Wüsten-Zeit und Entscheidungen
Glaubensimpuls
Pastor i.R., EmK Salzburg
Zu Lukas 4,1-13
Die Versuchung Jesu
Die Geschichte von der Versuchung Jesu ist ja nicht neu. Also – lehnen wir uns in unserem (Kirchen-) Sessel zurück, hören uns die eh schon bekannte Geschichte vom Teufel und dem Jesus an, und wir freuen uns, dass der Jesus dem Teufel aber schon treffend widersprochen hat. Dem hat er’s aber eine g’sagt! Bravo!
Genauso gut hätte ich jetzt ein Märchen erzählen können, z. B. der „Schneider und der Teufel“. Das schlaue Schneiderlein trickst den Teufel aus. Bravo!
Aber am ersten Fastensonntag hat uns die Leseordnung keine Schmunzelgeschichte vorgelegt, um uns zu amüsieren. Da steckt wohl mehr dahinter.
- Z.B.: Wer oder was ist wohl der Teufel in dieser Erzählung?
- Eine weitere Frage: Wo komm ich in dieser Perikope vor?
Sicher interessante Fragen. Also schauen wir uns einmal an:
Wo und wie hat Lukas in seinem Evangelium die Geschichte eingebaut?
Sie steht zwischen der Taufe Jesu, bei der Gottes Geist über Jesus kommt – und seinem ersten Auftreten in der Synagoge von Nazareth, wo er in der Kraft des Geistes predigte.
Zwei Kräfte am Werk
Wir können also feststellen, dass sich zwischen den beiden Berichten von der Kraft des Geistes Gottes eine andere Kraft einmischt. Die personifizierte Gestalt des Versuchers. In der Erzählung: der Teufel.
Also – da steht Jesus, Gottes geliebter Sohn, erfüllt vom Heiligen Geist Gottes, in der Spannung mit einer anderen Geisteskraft.
Was ist dieser andere Geist?
Nein, kein Gespenst, kein Kramperl oder irgendein böser Percht.
Genauso, wie der Geist Gottes ja keine Taube ist.
Das Teuflische in dieser Erzählung ist das unersättliche Ego, das immer noch mehr haben will und in überheblicher Weise Gott nicht braucht. Und das ist im Menschen drin. So wie auch der Geist Gottes in uns ist.
Der Geist Gottes ist ja eine innere positive Einstellung, eine geistige wertschätzende liebevolle Haltung. Es ist das tiefe Denken Jesu, Gott Vater zu ehren und die Menschen zu lieben.
Ja. Und so ist der Geist des Versuchers eben auch eine innere Einstellung: das süchtige Ich, der Selbstruhm. Eine geistige eigen-sinnige Haltung. Das sitzt tief in jedem Menschen drinnen. Das ist eben das Teuflische.
Weil auch Gottes Geist der Liebe im Menschen ist. Beide geistige Haltungen stecken in uns drinnen.
Von Jesus zu uns
Seht ihr – und jetzt kommen wir selbst auf einmal in dieser Erzählung vor: in der Spannung zwischen Gott und dem Ego. So wie es Jesus erlebte. Und somit kann uns Vieles aus der Geschichte berühren.
Da ist einmal die Wüste.
Ja, Jesus wurde vom Geist Gottes in die Wüste geführt. Wüste? Das ist dort in Galiläa nicht die Sahara, sondern eher eine Steppe, wenig Wasser, vor allem aber Alleinsein, Stille, ein Rückzugsgebiet.
Hier nun konnte Jesus nachdenken: ‚Wie soll es mit mir weiter gehen? Was hat Gott mit mir vor? Wie kann ich meine besonderen Gaben einsetzen?‘
Und da ist einmal die erste Versuchung: mit den besonderen Gaben den eigenen Hunger stillen, eben Steine in Brot für sich verwandeln – oder die Gaben für andere einsetzen, wie er es dann später bei der Brotvermehrung tat.
Und die zweite Versuchung: mit den himmlischen Kräften den eigenen Größenwahn, die Herrschsucht über alle Länder der ganzen Welt gewinnen – oder unser aller Diener sein, wie er es später dann bei der Fußwaschung zeigte.
Und die dritte Versuchung: mit Hilfe eines Psalmwortes Gott zum Eingreifen auf die Probe zu stellen, auf Engelsflügeln bei seiner Show vom Tempel herab schweben – oder den Weg der Hingabe wählen, bis hin zum Tod am Kreuze.
Ihr seht – es waren ganz wichtige Entscheidungen, die Jesus in der Abgeschiedenheit, in der Stille, in der Kargheit getroffen hat: ich, der Superstar – oder Gottes Weg zum Heil der Menschen. Davon können wir lernen.
Der evangelische Pastor Werner Tiki Küstenmacher schreibt in seinem Buch „biblify your life“ ein Kapitel mit der Überschrift:
“Gehen Sie zu Jesus in die Wüste“
Darin gibt er Anregungen, wie Leute von heute sich zurückziehen können, um wichtige Lebensentscheidungen zu treffen.
Und ich zitiere daraus: „Nehmen Sie Wüsten-Auszeiten.
"Auch wenn Sie nicht in einer aktuellen Krise stecken, können Sie Ihre innere Wüste aufsuchen. Erklären Sie einen Abend in der Woche zu einem Abend der Stille – ohne Fernsehen, ohne Handy, ohne Besuch oder Ausgehen. Dann – lesen Sie in einem spirituellen Buch. Schreiben Sie in einem Tagebuch. Setzen Sie sich in eine stille Kirche. Beten Sie.“
Und der Autor gibt noch weitere Anregungen: „Legen Sie einen Wüstentag ein, an dem Sie sich zurückziehen und ganz bewusst nichts anderes machen, als nach innen zu lauschen. Oder besuchen Sie einen Meditationskurs. Nehmen Sie Ihren Urlaub als Auszeit, bei der es um die innere Reise zu sich selbst geht.“ (Zitat Ende)
Persönliche Beispiele
Ich habe im Laufe meines Lebens solche Auszeiten genommen, durch die ich wichtige Entscheidungen getroffen habe. Ich erinnere mich: Da ging es mir einmal gar nicht gut. Ich hatte mir zu viel aufgehalst, neben Religionslehrer leitete ich Kurse, hielt Vorträge, organisierte eigene Konzertauftritte, und, und…
Da spürte ich psychosomatische Probleme. War es das Herz? Mein Magen? – Und so begann ich, einiges zu streichen, daheim bewusst den Fernseher abzuschalten und stattdessen mein Tagebuch nach längerer Zeit wieder weiter zu führen. Die Symptome hörten auf. Und ich hörte auf die Stimme Jesu in mir.
Und noch etwas möchte ich hier kurz berichten. Es war vor 37 Jahren. Damals war ich noch fest in der römisch-katholischen Kirche beschäftigt. – Ich wollte ein paar Tage religiöser Auszeit nehmen. Da erfuhr ich von einem Glaubenskurs der Methodistenkirche, den ein mir damals unbekannter Pastor Lothar Pöll leitete. Ich beschloss, daran teilzunehmen und war dann von dem Kurs und seinem Leiter so angetan, dass ich den Entschluss fasste: ‘Wenn ich in Pension gehe, werde ich zu den Methodisten gehen. Vielleicht können die mich brauchen.‘
Seht ihr, liebe Schwestern und Brüder, es müssen nicht immer gleich Versuchungen sein, die uns in innere Wüstentage führen. Vielleicht sind es manchmal schon lang in uns schlummernde Überlegungen, die wir im Licht des Gottesgeistes einmal anschauen sollten.
So stell ich mir vor, dass jemand von euch sich fragt: Kann ich mit meinen Begabungen und Fähigkeiten, mit meinem erlernten Beruf in der Kirche für die Mitmenschen tätig sein?
Oder aktuell: Könnte daheim statt für mich etwas für Not leidende Flüchtlinge aus der Ukraine dabei sein? Decken? Geschirr? Medikamente, haltbare Lebensmittel… Es braucht, wie ich gerade erfahren habe, helfende Hände, die beim Sortieren und Verpacken der Gaben mitarbeiten.
Oder – ich kann gut Leute zum Spenden motivieren. Die NGOs brauchen gerade jetzt finanzielle Mittel.
Oder – wenn ich schon selbst unsicher bin: Ich könnte ja mal unsere Pastorin oder unsern Pastor fragen, ob und wie und wo sie mein Mittun brauchen könnten…
Ich schlage vor: