Junger Wein gehört in neue Schläuche

Glaubensimpuls

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Stefan Schröckenfuchs

Pastor, Superintendent


Auslegung zu Markus 2,22, Monatsspruch für den Monat Jänner 2024

Junger Wein gehört in neue Schläuche.

Markus 2,22
Die Bibel

Nichts verschütten

Wer schon einmal eine Flasche Sturm gekauft hat weiß, dass man beim Transport vorsichtig sein sollte. Transportiert man die Flaschen nicht penibel aufrecht, so läuft das süße Getränk aus. Die Flaschen sind nämlich nicht dicht verschlossen. Aus gutem Grund: Der Traubenmost gärt noch. Wären die Flaschen dicht, so würde das entweichende Gas sie rasch zum Bersten bringen. Dieses Phänomen kennt auch Jesus; wenn auch unter den Umständen seiner Zeit. Wein wurde zu Jesu Zeiten oft in Schläuchen aus Tierhaut aufbewahrt. Neue Schläuche sind elastisch und halten dem Druck stand; alte Schläuche dagegen sind schon spröde und würden rasch zerreißen. 

Ein Gleichnis

Doch warum gibt Jesus Tipps für die Lagerung von Getränken? Wie so oft geht es ihm nicht um die Sache selbst, sondern Jesus verwendet das bekannte Phänomen als Gleichnis. Der Evangelist Markus berichtet kurz zuvor von einer Auseinandersetzung zwischen den Jüngern des Johannes, den Pharisäern und den Jüngern Jesu. Während die Jünger des Johannes und die Pharisäer entsprechend den jüdischen Gebote und Traditionen Fastenzeiten einhalten, tun dies die Jünger Jesu nicht. 

Jesus steht für eine neue Form der Frömmigkeit

Markus überliefert diese Auseinandersetzung sehr bald nach Beginn des Wirkens Jesu. Er macht damit deutlich: Mit Jesus beginnt etwas Neues. Jesus steht für eine neue Art der Frömmigkeit, die sich nicht mit der Erfüllung religiöser Vorschriften und Traditionen zufrieden gibt. Jesus lehnt nicht das Fasten an sich ab. Die vielen Heilungsgeschichten, und sein inkludierender Umgang mit jenen, die gesellschaftlich als Sünderinnen und Sünder gebrandmarkt waren, machen jedoch deutlich, dass es ihm um etwas Weitreichenderes geht. Das Ziel jesuanischer Frömmigkeit ist nicht, dass ich als Einzelner gut vor Gott dastehe. Sein Ziel ist die Heilung und Versöhnung der menschlichen Gemeinschaft. Wo man Kranke heilt, Aussätzige nicht verstößt, Gelähmte aufrichtet und die Sünder wieder in die Gemeinschaft integriert, da bricht das Reich Gottes an – da wird verwirklicht und gelebt, was Gott will. 

Rückzug hat seinen Wert

Persönliche Frömmigkeit und Spiritualität sind keineswegs bedeutungslos – im Gegenteil: Auch Jesus nimmt sich Zeit fürs Gebet und für den Rückzug. Sie dürfen jedoch nicht zu Ersatzleistungen dafür werden, dass wir den Willen Gottes tun, indem wir einander lieben – mit allem, was wir sind und tun. 

Lerne am Vorbild …

Das Christentum hat in seiner langen Geschichte schon viele „neue Schläuche“ produziert: neue Ausdrucksformen diakonischer, sozialer Spiritualität. Wir tun gut daran, diese Erkenntnisse und Traditionen unserer Vorfahren nicht einfach achtlos als „alte Schläuche“ zu entsorgen. Es gibt viel zu lernen von denen, die den Weg des Glaubens vor uns gegangen sind. 

… doch gehe deinen eigenen Weg:

Nachfolge Jesu muss jedoch immer wieder neu aktualisiert, neu konkretisiert und neu zur Anwendung gebracht werden. Es geht um die Weitergabe des Feuers, nicht um die Anbetung der Asche. Darum muss sich jede Generation aufs Neue die Frage stellen: Was bedeuten Nachfolge, Hingabe und Offenheit fürs Reich Gottes heute? Wir können dabei von unseren Vorfahren lernen, wie man selbst "Wein keltert" und "Schläuche näht". Dennoch müssen wir unsere eigenen Wege gehen und Strukturen dafür finden. Da sich die Welt immer wieder verändert, müssen sich mitunter auch die Antworten an die Fragen unserer Zeit anpassen. 

Tragfähige Gefäße sind nötig

Dem Weg der Nachfolge Jesu wohnt auch ganz grundsätzlich eine gewisse Sprengkraft inne. Denn die Dynamik des Evangeliums steht oft geradezu gegensätzlich zu anderen Dynamiken: Selbstsucht, eigene Absicherung, Bequemlichkeit, nicht anecken wollen, es richtig machen wollen … All das sind Tendenzen, die dem Aufruf des Evangeliums zum Füreinander entgegenstehen. Auch darum brauchen wir tragfähige Gefäße für den Weg, zu dem wir uns gerufen wissen. Wir dürfen mutig sein, wenn es darum geht, sie zu finden. 

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