Der „un­gläu­bi­ge“ Thomas und die Sehnsucht nach Glauben

Glaubensimpuls


Predigt aus dem gemeinsamen Gottesdienst von Wien Fünfhaus und ESUMC

Predigttext 

Die Predigt bezieht sich auf die Geschichte von Thomas, dem Zwilling, der erst sehen will, bevor er glauben kann.

Johannes 20,24-31

24Thomas aber, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben.

26Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! 27Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!

30Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. 31Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr, weil ihr glaubt, das Leben habt in seinem Namen.

Predigt 

Zurück zu unseren gewohnten Traditionen

Im Laufe des letzten Jahres, als die Pandemie nachließ, die Einschränkungen aufgehoben wurden und eine gewisse Normalität in die Gesellschaft zurückkehrte, haben unsere beiden Gemeinden einige wichtige Traditionen unserer Glaubensgemeinschaften wieder aufgenommen. Hier in der ESUMC haben wir zum Beispiel die Sonntagsschule für unsere Kinder und die Ferienbibelschule während der Sommerferien wieder aufgenommen. Unser Musikdienst ist endlich wieder in vollem Umfang aktiv, und unsere Chöre leiten uns im Sonntagsgottesdienst an, singen, tanzen und trommeln zum Lob Gottes. Im letzten Herbst haben wir nach drei Jahren Pause wieder unsere Gemeindewanderung und unser Grillfest in Grünbach sowie unser schönstes Ereignis des Jahres, das Erntedankfest, mit Gebeten und Liedern, Musik und Essen aus aller Welt gefeiert.

Es gibt auch Dinge, die wir als beide Gemeinden gemeinsam wieder tun: wie z. B. unser Gottesdienst am zweiten Weihnachtstag und unser kürzlich stattgefundenes Faschingsfest. Und wir haben unser gemeinsames Engagement für die Wärmestube neu belebt. Nachdem wir zwei Winter lang unseren Gästen nur Essen zum Mitnehmen angeboten hatten, haben Mitglieder unserer beiden Kirchen in der vergangenen Saison Seite an Seite für warmes Essen, warme Gemeinschaft und christliche Gastfreundschaft für andere Bedürftige gesorgt.

Wir sind für all die Möglichkeiten dankbar, wie wir uns wieder im christlichen Dienst engagieren konnten. Und auch heute ist ein besonderes Ereignis, das gemeinsam gefeiert wurde und nun als letztes wieder aufgenommen wird: unser jährlicher gemeinsamer Gottesdienst. Ich will nicht sagen, dass dieser Gottesdienst mehr oder weniger wichtig ist als ein Erntedankfest oder irgendeine andere gottesdienstliche oder gemeinschaftliche Veranstaltung. Alle diese Gottesdienste und Versammlungen sind wichtig und haben ihren Sinn. Aber das, was wir heute hier tun, ist etwas ganz Besonderes: Zwei Gemeinden, jede mit ihrer eigenen Sprache und Tradition und ihrem eigenen Gottesdienststil, legen diese Unterschiede beiseite, kommen zusammen und umarmen das, was uns gemeinsam ist.

Wir sind der Leib Christi!

Unsere Gemeinsamkeiten sind bedeutsam. Der Kern unserer gemeinsamen Identität ist unser Glaube an den auferstandenen Christus. Als Jünger Jesu sind wir gemeinsam der eine Leib Christi. Alle, die wir heute hier anwesend sind – ungeachtet der Sprache, die wir sprechen, unserer Herkunft, der Farbe unserer Haut oder irgendeines anderen Unterschieds, der uns trennen könnte – alle folgen wir Jesus nach, erkennen wir die Auferstehung an, die letzten Sonntag neu verkündet wurde, und nehmen das Opfer Jesu für uns an. Dies ist das wichtigste Band, das uns zusammenhält. Wir sind gemeinsam Glieder des einen Leibes Christi.

„Wir feiern die Liebe Gottes. Dadurch machen wir Mut.“

Und mehr noch, wir sind gemeinsam Mitglieder der Evangelisch-methodistischen Kirche, einer weltweiten Glaubensgemeinschaft, die wir hier in Österreich vertreten und verkörpern. Als Methodist*innen haben wir eine gemeinsame Vision davon, wie wir auf das Geschenk der Auferstehung, das Gott uns anbietet, reagieren sollen. In wenigen Wochen werden Vertreter*innen unserer beiden Gemeinden mit anderen Methodist*innen aus ganz Österreich zu unserer Jährlichen Konferenz zusammenkommen, auf der wir unsere gemeinsame christliche Mission vor Augen haben und uns darauf vorbereiten, sie zu erfüllen. Vielleicht habt ihr es schon gehört: Das Thema der diesjährigen Jahreskonferenz lautet: „Wir feiern die Liebe Gottes. Dadurch machen wir Mut.“ Gott liebt uns so sehr, dass er Jesus, seinen Sohn, für uns sterben ließ; wenn wir unseren Glauben an Jesus bekennen, werden wir gerettet. Zum Dank an Gott sollen wir dieses große Geschenk der Liebe feiern, uns gegenseitig daran erinnern, wie sehr Gott uns liebt, und diese Liebe mit anderen in unserem Leben teilen.

Das ist unser gemeinsamer Auftrag als die beiden Gemeinden, die hier in der Sechshauser Straße jeden Sonntag Gottesdienst feiern. Auch hier versammeln wir uns zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Sprachen, nach unterschiedlichen Stilen. Aber wir bieten jedem, der durch die Türen unseres gemeinsamen Raumes kommt, und jedem in der Gemeinschaft um uns herum die Liebe Gottes und das Evangelium von Jesus Christus an.

Der „ungläubige“ Thomas und die Sehnsucht nach Glauben

Die heutige Lesung aus dem Evangelium ist eine vertraute Lesung über den Glaubensweg eines Jüngers, den wir im Englischen oft den „zweifelnden“ Thomas nennen. Ich würde vermuten, dass viele von uns beim Hören dieser Geschichte als Erstes vorwurfsvoll auf Thomas herabschauen. Dieser Jünger war doch ein treuer Nachfolger Jesu: Er hat seine Wunder gesehen, seine weisen Worte gehört und miterlebt, wie er andere geheilt hat. Es stimmt, dass Thomas nicht bei den anderen Jüngern war, als der auferstandene Jesus ihnen erschien. Doch warum glaubt Thomas nicht? Warum mangelt es ihm an Glauben?

Und gleichzeitig können wir auch ein gewisses Mitleid mit Thomas empfinden, vielleicht haben wir sogar Sympathie mit ihm. Denn wir wissen, wie es ist, zu zweifeln, der Macht der Liebe Gottes gegenüber skeptisch zu sein, uns zu fragen, ob Jesus wirklich mit uns auf unserem Glaubensweg geht. Haben wir uns nicht auch manchmal einen Beweis gewünscht, ein Zeichen, eine Tat Gottes, die unseren schwankenden Glauben wiederherstellen würde?

Die Gnade Gottes und das Geschenk des Glaubens

Was uns beim Lesen dieser Geschichte begegnet und was Thomas erhält, ist Gnade. Wie auch immer wir über Thomas denken mögen, Jesus verurteilt oder bemitleidet seinen Jünger nicht. Vielmehr zeigt Jesus Gnade. Jesus erkennt, dass Thomas glauben will, und so gibt er ihm die Möglichkeit, zu glauben. „Leg deinen Finger hierher. Sieh dir meine Hände an. Leg deine Hand in meine Seite.“ Trotz der Zweifel von Thomas bringt Jesus seinen Jünger zum Glauben.

Vielleicht ist es nur natürlich, dass wir beim Nachdenken über diese Geschichte, beim Staunen über das Mitgefühl Jesu und bei der Freude über die Wiederherstellung des Glaubens bei Thomas die Rolle der anderen Jünger übersehen. Ja, diese anderen haben den Vorteil, dass sie Jesus lebend gesehen haben; ihr Glaube gründet sich auf das, was sie gesehen haben, und wird durch die Gabe des Heiligen Geistes gestärkt. Vielleicht haben sie es im Vergleich zu Thomas leicht.

Doch anstatt diese gute Nachricht für sich zu behalten, sich mit ihrer eigenen Rettung zu trösten und ihren Freund, der an diesem Tag nicht bei ihnen war, zu ignorieren, teilen die Jünger diese gute Nachricht mit Thomas. Wie Maria Magdalena am leeren Grab verkünden die Jünger Thomas: "Wir haben den Herrn gesehen." Selbst inmitten ihrer anhaltenden Angst, als sie hinter verschlossenen Türen verborgen bleiben, sind die Jünger entschlossen, die gute Nachricht mit anderen zu teilen.

Unsere Berufung, unseren Glauben zu teilen und andere zu ermutigen

Dieses Gleichnis offenbart uns die Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Trotz unserer Zweifel bietet Jesus sich uns an, segnet uns, damit wir glauben. Aber wir sehen auch, dass wir, wie die ersten Nachfolger Jesu, eine Rolle dabei spielen müssen, die gute Nachricht von Jesus mit anderen zu teilen. Denn wie Maria Magdalena am Grab, wie diese Jünger, haben wir den Herrn gesehen. Wir sind gesegnet worden. Uns sind unsere Sünden vergeben worden. Uns ist Liebe erwiesen worden. Weil wir an Jesus glauben, ist uns das Heil und das ewige Leben zuteil geworden. Das ist eine gute Nachricht, die wir mit anderen teilen sollen, die die Liebe und Vergebung Gottes noch nicht angenommen haben.

Und wir sollten uns bewusst sein, dass es unter uns, hier in diesem Leib Christi, andere geben kann, die wie Thomas Zweifel haben. In ein paar Minuten, wenn wir uns zum Abendmahl versammeln und einen Kreis um den Altar bilden, werden wir vielleicht neben oder gegenüber einem Mitchristen stehen, der zweifelt, sich fragt und nach der Gewissheit von Gottes Liebe und Vergebung sucht. Wie können wir diese Person in ihrem Glauben ermutigen? Wie kann unsere Feier der Liebe Gottes dem anderen helfen, im Glauben und in der Liebe zu wachsen? Wie können wir gemeinsam einen Unterschied im Leben anderer und in der Welt um uns herum bewirken? Das ist unsere Berufung als Christen: zu lieben, Barmherzigkeit zu zeigen, einander im Glauben zu ermutigen und zu stärken.

Dietrich Bonhoeffer: Christliche Gemeinschaft ist ein Geschenk der Gnade Gottes

Dietrich Bonhoeffer, der deutsche evangelische Pastor, der 1945 wegen seines Widerstands gegen das Naziregime hingerichtet wurde, verbrachte in den späten 1930er Jahren mehrere Jahre mit der Ausbildung von Studenten und Pastoren für den geistlichen Dienst. Trotz der Risiken schöpfte Bonhoeffer großen Mut aus der Gemeinschaft mit diesen Christen. In seiner kurzen Reflexion über diese Erfahrung mit dem Titel „Gemeinsames Leben“ schreibt Bonhoeffer: „Wie unerschöpflich sind die Reichtümer, die sich denen eröffnen, die ... in der täglichen Lebensgemeinschaft mit anderen Christen leben! ... Eine solche Gemeinschaft ist ein Geschenk der Gnade, ein Geschenk des Reiches Gottes....Lasst diejenigen, die das Vorrecht hatten, ein Leben mit anderen Christen zu führen, Gottes Gnade aus tiefstem Herzen preisen.“

Für mich wird diese Wahrheit noch realer, wenn unsere beiden Gemeinden zum Gottesdienst zusammenkommen. Unsere Anwesenheit, unser gemeinsames Zeugnis, unsere Feier der Liebe Gottes durch das Sakrament des Heiligen Abendmahls erinnert uns daran, dass wir durch Gottes Gnade ein starker, gesunder und lebendiger Leib Christi sind. Und wir sollen dankbar sein.

Wir haben Jesus gesehen!

Am Ostertag haben wir die Auferstehung Jesu verkündet und die Liebe Gottes gefeiert. Jetzt, in dieser Osterzeit, wollen wir uns den Jüngern anschließen und anderen – unseren Familien und Angehörigen, den Menschen außerhalb unserer Glaubensgemeinschaften – von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes erzählen. Denn wie Maria Magdalena, wie die Jünger und wie Thomas, der nicht mehr zweifelt, haben wir Jesus gesehen.

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