Hütet euch vor jeder Art von Habgier
Glaubensimpuls
Pastorin, Erwachsenenbildung
Wofür sagen wir Danke?
In all unseren Pfarrgemeinden werden gerade die Erntedankfeste gefeiert. Entweder war es am vergangenen Sonntag oder es wird morgen der Fall sein. So steht auch hier eine schöne Erntekrone. Sie erinnert uns an das, was im vergangenen Sommer alles gewachsen ist und was uns nun in den kommenden Monaten nähren wird. Mit dem Dank für die Ernte ist die schöne Tradition verbunden, Gott für all das Gute zu danken, das er in unserem Leben tut, nicht nur das, was wir ernten können.
Wir schauen alle zurück auf einen Sommer, der viele heiße Tage mit sich gebracht hat und mit einer abrupten Abkühlung, viel Regen und vielerorts in unserem Land mit Überschwemmungen geendet hat. Es war bei uns noch nie so lange so heiß. Und es kam schon lange nicht mehr so viel Wasser auf einmal.
Dass die Schöpfung seufzt, wie wir es in der Lesung aus dem Römerbrief gehört haben, das können wir gut nachvollziehen nach diesem Sommer. Und dass auch wir seufzen ob der Hitze und des Regens und dass wir zunehmend mehr Hoffnung brauchen, wie es der Apostel Paulus beschreibt, das wird uns mehr und mehr bewusst. Wir machen uns Sorgen, wie es mit uns Menschen auf dieser Erde weitergehen kann.
Was ist Habgier?
Die Gleichnisgeschichte aus dem heutigen Evangelium nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Habgier. Was für ein altes Wort, denke ich mir. Im Unser-Aller-Nachschlagewerk-Wikipedia wird sie beschrieben als „das übersteigerte Streben nach materiellem Besitz, unabhängig von dessen Nutzen, und eng verwandt mit dem Geiz, der übertriebenen Sparsamkeit und dem Unwillen zu teilen.“ Und dann heißt es noch: „Habgier ist dem Egoismus, der Eifersucht und dem Neid verwandt.“ Es ist auch von der zweiten der sieben Hauptsünden die Rede.
Es werden noch ein paar Figuren aus der Literatur angeführt: Z.B. der Fischer und seine Frau, die den Hals nicht voll genug kriegen kann. Oder Friedrich Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“, wo die reich gewordene Claire Zachanassian in das Dorf ihrer Herkunft zurückkehrt und demjenigen eine Milliarde verspricht, der den Mann umbringt, der sie geschwängert hat. So nutzt sie die Habgier der Menschen, um Rache zu üben. Oder einfach Dagobert Duck, der am liebsten in einem Meer von Goldstücken schwimmt.
So eitel wie Onkel Dagobert scheint mir der reiche Mann im Gleichnis anfangs nicht zu sein. Was er mit dem Überfluss der guten Ernte tut, das halte ich sogar für klug. Die Ernte ist so groß, dass sie in seinen Scheunen keinen Platz findet. Da ist es wohl das Natürlichste auf der Welt, mehr Platz dafür zu schaffen, damit nichts verdirbt oder verkommt. Es wäre doch schade, wenn ein Teil dieser guten Ernte verloren ginge. Im Bauen von größeren Scheunen sehe ich keine Habgier.
Wo ist der Kipppunkt?
So habe mich beim Lesen des Gleichnisses gefragt, ab welchem Zeitpunkt die Geschichte kippt. Mit welchem Geschehen, mit welchen Worten, mit welchen Gedanken verwandelt sich die Klugheit in Habgier? Lässt sich das so genau festmachen? Oder sind die Verhärtung des Herzens und die Gier nach Mehr ein schleichender Vorgang, den wir selbst gar nicht bemerken?
Es ist ein einzelner Bibelvers zwischen dem Bau der Scheune und dem Moment, wo Gott ihm mitteilt, dass er von seinem Reichtum nichts mehr haben wird. Der Mann spricht zu sich selbst und sagt: „Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich!“ (V19)
Was ist daran so verwerflich zu genießen, was man sich erarbeitet hat? Es tut doch gut, sich nach getaner Arbeit auszuruhen und sich des Lebens zu freuen! Warum tut sich die christliche Religion an dieser Stelle wieder als die große Spaßverderberin hervor? Das kann es doch nicht sein! Es heißt doch schon im Buch des Predigers / Kohelet, also ebenfalls in der Bibel: „Da pries ich die Freude; denn es gibt für den Menschen kein Glück unter der Sonne, es sei denn, er isst und trinkt und freut sich. Das soll ihn begleiten bei seiner Arbeit während der Lebenstage, die Gott ihm unter der Sonne geschenkt hat.“ (8,15)
Gemeinschaft gestalten
Wenn ich etwas über die Bibel und das biblische Denken gelernt habe, dann ist es die Ausrichtung auf die Gemeinschaft. Die Bibel enthält viele Gedanken, Weisungen, Gebote und Geschichten für die Gestaltung eines guten Miteinanders unter den Menschen. Sie will uns Menschen dazu anleiten, dass wir gut miteinander auskommen, in Frieden leben und dass es so geschieht, dass niemand übervorteilt oder in den Schatten gestellt wird. Auch die Schwachen und Kleinen sollen teilhaben können, Gerechtigkeit erfahren und nicht unter die Räder kommen.
Das gut gestaltete Miteinander, das scheint mir der Punkt zu sein, den der reiche Mann aus dem Blick verloren hat. Er sieht nur noch sich selbst und er spricht auch nur noch mit sich selbst. Alle seine Mitmenschen und Mitgeschöpfe hat er aus den Augen und aus dem Herzen verloren. Das bringt die Erzählung in doppelter Weise zum Ausdruck. Zunächst sagt der Mann: „Dann werde ich zu meiner Seele sagen.“ Er nimmt sich also vor, zu sich selbst zu sprechen. Und dann führt er es aus und sagt: „Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht.“
Im eigenen Ich gefangen
Es wird zwar nicht direkt ausgesprochen, aber es wird indirekt deutlich: Der große Vorrat, der ist nur für ihn selbst. Was er alles geerntet hat, das behält er alles für sich. Das Essen, das Trinken, ja selbst die Freude: All das teilt er nicht mit anderen Menschen. Es bleibt alles beim ihm selbst. Er hat niemand anderen als sich selbst im Blick.
An diesem Punkt wendet sich die Geschichte und Gott fängt an zu sprechen und stellt die entscheidende Frage: „Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?“ Mit anderen Worten gesagt: Dein letztes Hemd hat keine Taschen. All deinen Besitz, all das, wofür du Scheunen gebaut hast, all das, was du angehäuft hast, das kannst du nicht mitnehmen in die andere Welt hinter dem Vorhang des Todes. Es bleibt hier zurück. Es ist für dich verloren.
Der fatale Fehler des reichen Mannes besteht wohl darin, dass er hinsichtlich dessen, was ihm geschenkt wurde, nicht mehr sieht, was mein und dein ist. Denn der Reichtum, der ihm durch die gute Ernte zugewachsen ist, der gehört nicht ihm selbst. Er gehört Gott. Gott ist es, der hat wachsen lassen, was er auf den Feldern ernten konnte. Er hat sich diesen Reichtum nicht selbst erarbeitet, sondern das wurde ihm geschenkt. Der reiche Mann ist nur der Verwalter all dieser Güter, aber nicht der Besitzer.
Verwalten, nicht besitzen
Das ist die biblische Perspektive: Wir sind die, die verwalten, nicht die, die besitzen. Das betrifft nicht nur die Ernte, die die Bauern für uns alle in den vergangenen Wochen eingefahren haben. Das gilt auch für die Erde, auf der wir leben. Wir sind nur die Verwalter, nicht die Besitzer. Wir verwalten diese Erde nicht für uns selbst, sondern für die Kinder und Kindeskinder und für alle Generationen, die nach uns kommen.
So gerne davon gesprochen wird, dass sich Leistung wieder lohnen muss, so groß der Stolz auf das ist, was sich Menschen erarbeitet haben, das kann alles schnell wieder dahin sein. Eine Regenperiode mit Überschwemmungen, eine Dürrezeit, eine Krankheitsdiagnose, eine Zeit, wo wir auf Pflege angewiesen sind, sie machen uns bewusst: Wir sind eingewoben in das Miteinander von Menschen. Ohne die Hilfe anderer sind wir verloren. Wir sind angewiesen auf gegenseitige Unterstützung. Es zählt nicht das Ich, meine Seele, sondern das Miteinander in Frieden und Gerechtigkeit.
Gut aufeinander schauen
In unserer arbeitsteiligen Gesellschaft, wo nicht wenige vom direkten Wachsen der Ernte abgeschnitten sind, da geht uns dieser Blick auf das Miteinander leicht verloren. Wir sehen nur uns selbst und das, was wir geleistet haben. Wir merken gar nicht, wie uns die Habgier im Griff hat. Wir meinen ein Recht zu haben auf die Dinge, die uns eigentlich geschenkt sind.
Darum ist es gut, wenn wir uns zu Erntedank bewusst machen, was Gott uns alles schenkt. Und dass nichts einfach selbstverständlich ist. Es geht nicht darum, Reichtum anzuhäufen und Schätze zu sammeln, die wir nicht mitnehmen können. Es geht darum miteinander zu teilen und auch diejenigen teilhaben zu lassen, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind. Indem wir auf andere Menschen achten und miteinander teilen, so sammeln wir Schätze bei Gott und werden reich bei ihm. Amen.
Was wir haben, lass uns teilen,
nichts gehört uns ganz allein.
Hilf uns Not und Hunger heilen
und für andre dazusein.