Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört.
Glaubensimpuls
Pastorin, Erwachsenenbildung
„Über Geld redet man nicht, Geld hat man.“ So heißt es in der Schweiz. Und manche werden denken: In der Schweiz kann man leicht so reden, da liegt das Geld auf der Straße herum. Andernorts muss man es sich hart verdienen. Aber wir wissen es: Überall gibt es reiche und arme Menschen, solche die offen über ihr Geld und ihren Besitz reden und solche, die das verschweigen, weil sie meinen, es sei ihre Privatsache.
Vom Wert und der Identität
Über das Geld zu reden fällt uns wohl deshalb schwer, weil wir dem Geld und denen, die es besitzen immer auch einen Wert geben. Wer Geld hat, der ist etwas wert. Wer kein Geld hat, den kann man wie den letzten Dreck behandeln. Wer oben auf der Liste der Gehälter steht, zu dem ist man freundlich. Er ist meist männlich und gut aussehend. Und die, die weniger oder nichts verdienen, entsprechen nicht der offiziellen Norm. Sie sind eine Frau. Sie haben eine andere Hautfarbe. Sie sprechen nicht die richtige Sprache. Sie sind krank oder alt.
Geld gibt einen Wert, so meinen wir. Aber nicht nur das. Geld hat immer auch dazu gedient, eine Identität zu geben. Wer ein bestimmtes Geld verwendet, der gehört zu einem bestimmten Volk oder zu einer bestimmten Bevölkerungsschicht. Wer den Euro hat, der kann in vielen Ländern Europas etwas kaufen, sogar da, wo der Euro nicht die offizielle Währung ist. Wer USA-Dollar hat, hat in Amerika keine Probleme und kann überall auf der Welt Urlaub machen. Und auch mit Schweizer Franken kann man sich ein gutes Konto anlegen, auch wenn dieses nicht mehr so gut durch das Bankgeheimnis geschützt wie in früheren Zeiten.
Bis heute haben sich auf den Münzen Bilder und Symbole nationaler Identität erhalten: Auf der österreichischen Ein-Euro-Münze ist Mozart abgebildet. Auf dem Schweizer Fünfliber sehen wir das Antlitz von Wilhelm Tell, dem Schweizer Nationalhelden. In Großbritannien wird es noch eine Weile dauern, bis alle Münzen aus dem Verkehr gezogen sind, auf denen noch das Antlitz der Queen geprägt ist. Und vermutlich wird sich das Portrait von King Charles noch nicht durchgesetzt haben, bis King William König sein wird.
Eine Frage, damit Jesus Farbe bekennen muss
Geld gibt Wert und Geld stiftet Identität. Das Geld, das wir verwenden, sagt, ob und wo wir dazu gehören. So ist es auch mit den handelnden Personen im heutigen Evangelium. Die Gegner von Jesus, die Pharisäer und Anhänger des Herodes, wollen herausfinden, wer dieser Jesus ist. So fragen sie ihn danach, wie er sein Geld verwendet. Zahlt er die Steuern und wem bezahlt er sie?
Wenn sie das fragen, dann muss Jesus Farbe bekennen und sagen, wer er ist. Soll man dem Kaiser die Steuern bezahlen? Sagt Jesus Ja, dann ist er ein Anhänger des Kaisers und damit ein Verräter des jüdischen Volkes. Sagt er Ja, dann stellt er damit den Kaiser über Gott. Dieser wurde damals von den Menschen im Römischen Reich wie ein Gott verehrt. Sagt er Ja, dann zeigt Jesus damit, dass ihm der Kaiser wichtiger ist als Gott.
Sagt Jesus aber Nein, so lehnt er den Kaiser ab und seinen Anspruch an die Macht. Sagt er Nein, so gibt er sich als Freund des jüdischen Volkes zu erkennen. Dann bekennt er sich einzig und allein zu dem Gott Israels. Damit spricht er sich aber das Todesurteil. Denn öffentlich zu sagen, dass man keine Steuern zahlen soll, das hieß damals zu einem Steuerboykott aufzurufen. Und mit solchen Menschen machten die Römer kurzen Prozess.
Weder Ja noch Nein
Die Falle ist also gestellt. Ein Ja bedeutet Schonung des Lebens, aber Verleugnung Gottes. Ein Nein bedeutet Gefährdung des Lebens, aber Gehorsam gegenüber Gottes Geboten. Jesus weigert sich aber, mit einem einfachen Ja oder Nein zu antworten. Er lässt sich eine Steuermünze zeigen. Er dreht den Spieß um. Er will von seinen Gegnern wissen, ob und wem sie die Steuern zahlen. Und siehe da, sie haben die Steuermünzen in ihren Taschen. Sie sind selbst solche, die dem Kaiser Steuern bezahlen. Es ist ein Widerspruch in sich selbst. Mit den Steuermünzen in den Taschen zeigen die Pharisäer, dass sie zwar fromm sein wollen, aber doch nicht Gott allein die Ehre geben. Und Jesus sagt ihnen, was sie selbst tun: Sie geben dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und sie geben Gott, was Gott gehört. Die Steuermünze für den Kaiser und das Gebet für Gott.
Das eine für den Kaiser und das andere für Gott
Dem einen das eine geben und dem anderen das andere. So hat man lange Zeit dieses Wort von Jesus verstanden. Damit ließ sich gute Politik machen. Gebt dem Kaiser eure Söhne, damit er sie in den Krieg führt. Und gebt Gott eure Gebete, damit er den Sieg gibt. Gebt dem Kaiser eure Töchter, damit sie Kinder gebären. Und gebt Gott die Ehre, damit er diese Töchter fruchtbar sein lässt. So hat man auch dann noch gehandelt als es gar keinen Kaiser mehr gab. Doch der Krieg kam und die Söhne sind gefallen und die Töchter wurden geschändet.
Erst spät haben die Menschen entdeckt, dass sich dieses Wort gegen sie selbst kehrt, wenn man dem einen das eine und dem anderen das andere gibt. Wenn man dem Kaiser gibt, was in seinen Machtbereich gehört und Gott gibt, was man für ihn darüber hinaus noch übrig hat. Bis heute sind wir versucht, unser Leben in einzelne Segmente aufzuteilen und fein säuberlich zu trennen, was eigentlich zusammengehört. Gerne wird Religion zur Privatsache erklärt. Bis heute sind wir versucht, Gott von gewissen Dingen unseres Lebens auszuschließen. Wir beruhigen unser Gewissen damit, dass wir unsere Sozialabgaben leisten und unsere Spenden tätigen. Aber wir achten auch darauf, dass wir selbst dabei am besten abschneiden.
Die Münze für den Kaiser, aber die Menschen für Gott
„Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und gebt Gott, was Gott gehört.“ Die Antwort Jesu lässt sich auch anders verstehen. Er lässt sich von den Gegnern zeigen, welches Bild auf der Steuermünze zu sehen ist und lässt es sich beschreiben. Darauf war Tiberius zu sehen, der damalige Kaiser. Auf der einen Seite der Münze stand: „Kaiser Tiberius, erhabener Sohn des göttlichen Augustus“. Und auf der anderen Seite stand: „Pontifex Maximus“.
Es ist eindeutig für damalige Augen und Ohren: Dieser Kaiser wird wie ein Gott dargestellt und bezeichnet. Und das griechische Wort, das Jesus an dieser Stelle für „geben“ verwendet, hat auch die Bedeutung „zurückgeben“. Also: Gebt dem Kaiser zurück, was ihm gehört. Gebt diesem metallenen Kaiserkopf, den ihr auf den Münzen seht, die geprägten aber toten Bilder, die auf den Geldstücken abgebildet sind, wieder zurück. Aber ihr – und auf dieses Aber kommt es an –, aber ihr sollt Gott, dem lebendigen Gott, das geben, was ihr seid, nämlich ein Ebenbild, ein Abbild dieses lebendigen Gottes.
Ihr seid keine toten Münzen, sondern lebendige Menschen!
Auf das kommt es Jesus an: Ihr seid keine toten Münzen, ihr seid keine tausendfachen Kopien, geprägt und punziert wie eine Münze, in Serie produziert und durch den langen Gebrauch abgegriffen und verbraucht. Nein, ihr seid lebendige Abbilder des lebendigen Gottes. Er gibt euch die Würde und er gibt euch den Wert. Lasst euch nicht einreden, dass euer Wert einzig und allein davon abhängt, wieviel ihr verdient und davon, wieviel ihr euren Besitz nennen könnt. Nein, der Wert, den ihr habt, den empfangt ihr von Gott. Weil ihr sein Ebenbild seid. Weil er euch nach seinem Bild und nach seinem Willen geschaffen hat. Und Jesus sagt noch mehr damit: Als dieses Ebenbild gehört ihr Gott ganz. Er macht keine halben Sachen. Er hat euch als ganze Person — mit all euren Seiten — geprägt. Und als diese ganze Person gehört ihr auch ganz dem lebendigen Gott.
Darin steckt eine enorme Herausforderung: Wenn ich Gott ganz gehöre, wenn kein anderer auf mich als seinen Besitz Anspruch erheben kann, wenn Gott mir meinen Wert und meine Würde gibt, lebe ich dann auch dem entsprechend? Lebe ich so, dass man mir diese Prägung von Gott her ansieht? Wird es nach außen hin spürbar, dass ich nach Gottes Ebenbild geschaffen und von ihm geprägt bin? Bin ich wirklich bereit, mich ganz in Gottes Dienst zu stellen, mich ganz in seine Hand zu geben?
Oder gibt es da noch Dinge, wo mir lieber wäre, dass niemand bemerkt, dass ich sie lieber für mich behalte und dass ich sie lieber vor Gott verbergen würde? Bin ich bereit, mich Gott ganz hinzugeben oder teile ich mein Leben so auf, dass ich Gott ein bisschen gebe, z.B. mit der Kollekte, und dem Staat ein bisschen, z.B. mit den Steuern, und das große Geld möglichst für mich behalte?
Gott ganz gehören, gerade wenn es schwierig wird
In der Liturgie zur Erneuerung des Bundes mit Gott heißt es im zentralen Hingabegebet: Ich gehöre nicht mehr mir, sondern dir. Das beten wir als Methodisten einmal im Jahr, zu Beginn des Jahres, wenn wir den Bundeserneuerungsgottesdienst feiern. Wir machen uns dadurch bewusst, zu wem wir gehören, in wessen Dienst wir uns auch in einem neuen Jahr stellen wollen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dieses Gebet manchmal an die Grenze dessen geht, was einem Menschen zumutbar ist: „Stelle mich wohin du willst, geselle mich zu wem du willst. … Lass mich erfüllt sein, lass mich leer sein. Lass mich alles haben, lass mich nichts haben.“
In Situationen aber, wo es hart auf hart kommt, wo neben Gott plötzlich auch andere Menschen und Mächte treten, die ihre Ansprüche auf mich erheben, da hat dieses Gebet auch etwas Tröstliches und Ermutigendes. Wenn es plötzlich Menschen gibt, die über mich bestimmen und verfügen wollen, dann kann ich zu mir sagen: Ich gehöre nicht euch, ich gehöre Gott. Ihr habt keine Gewalt über mich. Ich bin von Gott geprägt, ich bin sein Ebenbild und niemand anderes kann mir mehr seinen Stempel aufdrücken. Das macht mich frei — auch in Situationen, wo ich sonst wie gefangen bin.
„Über Geld redet man nicht, Geld hat man.“ Jesus verhält sich anders. Er redet über das Geld. Aber nicht nur allein übers Geld. Jesus redet auch über Gott und über das, was unserem Leben einen Wert gibt: nämlich zu diesem Gott zu gehören, seinem Ruf zu folgen und in seinem Dienst zu stehen. Das ist weit mehr als das, was uns Geld geben kann. Denn das gibt uns eine Identität und eine Prägung. Wir tragen Gottes Bild in uns und an uns. Wir sind geprägt von seiner Liebe. Und ich hoffe, dass das im Leben jedes einzelnen von uns so zum Ausdruck kommen darf: Ich bin ein Bild von Gottes Liebe. Amen.