Sehnsucht nach Jesus

Glaubensimpuls

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Charlotte Schwarz

Laienpredigerin


Mit Thomas auf der Suche nach Glauben und Frieden – Eine Predigt zu Johannes 20,19-31

„Friede sei mit euch!“

Einer verschreckten, verängstigten und verbarrikadierten Gruppe von Männern tritt Jesus entgegen und sagt: „Friede sei mit euch!“
Ein paar Tage erst ist es her, da passierte Entsetzliches: Jesus wurde grausam gefoltert und umgebracht. Und jetzt kommt er unerwartet durch eine verschlossene Tür und sagt: „Friede sei mit euch!“ 
Wohl hatten sie von Maria aus Magdala gehört, dass er ihr erschienen sei. Der Evangelist Johannes erzählt von keiner anderen Begegnung. Er ist in seinem Evangelium sehr knapp mit seinem Bericht über die Auferstehung Jesu. So ist dies die erste Begegnung zwischen den Jüngern und dem Auferstandenen.
Nach all dem, was geschehen war, ist der Friedensgruß das erste Wort, das Jesus an seine Jünger richtet, seine Jünger, die ihn verlassen und verleugnet hatten in seiner schwersten Stunde!
Das berührt mich zutiefst. Da kommt kein Wort des Vorwurfs oder der Enttäuschung über Jesu Lippen.

Friede! Schalom!

Was bedeutet denn dieses Wort „Schalom“ ?
Der hebräische Begriff Schalom [שלום] bedeutet zunächst „Unversehrtheit und Heil“. Doch mit dem Begriff ist nicht nur „Befreiung von jedem Unheil und Unglück“ gemeint, sondern auch „Gesundheit, Wohlfahrt, Sicherheit, Frieden und Ruhe.“  
„Schalom ist die Frucht der Gerechtigkeit“, heißt es bei Jesaja 32,17.

„Friede sei mit euch!“ So grüßt Jesus seine Jünger. „Schalom aleichem!“
Ist Friede nicht das, wonach wir uns alle sehnen? Wir wünschen uns Gesundheit und Heil, Sicherheit, Ruhe … Wir wünschen es einander oft, besonders zum Geburtstag.
Ist dieser Friede nicht das, was wir so sehr den Menschen in der Ukraine wünschen?
Ist Friede nicht das, was unsere gebeutelte Welt so nötig hat?

Es ist nicht leicht, an diesen Friedensgruß Jesu zu glauben, ihn zu verkündigen, wenn wir auf die notvolle, lebensbedrohliche Situation von Millionen Menschen auf unserer Erde denken. Wo herrscht wirklich der Friede, den Jesus verkündigt? Den er verspricht? Friede – der nicht nur die Abwesenheit von Krieg ist? Schon das wäre das größte Wunder, das wir zur Zeit erhoffen könnten. 

Auch im täglichen Leben brauchen wir dieses Wort „Frieden“ recht oft:
„Gib an Friedn“, sagen wir leichthin, wenn wir keine Lust zum Streiten haben oder wenn uns jemand auf die Nerven geht. 
„Gebts an Friedn“, ermahnen wir die Kinder, wenn sie sich in die Haare geraten. 

Die Sehnsucht nach friedvollem Zusammenleben sitzt tief in uns drinnen. Wir wissen und erleben aber auch, wie sehr dieser ersehnte Frieden immer wieder gefährdet ist, unser Zusammenleben funktioniert nicht so, wie wir es wünschen, wir schaffen das so schwer! Wie leicht machen wir einander Vorwürfe, fühlen wir uns gekränkt oder bedroht. Diese, oft unbewusste, Angst sitzt genauso in unseren Herzen. In ihm ist wirklich Platz für allerlei Gefühle! 

So muss der Gemütszustand der Jünger an diesem Abend gewesen sein. Angst vor der jüdischen Obrigkeit, Angst davor, dass es ihnen ebenso ergehen könnte wie ihrem Meister. Angst vielleicht auch, dass einer von ihnen zum Verräter am anderen werden könnte. Angst, sollte es wirklich stimmen, was Maria erzählt hatte – und Jesus ihnen begegnen würde, enttäuscht und erzürnt über ihre Untreue, ihren Verrat …

Mitten in diesen wirren Gemütszustand erscheint plötzlich Jesus mit seinem Friedensgruß! Er spricht ihnen Ruhe, Sicherheit und Frieden zu. Und bevor auch nur einer ein Wort erwidern kann, zeigt er ihnen seine Seite und seine Hände. Damit sie es sehen, dass ER es ist, der ihnen erscheint! 

„Als die Jünger den Herrn sahen, wurden sie froh!“ Ihn zu sehen hatte erst einmal ihr Herz froh gemacht – was der Friedensgruß in seiner tiefen Bedeutung, die Jesus gemeint hat, hieß, war ihnen wohl noch nicht bewusst. Dass die Gemeinschaft mit Jesus die Angst überwinden kann, konnten sie noch nicht nachvollziehen.

Und noch einmal spricht er ihnen sein „Schalom aleichem“ zu. 

In diesem, seinem Frieden sollen sie nun hinaus gehen in die Welt, als Gesandte Gottes, so wie er selber, Jesus, ein Gesandter seines Vaters war. 

Freude erfüllte die Jünger, Jesus zu sehen. Aber Freude allein genügte nicht um hinaus zu gehen in die Welt und die Gute Nachricht, das Evangelium zu verkünden. Noch fehlte ihnen „der Helfer“, den Jesus ihnen vor seinem Tod versprochen hatte. 

Pfingsten war es dann soweit, dass die Jünger, ergriffen durch den Heiligen Geist, zu mutigen Zeugen der Auferstehung wurden und zu seinen „Gesandten“ wurden!

Die Fortsetzung unseres Evangeliums zeigt uns, trotz seiner Kargheit, wie sehr Jesus auch nach seiner Auferstehung die Menschen begleitet, ihnen nachgeht, sie Schritt für Schritt führt. 

Ist Thomas ungläubig?

Thomas ist ein Beispiel dafür. Ich habe etwas dagegen, Thomas einfach „den Ungläubigen“ zu nennen! Seine Reaktion auf die Erzählung der anderen Jünger ist doch zu verständlich! Was wäre denn gewesen, wenn er einfach gesagt hätte: „O super! Das ist ja großartig! Schön für Euch, dass ihr ihn gesehen habt!“ 

Im Gegenteil: Ich sehe Thomas als einen, der eine tiefe Sehnsucht hat, Jesus nicht nur zu sehen, sondern ihn im wahrsten Sinn des Wortes zu „begreifen“! Nicht nur vom Hören-Sagen zu glauben. Ist er nicht auch ein Verwundeter? Seine Hoffnungen, seine Visionen vom Reich Gottes, von dem Jesus so oft gesprochen hatte, sind zerstört. Sein eigenes Versagen angesichts der Kreuzigung seines Meisters muss ihn sicher zutiefst beschämen. Friede im Herzen hatte Thomas gewiss nicht. 

Darum wohl spricht Jesus als erstes wieder diese Worte „Friede sei mit euch!“ als er acht Tage später nochmals den Jüngern und diesmal auch Thomas erscheint. 

Das ist mehr als eine Begrüßungsfloskel. Jesus spricht ihnen und sicher ganz besonders auch Thomas, seinen Schalom zu! Er wünscht ihnen „Unversehrtheit und Heil, Sicherheit, Frieden und Ruhe“. „Befreiung von jedem Unheil und Unglück“, das in diesem Wort „Schalom“ enthalten ist, könnte hier auch meinen, dass die Jünger befreit werden mögen von Angst und Schuldgefühlen, von Zweifeln und Ungewissheit. Alles, was ihre Seele bedrückt. 

Was mich hier so berührt, ist, wie gut Jesus seinen Jünger Thomas kennt. Er weiß um dessen Sehnsucht, ihn zu sehen. Er weiß, dass nur diese persönliche Begegnung Thomas überzeugen kann. Jesus schenkt ihm diese Begegnung. Wir erleben hier Jesus, wie behutsam er mit seinem Jünger umgeht: Er zeigt sich ihm nicht nur, nein, er bietet ihm an, in seine Wunden zu greifen … das muss man sich einmal vorstellen! So nah kommt er Thomas! So sehr liegt ihm daran, dass Thomas wirklich glauben kann. Ja, er ermutigt ihn richtig dazu. Er macht ihm Mut, zu glauben: „ … und nicht werde ungläubig, sondern gläubig!“ heißt es in der wörtlichen Münchner Übersetzung.

Das Vertrauen Jesu und dieses „Mutmachen“ überwältigen Thomas.
Diese so persönliche Begegnung mit Jesus hat ihn umgekrempelt.  Alle Zweifel, wohl auch seine Schuldgefühle und Angst sind weggewischt in der Begegnung mit dem Auferstandenen! Da hat er Heil, ja Heilung erfahren. Da kann er ausrufen: „Mein Herr und mein Gott!“ Das kann nur einer sagen, der die ganze Liebe Gottes in seinem Herzen spürt. Niemand vor Thomas hat bisher zu Jesus gesagt: „Mein Gott!“ 

Was heißt das nun für uns? Doch nicht nur eine wunderbare Geschichte, die vor 2000 Jahren passiert ist! Immer haben die biblischen Berichte etwas mit uns selber zu tun, immer gehen sie uns auch heute noch etwas an. Immer können sie etwas in unserem Leben bewegen!

Überlegen wir doch, ob wir nicht manchmal auch Ängste oder Zweifel haben, vor Jesus ganz offen und ehrlich zu sein? Haben wir den Mut wie Thomas zu sagen, „wenn ich ihn nicht als den Auferstandenen erlebe, habe ich Schwierigkeiten, an ihn zu glauben, mich ihm ganz anzuvertrauen, mein Leben in seine Hände zu legen! Wie sollte er sich denn bloß um mich kümmern? Da gibt es doch Wichtigeres für ihn als meine kleinen Zweifel …“ Ja genau: Wir dürfen den Mut haben, Jesus genau das zu sagen! 

Heute ist diese Thomas-Geschichte eine Ermutigung für mich.
Immer wieder darf ich erleben, in meinem Leben, auch im Leben meiner Glaubensgeschwister, wie Jesus jede/n einzelne/n unter uns ganz persönlich meint. Jede und jeden unter uns spricht er ganz persönlich an. Und dies auf ganz unterschiedliche Weise. Es gibt nicht ein Schema „F“, nach welchem jede/r zum Glauben an Jesus kommen muss, oder soll, oder kann. Und mit jedem Menschen geht Jesus immer so behutsam um, aber genauso, wie ER es für gut hält. Und jeder Mensch hat auch das Recht zu sagen wie Thomas: „Wenn ich ihn nicht so erlebe, oder erfahre, dass ich es auch glauben kann, werde ich es nicht glauben!“ Jesus lässt sich davon nicht abschrecken! Seine Liebe zu uns Menschen ist unendlich groß und langmütig. So wie dieser verschreckte Thomas ihm wichtig war, so wichtig, dass er sich ihm als der Gekreuzigte zeigte, so wichtig ist jede und jeder von uns für Jesus.

Es ist die große Liebe Jesu, die uns den wahren Frieden, den Schalom schenkt. 

Der Kirchenlehrer Augustinus hat es so ausgedrückt: „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir“. Das ist der „Schalom“ Gottes. Ihn spricht Jesus auch uns zu!

Wie die Jünger damals, sind auch wir Gesandte Jesu! Mit seinem Frieden im Herzen. Wenn dieser Friede unser Herz erfüllt, wird er nach außen strahlen! So dürfen wir unseren Mitmenschen eben diesen Frieden wünschen. Sie dürfen ihn an uns sehen und erleben. 

Und um diesen Frieden Jesu dürfen wir für die Menschen in der Ukraine beten. Um diesen Frieden auch und besonders für diejenigen, die so viel Unfrieden und Hass und Zerstörung verursachen. Denn nur mit diesem Frieden Gottes können sie wieder Frieden schaffen. Eine Utopie? Eine unvorstellbare Vision des Friedens? Vielleicht … bis Jesus wieder durch verschlossene Türen tritt! 

Das schenke Gott durch seinen Schalom! AMEN

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