Prüfet alles, und das Gute behaltet.

Glaubensimpuls

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Stefan Schröckenfuchs

Pastor, Superintendent


Die Jahreslosung 2025 aus 1. Thessalonicher 5,21 ermutigt uns dazu, genau hinzuhören. 

Zeit des Geschenke-Tauschs 

Weihnachten ist vorbei. Was folgt ist die Zeit des Geschenke-Umtauschs. Waren die Geschäfte vor Weihnachten voller Menschen auf der Suche nach passenden Geschenken, so füllen sich nach Weihnachten die Geschäfte mit Menschen, die nicht passende Geschenke wieder loswerden wollen. Der Umgang mit Geschenken scheint ganz im Sinne der Jahreslosung 2025 zu verlaufen: „Prüfet alles, und das Gute behaltet.“ 

Gutes für das Miteinander 

Allerdings hätte der Apostel Paulus, Autor dieser Zeilen, kaum Freude an einer solchen kapitalismusfreundlichen Deutung gehabt. Denn liest man seine Worte im Zusammenhang seines Briefes an die Thessalonicher, wird deutlich, dass es Paulus um etwas anderes geht. Paulus ermutigt seine Leserinnen und Leser zu einem Leben, das dem Evangelium entspricht. „Achtet darauf, dass niemand Böses mit Bösem vergilt.“, heißt es kurz davor. „Bemüht euch vielmehr stets, einander und allen anderen nur Gutes zu tun.“ Ein klarer Hinweis dafür, dass Paulus nicht dazu ermutigt, den größtmöglichen Vorteil für sich selbst zu ergattern – im Sinne von „Prüfe alles, und behalte für dich, was dir selbst am meisten bringt.“ Paulus geht es um „Gutes“ in einem anderen Sinn. 

Hört den Propheten zu 

Unmittelbar vor dem Vers der Jahreslosung schreibt Paulus: „Missachtet die prophetische Rede nicht.“ Und schließt nahtlos daran an: „Prüft alles, und das Gute behaltet.“ Es ist also naheliegend, dass Paulus das „Prüfen“ auf die prophetische Rede bezieht. 

Zur Zeit der Bibel war es die Aufgabe der Prophetinnen und Propheten, Gottes Willen zu vermitteln. Nicht selten geschah dies in Gestalt von Ermahnungen, Warnung und Kritik an Fehlverhalten. Aber auch durch Ermutigung, Trost und Zuspruch gehören zur biblischen Prophetie. Ein Problem waren jedoch sogenannte „falsche“ Propheten: Menschen, die zwar für sich in Anspruch nehmen, Gottes Willen zu verkünden, die aber tatsächlich ihre ganz eigene Agenda verfolgen. Im Namen Gottes, oder auch ohne ihn zu nennen, verbreiten sie schamlos Lügen mit dem Ziel, sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen. Sie stiften Verwirrung, um so die Gemeinschaft zu schwächen. Sie schmeicheln den Mächtigen und Wohlhabenden und bestätigen alles, was diese gerne hören möchten. Oder sie verführen mit geschickten Worten zu einer Lebensweise, die schädlich ist. „Prüfet alles, und das Gute behaltet.“, schreibt Paulus, und fordert seine Leser*innen damit auf, stets genau hinzuhören. Nur weil jemand für sich in Anspruch nimmt, im Besitz „der Wahrheit“ zu sein oder sich als Bote Gottes aufspielt, muss das noch lange nicht heißen, dass er tatsächlich ein Prophet im Sinne Gottes ist. 

Das Kriterium, das Paulus zur Prüfung heranzieht, ist, ob die Nachricht letztlich zu etwas Gutem dient. Und meint damit – ganz im Sinne seiner vorausgehenden Worte – ob es dem gemeinsamen Wohl dient: „Bemüht euch, einander und allen anderen nur Gutes zu tun.“ Das kann – ganz im biblischen Sinne – durch Trost und Ermutigung ebenso wie durch Kritik und Ermahnung geschehen. 

Moderne Prophetie 

Heute treten nur noch selten Menschen mit dem Anspruch auf, direkt den Willen Gottes  zu verkündigen. Und doch sind wir permanent mit Stimmen konfrontiert, die uns dazu ermutigen oder drängen, das eine zu tun und das andere zu lassen. Nicht selten sind ihre Ratschläge mit allerlei Heilsversprechen verbunden. Hier ein Tipp, wie man schnell zu Reichtum oder Erfolg kommt. Dort eine drastische Warnung, wenn man einen bestimmten Ratschlag nicht befolgt. Der Markt ist so voll von lauten Stimmen, dass man leicht den Überblick verliert, was man eigentlich noch für gut richtig halten soll und glauben kann. 

Eine sehr erfolgreiche Strategie der heutigen „falschen Propheten“ besteht darin,  Emotionen zu schüren. Wer ist nicht schon über Schlagzeilen gestolpert wie „Mindestsicherung: Zwei Drittel keine Österreicher“. Worüber wird man sich angesichts dieser Worte entsetzen? Darüber, dass es Menschen ohne Österreichische Staatsbürgerschaft offensichtlich besonders schwer am Arbeitsmarkt haben? Oder doch darüber, dass Ausländer faul sind? 

Wenn die Emotionen hochgehen 

Je reißerischer eine Schlagzeile formuliert ist, desto mehr lohnt es sich zu hinterfragen: Was ist eigentlich die Absicht dessen, der hier schreibt? Geht es der Autorin, dem Autor tatsächlich um eine hilfreiche, sachliche Information? Oder gibt es eine verborgene Agenda, eine Absicht, die sich erst auf den zweiten Blick entdecken lässt? Wer den Zusammenhalt in einer Gesellschaft schwächen oder von anderen Missständen ablenken will, wird sich gerne der Strategie bedienen, Vorurteile gegenüber Minderheiten zu schüren oder unbedeutende Probleme groß zu machen. Auch mit ganz offensichtlichen Schmutzkübelkampagnen lässt sich politisches Kapital machen, frei nach dem Motto: Irgendwas wird schon hängen bleiben und den guten Ruf einer eigentlich integeren Person oder Gruppe schädigen.

Die Liste an geeigneten Methoden zur Manipulation ließe sich fortsetzen. Kein Wunder.  Denn es haben sich ganze Forschungszweige darauf spezialisiert, herauszufinden, wie man kommunizieren muss, um bei anderen die gewünschte Reaktion und das gewünschte Verhalten hervorzurufen. Die Aufforderung des Apostels ist darum höchst aktuell: „Prüft alles. Und überlegt, was ihr behalten wollt."

Wem will ich eigentlich zuhören?

Denn auch wenn wir heute mit Information geradezu überflutet werden, so liegt es immer noch an uns selbst zu fragen: Welchen Stimmen will ich Glauben schenken? Steckt hinter der Botschaft, dem Ratschlag eine gute Absicht? Gut im Sinne von „dem Miteinander dienlich“? Oder will hier jemand nur manipulieren? Manchen Stimmen oder Informationsquellen schenken wir besser kein Gehör. 

Man sollte die Frage aber auch umdrehen: Welchen Stimmen möchte ich ganz bewusst zuhören? Wovon will ich mich ganz bewusst prägen lassen? Wer kann mir als Vorbild dienen, wenn es darum geht „einander Gutes zu tun“? Einen guten „Propheten“ erkennt man auch daran, dass seine Botschaft und sein Verhalten zueinander passen. 

Das Beste Vorbild in dieser Hinsicht ist gewiss Jesus. Seine Botschaft und sein Handeln stimmen überein. In seiner Gemeinschaft zu sein ist gut und heilsam, weil sein Tun und Predigen von einer Liebe geprägt ist, die frei von eigennützigen Hintergedanken ist. So gilt seine Liebe gerade jenen, die am Rande stehen und auf die Solidarität anderer angewiesen sind. 

2025: ein Jahr des Hinhörens

„Prüft alles, und das Gute behaltet.“ Mich werden diese Worte im kommenden Jahr daran erinnern, genau hinzuhören und bewusst darauf zu achten, von welchen Stimmen ich mich prägen lassen möchte.  

Stefan Schröckenfuchs 

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