation. 

Es ist ein ähnliches Schicksal wie das der Hirten der Weihnachtsgeschichte, die ihr Leben am Rand der Gesellschaft führen. Nicht unsichtbar, doch im Schatten derer, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen und sich bedienen lassen können.

Doch wie schon der Prophet Jesaja verheißen hat: Mit der Geburt Jesu geht denen, die im Finstern leben, ein helles Licht auf. Darum sind die Hirten ersten, denen die Weihnachtsbotschaft zugesagt wird: „Euch ist heute der Heiland geboren“ – der Retter, der die Not wenden wird. Ja, die Engel verkünden ihnen nicht weniger als Frieden auf Erden! 

Die Hirten – so erzählt Lukas weiter – sind dann auch die ersten, die sich auf den Weg machen, um das neugeborene Kind, das ihnen Rettung verheißt, zu suchen. Und als sie es sehen, ist ihre Freude groß!

Frieden ist mehr als kein Krieg

Frieden auf Erden. Das wünschen ich mir heute auch. Die Hoffnung auf Frieden ist eine Sehnsucht, die Menschen auf der ganzen Welt verbindet. Doch was ist das eigentlich, dieser Friede, von dem die Engel singen? Herrscht Friede schon da, wo es keinen Krieg gibt?

Ehrlich gesagt: In der Zeit, in der wir heute leben, wäre ich schon froh, wenn wir wenigstens solchen Frieden hätten. Aber der Friede, von dem die Bibel spricht, meint noch vielmehr. Das Wort zur Zeit Jesu für Frieden war „Schalom“. Schalom meint nicht weniger als einen umfassenden Zustand von Heil und Wohlergehen in jeglicher Hinsicht. Es meint, dass ich innerlich ruhig und gelassen sein kann, weil alles in Ordnung ist. Es herrscht in jeder Hinsicht Harmonie: Es gibt keinen Streit zwischen Menschen. Das soziale Miteinander in Ordnung ist. Niemand wird unterdrückt oder ausgebeutet. Darum muss sich auch keiner vor einem anderen fürchten. Es gibt keinen Hunger und keine Not. Ja, sogar die Natur ist intakt: Sonne und Regen kommen zur rechten Zeit, so dass die Pflanzen ihre Früchte und der Ackerboden Nahrung im Überfluss hervorbringen kann. Menschen und Tiere leben friedlich zusammen. 

Die Bibel kennt dafür wunderbare Bilder. „Der Herr redet vom Frieden.“, heißt es in Psalm 85. Der Psalm beschreibt den Frieden dann so: „Güte und Treue finden zueinander. Gerechtigkeit und Frieden küssen sich. Treue wächst aus der Erde empor. Gerechtigkeit scheint vom Himmel herab.“

Frieden, der sich darin zeigt, dass Menschen gütig, liebevoll und treu miteinander umgehen. Sie sind gerecht – das heißt, sie tun, was dem Miteinander dient. Und ich möchte hinzufügen: Sie gehen achtsam mit der Welt um, in der sie leben; sie erhalten sie und bewahren sie.

Schalom setzt Gerechtigkeit voraus

Solchen Frieden hat Gott den Menschen zugedacht. Dieser Friede ist mit Jesu Geburt zum Greifen nahe. Das ist die gute Nachricht, die der Engel den Hirten verkündigt. 

Frieden im Sinne von Treue, Güte und Gerechtigkeit. Danach sehne ich mich. Nicht nur zur Weihnachtszeit. Doch wenn ich mit offenen Augen durch die Welt gehe, sinkt mir schon auch einmal der Mut. 

Denn auch heute, 2000 Jahre nach Jesu Geburt, ist die Welt voller Krieg. Es scheint, als wären viele Dinge so aus dem Gleichgewicht geraten, dass so etwas wie ein gerechtes, versöhntes Miteinander unmöglich geworden ist. Das soziale Gefüge funktioniert an vielen Stellen nicht. Die Reichen werden im reicher, die Armen ärmer. Das bringt das menschliche Miteinander aus dem Lot. Streit, Neid und Misstrauen bestimmen viel zu oft den Umgangston. Die einen herrschen über die anderen, bringen sie in Abhängigkeit, werden auf Kosten der Schwächeren stark. Von einem harmonischen Miteinander von Mensch und Tier kann ohnehin keine Rede mehr sein. Nicht einmal mehr Sonne und Regen kommen zur rechten Zeit. Wie können wir da von Frieden reden?

Wegweiser zum Frieden

Für mich ist eine wichtige Erkenntnis: Die Weihnachtsgeschichte verkündet nicht einfach nur den Frieden. Sie weist auch einen Weg, wie es auf Erden Frieden werden kann. Damit es Frieden geben kann, braucht es einen Ausgleich oder vielmehr: eine Umkehrung der Verhältnisse. Was aus dem Gleichgewicht geraten ist, muss wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Deshalb müssen jene, die am Rand stehen, die man ausbeutet und unterdrückt, ins Zentrum gestellt werden. Menschen wie Josef und Maria, die von den kaiserlichen Steuereintreibern quer durchs Land gehetzt werden. Sie stehen im Zentrum der Geschichte Gottes; ihnen wird Aufmerksamkeit geschenkt. Hirten, die sonst die Drecksarbeit übernehmen müssen. Sie sind die ersten, die als Ehrengäste zur Geburtstagsfeier Jesu eingeladen werden. Und die weisen Männer aus dem Osten – landläufig nennt man sie die heiligen drei Könige – teilen ihren Reichtum mit dem Kind der Armen. Ja noch mehr: Sie ehren es wie einen König.

Da macht sich Frieden breit: wo es zu einem Ausgleich kommt. Es mag zwar illusorisch erscheinen zu hoffen, dass die Menschheit jemals auf Dauer in Frieden leben könnte. Dennoch kann jede und jeder von uns etwas dazu beitragen, dass es mehr Frieden gibt auf unserer Welt.

Es beginnt bei mit ganz kleinen Dingen: dass man einander zuhört und sich darum bemüht, Verständnis für den oder die andere zu haben. Das klingt zwar nach nicht viel. Aber wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen ohnehin unter großem Druck stehen. Da hilft es ungemein, wenn man die Erfahrung macht: Mein Gegenüber nimmt mich wahr und hört wirklich zu.    

Wichtig ist aber auch, sich ganz grundsätzlich von den richtigen Fragen leiten zu lassen und den richtigen Zielen nachzustreben. Was ist mir wichtiger: reicher zu werden, mächtiger, angesehener – oder die Not anderer zu lindern, wenn ich es kann? Was bedeutet mir mehr: Viele Güter anzuhäufen und alles zu besitzen, was das Leben bequem macht? Oder so zu leben, dass ich der Natur möglichst wenig schade und der nächsten Generation eine lebenswerte Welt hinterlasse? 

Keine Angst vor Verlust

Es sind Fragen, die mich auch in einen Konflikt bringen können. Was ist mir wichtiger: dass mein Kind die bessere Bildung erhält? Oder dass jedes Kind die gleichen Chancen auf bestmögliche Bildung hat? 

Der Ausgleich, den es für den Frieden braucht, hat einen Preis. Ihn zu zahlen tut manchmal tatsächlich weh. Dennoch sollten wir uns weder von Angst leiten lassen, noch von der Sorge, am Ende zu den Verlierern zu gehören: Denn wo Friede ist, gibt es nur Gewinner. Darum ist dann auch die Freude groß. So, wie es der Engel den Hirten verheißen hat: »Fürchtet euch nicht! Hört doch: Ich bringe euch eine gute Nachricht, die dem ganzen Volk große Freude bereiten wird.“ Gott lässt euch dabei nicht im Stich: „Euch ist der Retter geboren worden.“ Vertraut ihm. Wenn ihr mit ihm geht, dann wird Friede möglich! Amen.

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