Flucht & Emi­gra­ti­on

Glaubensimpuls

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Alexander Mühlberger

Predigthelfer, EmK Salzburg


Eine Predigt zu Matthäus 2,13-15: die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten und die Salzburger Emigranten

Die Flucht nach Ägypten:

Die Sterndeuter waren gegangen.

Da erschien Josef ein Engel des Herrn im Traum.

Er sagte: »Steh auf! Nimm das Kind und seine Mutter

und flieh nach Ägypten!

Bleibe dort, bis ich es dir sage!

Denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.«

Daraufhin stand Josef mitten in der Nacht auf.

Er nahm das Kind und seine Mutter

und zog mit ihnen nach Ägypten.

Dort blieb er bis zum Tod von Herodes.

Dadurch ging in Erfüllung,

was Gott durch den Propheten gesagt hat:

»Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.«

Matthäus 2,13-15
BasisBibel

Die Heilige Familie auf der Flucht

Mitten im Sommer predige ich über einen kurzen Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium, der nicht gerade zur aktuellen Jahreszeit passt, sondern eher in die Zeit nach Weihnachten. Das macht aber gar nichts, es geht nämlich gar nicht um die Weihnachtsgeschichte, sondern es geht darum, dass Josef ein Engel im Traum erschienen ist, der ihm gesagt hat, dass er mit seiner Verlobten Maria und dem kleinen Jesus nach Ägypten flüchten soll. Ausgerechnet nach Ägypten, dem Land aus dem die Israeliten aus der Sklaverei geflüchtet sind. Und jetzt soll er seine Familie genau dorthin bringen?

Doch Josef zeigt enormes Gottvertrauen und schon nachdem er aus seinem Traum aufwacht, packt er mitten in der Nacht die beiden zusammen und macht sich auf den Weg, so wie der Engel des Herrn ihm gesagt hat.

Es ging hier, ähnlich wie bei den Israeliten unter Moses, um Leben und Tod. Das Leben des kleinen Jesus war in Gefahr. König Herodes wollte ihn töten, weil er sich in seiner Herrschaft bedroht sah. Und so wuchs Jesus seine ersten Lebensjahre in Ägypten auf – in einem fremden Land. 

Menschen auf der Flucht

Schon immer mussten Menschen an vielen Orten unserer Erde ihre Heimat verlassen und in ein fremdes Land gehen, in dem sie sich ein besseres und sichereres Leben erhofften. Aktuelle Zahlen belegen, dass derzeit ca. 120 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind.

Ganz nahe kommt es uns, wenn wir uns vor Augen führen, dass selbst hier in Österreich – genauer gesagt, sogar in Salzburg – auch viele Menschen von Flucht betroffen waren. Ein ganz bestimmtes Ereignis spielte sich vor ca. 300 Jahren ab – und zwar die Vertreibung der "Salzburger Protestanten". Diese lebten zum Großteil im Pongau und im Pinzgau und waren Bauern und Bergarbeiter.

Die Vertreibung der Salzburger Protestanten im 18. Jahrhundert

Doch wie kam es dazu und wer war dafür verantwortlich? Fürsterzbischof Leopold Anton von Firmian beschloss am 31. Oktober 1731 alle Protestanten aus seinem Erzbistum zu vertreiben. Das widersprach eindeutig dem Westfälischen Frieden, welcher festlegte, dass die drei damals bestehenden Konfessionen, römisch-katholisch, lutherisch und reformiert, vor dem Gesetz gleich waren. 

Der Fürsterzbischof schickte zuerst jesuitische Missionare durch das ganze Land. Diese sollten herausfinden, wer aller evangelischen Glaubens war, um dann mit der Unterstützung von rund 6.000 kaiserlichen Soldaten insgesamt rund 20.000 Protestanten aus seinem Land zu verweisen.

Davor wurden sie gefoltert und in Kerker eingesperrt. In völlig ungerechten Gerichtsverfahren wurde noch einmal versucht, sie vom katholischen Glauben zu überzeugen und alle, die ihrem evangelischen Glauben treu blieben, mussten sofort alles zurücklassen und das Land verlassen. Sogar ihre Kinder mussten sie zurücklassen bzw. durften sie nicht auf die Flucht mitnehmen.

Schnell wurden die Misshandlungen der Salzburger Protestanten in ganz Europa bekannt, aber niemand schaffte es, den Erzbischof unter Druck zu setzen. Er bestätigte stets gegenüber dem Kaiser oder anderen europäischen Machthabern, dass es sich bei den Vertriebenen um Aufrührer, Deserteure und Rebellen handelte. Er „schütze doch nur Bürger und Staat“ schrieb er.

Wohin sollen denn nun all diese Menschen flüchten? Wer soll sie denn alle aufnehmen? Wie schon erwähnt, wusste man in Europa bereits von der Ungerechtigkeit gegenüber den Protestanten in Salzburg und deren Schicksal. Die meisten durften nach Preußen auswandern, weil der preußische Kaiser Friedrich Wilhelm I. ein offizielles Einladungspatent für die Salzburger erlassen hatte. Sie durften einreisen, galten sofort als preußische Bürger und sollten bis nach Ostpreußen ziehen und sich dort ansiedeln.

Auf der Flucht mithilfe von Großbritannien nach Amerika

Für einen kleinen Teil von ihnen hatte man in London jedoch einen anderen Plan: Dort beschloss eine Missionsgesellschaft einen großzügigen Finanzplan und verhandelte mit der Lutherstadt Augsburg, ob sich nicht eine Gruppe der vertriebenen Salzburger entschließen könne, als Siedler in die britische Kolonie nach Georgia in Amerika auszuwandern.

Das Vorhaben wurde in die Tat umgesetzt. Eine Gruppe von etwa 300 Salzburger Protestanten siedelte sich unter der geistlichen Führung des lutherischen Pfarrers Johann Martin Boltzius am Ufer des Savannah River an. Boltzius musste über alles genau Tagebuch führen und seine Berichte regelmäßig nach London schicken. 

Die Verbindung dieser Flüchtlinge zu John Wesley

Und genau da ergibt sich eine Verbindung zu John Wesley, dem Begründer unserer Kirche. Wesley hat im Jahr 1735 einige Salzburger Protestanten in London getroffen und ihnen geholfen, ihre Abreise nach Georgia zu planen. Wesley wollte zuerst nicht nach Amerika reisen, doch später war er davon gefesselt, zu den "Indianern" zu gehen, und so reiste er dann doch im Oktober 1735 nach Georgia, und die Wesley-Biographie von John Pollock (2017) erwähnt sogar, dass er auch die protestantischen Flüchtlinge aus Salzburg in ihrer Siedlung besuchte.

Die Aufzeichnungen von Johann Boltzius erwähnten davon aber nichts. Man weiß jedoch, dass neben dem evangelisch-lutherischen Glauben auch der Methodismus für die Salzburger in Georgia an Bedeutung gewann. Jede Erwähnung in den Tagebüchern von Boltzius wurde aber durch den Herausgeber gestrichen. Man wollte die Gemeinde frei von Anfechtungen und treu in ihrem evangelisch-lutherischen Glauben zeigen.

Glaube & Gottvertrauen unter den Flüchtlingen 

Das war jetzt sehr viel Geschichte und ganz wenig über den heutigen Lesungstext. Parallelen zwischen den heutigen Lesungen und den vertriebenen Salzburgern sehe ich aber schon. Und zwar in der Glaubensstärke und im Gottvertrauen. Josef vertraut dem in seinem Traum erschienenen Engel und handelt sofort und flüchtet mit seiner Familie.

Die Israeliten setzten all ihr Vertrauen auf Moses, weil er Gott aus ganzer Seele vertraute, dass der Herr sie aus der Sklaverei in das versprochene Land leiten würde.

Die Salzburger Protestanten wurden auf die Probe gestellt und über ihren Glauben befragt. So gut wie alle haben auf ihrem evangelischen Glauben beharrt und mussten deshalb Leid und Flucht erfahren. Die Flucht nach Ostpreußen oder gar in die unbekannte Neue Welt in Amerika. 

Fluchterfahrungen auch heute

Wir sehen: Geschichten über Flucht und Vertreibung gibt es viele – und das nicht nur in für uns fernen Ländern der Welt, sondern auch hier in unserer Mitte. Viele unserer Glaubensgeschwister in unseren Gemeinden mussten ähnliche Dinge erfahren, sind hierher nach Österreich geflüchtet und haben hier eine neue Heimat gefunden.

Josef konnte nach einigen Jahren Ägypten wieder verlassen, aber er kehrte mit seiner Familie nicht mehr nach Bethlehem in Judäa zurück, weil es dort für seine Familie nicht sicher war. Er zog mit seiner Familie nach Nazareth in Galiläa – ihre neue Heimat, in der Jesus weiter aufwuchs.

Eines haben alle gemeinsam: Gott war stets mit Ihnen. 

Wir hörten, dass Gott die Israeliten nicht durch das Land der Philister führte, was der kürzeste Weg gewesen wäre.

Gott ließ die Sterndeuter über einen anderen Weg in ihre Heimat zurückkehren, damit sie nicht König Herodes berichten mussten, wo sie Jesus gefunden hatten.

Auch die Salzburger Exulanten wurden oftmals hin und her geschickt, bis sie wussten, wohin sie genau gehen konnten. Aber fast überall wo sie hinkamen, empfing man sie mit Gastfreundschaft und sehr viel Hilfsbereitschaft.

Was hat das Ganze nun mit uns hier Österreich zu tun? 
Oder noch konkreter, mit den EmK Gemeinden in Salzburg und Linz?
Die methodistischen Gemeinden in Linz und Salzburg haben eine enge Verbindung. Mit Hilfe der Linzer Gemeinde wurde die Gemeinde in Salzburg aufgebaut. Oft wurde die Gemeinde in Salzburg von einem Pastor aus Linz mitbetreut und im Gegenzug kamen und kommen auch immer wieder Mitglieder aus Salzburg, um die Geschwister in Linz zu unterstützen. Und in dieser gegenseitigen Unterstützung freue auch ich mich, als Mitglied der EmK Salzburg einen Predigtdienst in der EmK Linz übernehmen zu dürfen. Deshalb predige ich auch in Linz zu diesem Thema. Weil unsere Gemeinden eine enge Verbindung haben.

Vielfalt führt zu Toleranz, Respekt und Liebe

Einen positiven Aspekt möchte ich auch noch hervorheben: Nur deshalb, weil Menschen aus ihrer Heimat fliehen mussten, wurden unsere Gemeinden so vielfältig wie sie heute sind. 
Wir dürfen uns darüber freuen, voneinander zu lernen. 
Wir lernen die Kultur der anderen kennen und lernen darüber hinaus in der Verbundenheit mit Christus auch Toleranz, Respekt und Liebe. 

Feiern wir gemeinsam die Liebe Gottes. Amen.

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