Bereitschaftsdienst
Glaubensimpuls
Laienpredigerin
Nie wieder?
Trost, Ermutigung und Hoffnung, wie es uns im 1. Thessalonicherbrief verheißen wird, die können wir in diesem Spätherbst gut brauchen. Nicht nur, dass der Krieg in der Ukraine unvermindert anhält, so ist auch seit dem 7. Oktober im Nahen Osten nichts mehr, wie es war und wohl auch nie wieder sein wird. Dazu hat sich vergangene Woche die Nacht der Novemberpogrome vom 9. auf den 10. November 1938 zum 85. Mal gejährt.
Das ruft uns ins Gedächtnis, dass während Zweiten Weltkriegs an die sechs Millionen europäische Juden und insgesamt etwa 17 Millionen Menschen ermordet wurden. Seither hat man zu Recht immer wieder gemahnt: Wehret den Anfängen! Aber das scheint bei allzu vielen ungehört verhallt zu sein. Denn nach wie vor werden Millionen Menschen um ihres Glaubens willen verfolgt. Dazu gehören auch Christinnen und Christen. Sie werden ausgegrenzt, diskriminiert und ermordet.
Zum Beispiel haben mehr als 1.000 Christen haben bis zum Krieg im Gazastreifen gelebt, wie „Kirche in Not“ am 19. Oktober berichtete. Schon vor dem Krieg war ihr Leben viel eingeengter und bedrohter als in Israel, wo sie Religionsfreiheit genießen. Während der Bombardements haben diese Christen in zwei Kirchen in Gaza-Stadt Zuflucht gefunden. Man kann nur hoffen, dass sie dort überleben oder rechtzeitig flüchten konnten.
Am 2. November hielt der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck eine vielbeachtete Rede zur derzeitigen Situation, in der er u.a. darauf eingeht, dass jüdische Kinder Angst haben, zur Schule zu gehen, sich Erwachsene nicht mehr trauen, in ein Taxi zu steigen oder bestimmte Plätze aufzusuchen. – und das fast 80 Jahre nach dem Holocaust. Und er stellt klar: „Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren, in keiner.“
Auch unser Bischof Stefan Zürcher hat zum Antisemitismus Stellung bezogen. Er ruft zum Gebet für die Zivilbevölkerung auf und betont, dass Juden und Christen untrennbar miteinander verbunden sind. Gott hat die Erwählung des jüdischen Volkes nicht zurückgenommen. Das jüdische Volk und die christliche Kirche sind berufen, in gegenseitiger Annahme und Unterstützung gemeinsam Gottes Volk und seine Segens- und Friedensträger zu sein.
Am 3. November stand in der Presse ein Artikel von Brita Steinwendtner, einer preisgekrönten österreichischen Schriftstellerin. Der Titel ihres Artikels lautet: „Schalten wir aus? Schauen wir zu?“. Die Autorin schreibt unter anderem: „Unmöglich, über Krieg zu streiten. Betroffen, ratlos, verzweifelt verstummen. Das kann man. Oder schreien, laut und wütend schreien: Nein! Nein! Nein!! Hört auf! Fangt gar nicht an, fangt nicht schon wieder an! – Nie wieder Krieg! Klingt Ende 2023 wie Hohn…“
Und was jetzt?
Schalten wir aus? Stecken wir den Kopf in den Sand? Hoffen wir, dass wir trotz allem ewig in Frieden leben können auf unserer Insel der Seligen? Verständlich wäre das! Abgesehen davon ist für uns in Österreich eine Situation wie derzeit in der Ukraine oder im Nahen Osten zum Glück nur schwer vorstellbar. Aber bei aller Dankbarkeit dafür sollten wir gerade jetzt nicht wegschauen, sondern einfühlsam zu Verständnis aufrufen und aktiv zum Frieden beitragen, wo immer uns das möglich ist.
Wir sollten auch nicht aus den Augen verlieren, dass für Millionen von Christen Verfolgungen nach wie vor an der Tagesordnung sind, so wie schon bei den frühen Christen im Römischen Reich. Der Apostel Paulus schreibt davon z.B. im 2. Brief an die Korinther – aber er schreibt als einer, der sich davon nicht unterkriegen lässt:
„Von allen Seiten dringen Schwierigkeiten auf uns ein, und doch werden wir nicht erdrückt. Oft wissen wir nicht mehr weiter, und doch verzweifeln wir nicht. Wir werden verfolgt und sind doch nicht verlassen; wir werden zu Boden geworfen und kommen doch nicht um. Auf Schritt und Tritt erfahren wir am eigenen Leib, was es heißt, am Sterben Jesu teilzuhaben.“ (2. Korinther 4,8-10 Neue Genfer Übersetzung)
In den Versen davor begründet er, warum das so ist:
„Bei unserer Verkündigung geht es schließlich nicht um uns, sondern um Jesus Christus, den Herrn… Derselbe Gott, der gesagt hat: ‚Aus der Finsternis soll Licht hervorstrahlen!‘, der hat es auch in unseren Herzen hell werden lassen...“ (2. Korinther 4,5-6)
Auch im 1. Brief an die Thessalonicher spricht Paulus im 2. und 3. Kapitel davon, dass den Christen dort Bedrängnisse und Verfolgungen ebenfalls nicht erspart blieben. Trotzdem folgt dann im 5. Kapitel die Aufforderung, sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen, sondern wachsam zu bleiben und jederzeit bereit zu sein: „Wenn sie sagen „Überall ist Ruhe und Frieden“, dann wird das Verderben plötzlich und unerwartet über sie kommen.“
Nicht, dass derzeit überall Frieden und Ruhe herrschen würden, aber bei uns in Österreich doch in vergleichsweisem hohem Maße. Sollten wir da nicht spätestens jetzt die Mahnung von Paulus ernst nehmen? Schließlich fordert er nicht nur von den Thessalonichern eine ständige Bereitschaft – wir sind auch gemeint!
In Bereitschaft
Wachsam und bereit zu sein, das empfiehlt Jesus auch nach dem Gleichnis von den zehn Brautjungfern, die so lange auf den Bräutigam warten mussten. Eine in meinen Augen auf den ersten Blick nicht unproblematische Geschichte, denn warum haben die fünf vorausschauenden Mädchen die fünf gedankenlosen zum Einkaufen geschickt und sie nicht einfach mitgehen lassen? Mit ihren hellen Lampen hätten doch sicher alle zehn genug gesehen. Was hat ein so unsoziales Verhalten mit dem Himmelreich zu tun oder damit, dass Gott sein Werk vollendet? Denn Jesus widmet sich im ganzen 25. Kapitel des Matthäusevangeliums der Endzeit und dem Weltgericht – und wir sind gemeint. Er mahnt uns, seine Jüngerinnen und Jünger, darauf vorbereitet zu sein.
Da kann es sich bei dem Öl für die Lampen auch nur um ein Bild, ein Gleichnis für etwas handeln, das wir vor allem während des Wartens, während der Zeit der Bereitschaft unbedingt brauchen – inklusive einem Reserve-Vorrat davon, natürlich.
Was könnte das sein? Was bleibt denn bis zuletzt, was reicht wohl bis zur Wiederkunft Jesu?
Öl aus Glaube, Hoffnung und Liebe
Am besten schlagen wir wieder bei Paulus nach. Im 1. Brief an die Korinther, im 13. Kapitel, im 13. Vers steht es sehr eindeutig: „Was für immer bleibt, sind Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei. Aber am größten von ihnen ist die Liebe.“ (Neue Genfer Übersetzung)
Glaube, Hoffnung, Liebe also! Diese drei scheinen untrennbar miteinander verbunden zu sein. Das sind sie auch im sogenannten „Ankerkreuz“, bei dem das Kreuz für den Glauben steht, der Anker für die Hoffnung und das Herz – wie könnte es anders sein – für die Liebe.
Diese drei kann man aber nicht kaufen wie Öl. Man kann sie auch nicht herstellen wie ein Ankerkreuz, und von selbst entstehen sie schon gar nicht. Sie können nur ein Geschenk von Gottes Ruach sein, seiner heiligen Geistkraft, die sie in unser Herz pflanzt. Aber für Wasser, Nahrung und Pflege sind dann wir zuständig, damit Glaube, Hoffnung und Liebe in uns wachsen und Früchte tragen können – mit Gottes Hilfe. Ist es nicht eine schöne Vorstellung, dass auf diese Weise das Öl entsteht, das uns leuchten lässt und uns in der langen Zeit des Wartens auf den Messias, auf den Retter, genug Kraft und Ausdauer gibt?
Glaube, Liebe und Hoffnung haben zudem eine besondere Schutzfunktion: In Thessalonicher 5 bezeichnet Paulus sie sogar als Waffen Gottes – aber nicht, um damit jemanden zu verletzen, sondern um uns zu schützen. So sollen uns Glaube und Liebe wie eine Schutzweste vor allem Bösen bewahren. Da werden Herz und Seele gemeint sein, und die Hoffnung auf Erlösung schützt wohl unseren Verstand wie ein Helm.
Die Liebe wird aus gutem Grund als die größte von den Dreien bezeichnet. Wenn sie nämlich in unseren Herzen wächst und blüht, dann leuchten wir von innen heraus – so wie manche der Kerzen, die in der dunklen Jahreszeit unser Zuhause so hell und warm erleuchten – und das merken die Menschen um uns herum. Dann können sie sehen: Als Christen sind wir Kinder des Lichts! Ein tröstendes und ermutigendes Licht – wie sehr sind wir doch in diesen verunsichernden Zeiten darauf angewiesen.
Wachsamkeit als Grundhaltung
Wenn Jesus am Ende des Gleichnisses bei Matthäus mahnt: „Bleibt wach und haltet euch bereit!“, dann ist damit keineswegs gemeint, dass wir nachts nicht mehr schlafen dürfen. Das würde uns höchstens die Kraft zum Leuchten rauben. Jesus spricht von unserer Grundhaltung und nicht von durchwachten Nächten. Schließlich sind ja auch die „klugen“ jungen Frauen eingeschlafen, als sie auf den Bräutigam warten mussten. Aber ihre Lampen haben trotzdem die ganze Zeit geleuchtet – sie mussten mit dem Öl nicht sparen!
Wie sieht es mit unserem Ölvorrat aus? Haben wir genug davon? Setzen wir ihn ein, um in dieser dunklen Zeit hell genug zu leuchten? Füllen wir ihn immer wieder auf, indem wir glauben, dass Jesus unser Retter ist? Indem wir lieben – Gott, seine Geschöpfe und seine Schöpfung von ganzem Herzen mit Worten und mit Taten lieben? Und indem wir fest darauf hoffen, dass wir einst mit Jesus im Himmel feiern werden?
Wann das sein wird, ist dabei unerheblich – wir wissen ja auch nicht, wann wir sterben werden, das könnte heute schon sein oder auch erst in vielen Jahren.
Aber wenn wir einst vor Jesus stehen werden, dann wird sich der Bereitschaftsdienst, dann werden sich das wachsame Warten und das liebevolle und ermutigende Leuchten ganz sicher gelohnt haben! Wie in einem wunderbaren Traum werden wir uns dann vorkommen und fassungslos sein vor Freude, ihm endlich zu begegnen. Amen.
Ein passendes Lied zu dieser Predigt findet sich hier.