Aber weil du es sagst…
Glaubensimpuls

Laienpredigerin

Einmal drängte sich die Volksmenge um Jesus
und wollte hören, wie er Gottes Wort verkündete.
Jesus stand am See Gennesaret.
Da sah er zwei Boote am Ufer liegen.
Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten die Netze.
Jesus stieg in das Boot, das Simon gehörte.
Er bat Simon, ein Stück vom Ufer wegzufahren.
Dann setzte er sich
und lehrte die Leute vom Boot aus.
Als Jesus seine Rede beendet hatte,
sagte er zu Simon: »Fahre hinaus in tieferes Wasser!
Dort sollt ihr eure Netze zum Fang auswerfen.«
Simon antwortete:
»Meister, wir haben die ganze Nacht hart gearbeitet
und nichts gefangen.
Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen.«
Simon und seine Leute warfen die Netze aus.
Sie fingen so viele Fische,
dass ihre Netze zu reißen drohten.
Sie winkten die Fischer im anderen Boot herbei.
Sie sollten kommen und ihnen helfen.
Zusammen beluden sie beide Boote,
bis sie fast untergingen.
Als Simon Petrus das sah,
fiel er vor Jesus auf die Knie und sagte:
»Herr, geh fort von mir!
Ich bin ein Mensch, der voller Schuld ist!«
Denn er und die anderen, die dabei waren,
waren sehr erschrocken.
So riesig war der Fang, den sie gemacht hatten.
Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus,
erging es ebenso.
Die beiden arbeiteten eng mit Simon zusammen.
Jesus sagte zu Simon: »Hab keine Angst!
Von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein!«
Da zogen sie die Boote an Land,
ließen alles zurück und folgten ihm.
„Aber weil du es sagst“
Einleitung
Der See Genezaret, an dem die folgenden Ereignisse stattfinden, liegt im Norden von Israel etwa 210 Meter unter dem Meeresspiegel. Er ist damit der tiefste Süßwassersee der Erde. Der See ist auch unter den Namen Galiläisches Meer, See von Tiberias und (in den Evangelien) See von Galiläa bekannt. Sein hebräischer Name ist „Kinnereth“, das kommt von „Kinnor“ (Harfe) und bezieht sich auf die Form des Sees. Sein Wasser erhält er von dem an seinem Nordende eintretenden Jordan und von unterirdischen Quellen. Er ist ungefähr 21 Kilometer lang und bis zu 12 Kilometer breit (Attersee: ca. 19 km lang und 3,3 km breit.).
An seinem nordwestlichen Ufer liegt der Ort Kapernaum bzw. Kafarnaum – ein Ort, der in den Evangelien als Wirkungsstätte des Jesus von Nazaret eine wichtige Rolle spielt. So steht z.B. in Matthäus 4,12-13: „Als Jesus hörte, dass Johannes ausgeliefert worden war, kehrte er nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen und begann von dort aus in der Region um den See Genezareth zu predigen.“
Im 4. Kapitel schreibt Lukas: „Und er ging hinab nach Kapernaum, einer Stadt in Galiläa, und lehrte sie am Sabbat. Und sie waren bestürzt über seine Lehre; denn seine Rede war gewaltig.“ (Lukas 4,31-32) In der Synagoge befahl Jesus einem unreinen Geist, aus einem Besessenen auszufahren – mit dem Ergebnis, dass die Leute sich fürchteten und die Kunde von seinem Tun sich in alle Orte des umliegenden Landes verbreitete.
Jesus aber ging danach in Simons Haus, wo er dessen Schwiegermutter so schnell und nachhaltig heilte, dass sie sogleich aufstand und alle mit Essen versorgte. Nach Sonnenuntergang wurden alle Kranken der Gegend zu ihm gebracht, denen er die Hände auflegte und sie heilte. Das vierte Kapitel des Evangeliums von Lukas schließt mit der Aussage: „Danach verkündigte Jesus die Frohe Botschaft in den Synagogen überall in Judäa.“
Eine Predigt und ein großer Fang
Damit sind wir beim heutigen Evangelium angekommen. Einmal, als Jesus wieder in Kafarnaum und gerade am Ufer des Sees ist, drängt sich eine Menge von Menschen um ihn und will ihn predigen hören – auch wenn er gerade nicht in einer Synagoge ist. Jesus sieht sich daraufhin um, erblickt zum Glück zwei Boote am Ufer und offenbar auch den Simon, der gerade mit anderen Fischern die Netze reinigt. Simon und Jesus kennen sich ja schon, in seinem Haus hatte er dessen Schwiegermutter geheilt.
Und Jesus unterbricht Simon bei der Reinigung der Netze, steigt ins Boot und bittet ihn, vom Ufer wegzufahren. Dann setzt er sich nieder und beginnt zu predigen. Simon und seine Kollegen können so nicht nur ausruhen, sondern genießen unerwartet eine der vollmächtigen und kraftvollen Reden Jesu.
Aber als Jesus nach Beendigung seiner Predigt Simon anweist, wieder hinaus auf den See zu fahren und dort die Netze auszuwerfen, ist der wohl total konsterniert. Immerhin ist er ein erfahrener Fischer und Jesus ein Zimmermann. Es ist mehr als verständlich, dass er zu Jesus sagt: „Meister, wir haben die ganze Nacht hart gearbeitet und nichts gefangen.“
Andererseits kennt er Jesus schon, hat von seinen Krankenheilungen gehört und sie auch erlebt und antwortet wohl widerstrebend und zum Erstaunen seiner Gefährten: „Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen.“
Und dann sind die Netze im Nu so voller Fische, dass sie zu reißen drohen und die Fischer vom anderen Boot herbeigerufen werden müssen. Aber obwohl sie beide Boote beladen, drohen die zu sinken. Alle im Boot sind nun erschrocken, auch Jakobus und Johannes, die mit Simon zusammenarbeiten. Der aber ist so überwältigt von dem Geschehen, dass er sich vor Jesus auf die Knie wirft, sich als sündiger, schuldbeladener Mensch bekennt und Jesus bittet ihn zu verlassen.
Fürchte dich nicht!
Und Jesus? Was sagt er?
„Fürchte dich nicht!! Hab keine Angst! Von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein!“
Und das war‘s – Lukas schreibt dann nur noch, dass sie die Boote an Land ziehen, alles zurücklassen und Jesus nachfolgen.
Man kann nur hoffen, dass sie wenigstens ein paar der Fische verzehren, bevor sie aufbrechen. Was mit der riesigen Menge der übrigen Fische passiert, davon ist nichts zu lesen.
Fassen wir jetzt in drei Szenen zusammen, was da geschehen ist:
- Jesus lehrt: nicht in einer Synagoge, sondern von Simons Boot aus
- Jesus befiehlt: „Fahre hinaus!“ – mit dem Ergebnis eines völlig unerwarteten, ja Angst einflößenden Erfolges
- Jesus beruft – mit der überraschenden Einleitung: Hab keine Angst, fürchte dich nicht!
In allen 3 Szenen ist Simon sein Gegenüber:
- Simon stellt Jesus sein Boot zur Verfügung;
- Simon folgt der Aufforderung Jesu mit einem Vertrauensbekenntnis: „Weil DU es sagst!“
- Und nach dem überwältigenden Fischfang bekennt Simon, ein Sünder zu sein und wird – ganz sicher völlig unerwartet – von Jesus in die Nachfolge berufen.
Der Höhepunkt ist dabei nicht der Fischfang, sondern die Berufung – eingeleitet von den Worten Simons: „Geh weg von mir! Ich bin das nicht wert, das halte ich nicht aus!“. Unter dem Eindruck des Ereignisses, aber wohl auch der Erfahrungen mit und Erzählungen über Jesus hat er anscheinend eine Ahnung von etwas Heiligem, ja davon: Gott zu begegnen – verbunden mit tiefster Demut.
Eine neue Berufung
Und dann der Ruf Jesu: „Hab keine Angst – von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein!“
„Menschenfischer“ ist ein zwar plastisches, aber leider auch negativ besetztes Wort und lässt einen zögern, über diesen Text zu predigen. Es kann vermitteln, dass Mission Verführung ist, dass Menschen überredet werden und noch schlimmer: Es gab Zeiten, in denen versucht wurde, mit offener oder verborgener Gewalt Menschen zu fischen, „Jünger zu machen“.
Jesus hat das natürlich nicht gemeint! Er hat wie meist anschaulich formuliert und gerade im heutigen Beispiel aufgegriffen, was die speziellen Menschen ausmacht. Und sowohl Simon wie auch seine Kollegen Jakobus und Johannes waren nun einmal Fischer.
Und wenn wir dazu auf Jesus, sein Leben und Handeln schauen, dann ist ja sehr eindeutig, wie er „Mission“ in Wahrheit versteht:
Es ist ein Bekanntmachen mit dem liebenden Gott, mit seinem Reich von Liebe, Gerechtigkeit und Frieden, das schon auf Erden beginnt – und da geht es nicht um Überredungskunst, sondern um Überzeugung durch ein beispielhaftes Leben.
Die wohl glücklichste Übersetzung für „Menschen fischen“ ist bei Albert Kammermayer zu finden: „Fürchte dich nicht! Du wirst keine Fische mehr fangen, sondern Menschen für mich gewinnen.“
Es geht also nicht um Einfangen von Menschen, sondern darum, sie von Furcht und Angst zu befreien und sie mit einem gewinnenden Verhalten zu überzeugen. Es geht um ein Leben in echter, authentischer Nachfolge, um einfühlsame, liebevolle und tatkräftige Hilfe gepaart mit einem tiefen Interesse an Menschen – so wie Jesus Interesse an Simon und seinen Gefährten hat, als er sie in ihrer Arbeit ernst nimmt, ihnen da begegnet – und sie erleben lässt, mit welchen überwältigenden Ergebnissen sie rechnen können, wenn sie Jesus vertrauen und seinen Aufforderungen folgen.
Berufen, so wie ich bin
Und wer weiß, was er zu uns sagen würde – was er vielleicht schon gesagt hat oder sagen könnte?
Zu Lehrern und Lehrerinnen möglicherweise: Erzählt mitreißend und anschaulich von meiner Botschaft? Oder zu Krankenschwestern und -pflegern: Kümmert euch kompetent und liebevoll um die Menschen, die euch anvertraut sind, hört ihnen zu und ermutigt sie? Zu Bäckern oder Konditorinnen sagt er vielleicht: Erzählt vom Brot des Lebens, seid wie nahrhaftes Brot und süßer Kuchen, die Menschen Kraft geben und sie alles Bittere leichter ertragen lassen.
Jede und jeder einzelne von uns findet sicher ein Beispiel dafür, wo Jesus uns begegnen möchte und womit er uns beauftragen könnte.
Wenn es beim „Menschen-Gewinnen“ eine ständige Herausforderung sein mag, Menschen da abzuholen, wo sie gerade stehen, ihre Sprache zu sprechen und ihnen unvoreingenommen entgegen zu kommen, so steht doch alles, was wir in seinem Auftrag tun – und Jesus sei Dank dafür! – unter der Überschrift: „Fürchte dich nicht“!
An den folgenden beiden Voraussetzungen aber geht nichts vorbei:
Zum einen ist da ein unbändiges Vertrauen, so wie es Simon, der spätere Petrus, in Jesus setzt: „Auf dein Wort hin, weil DU es sagst, werde ich es tun.“
Wirklich ich?
Zum anderen die Erkenntnis: Ich bin ein sündiger Mensch voller Schuld.
Es scheint, als hätten nur schuldige Menschen genügend Demut für die richtige Nachfolge, weil nur sie auf die Vollmacht Jesu vertrauen und seinen Auftrag vor Augen haben. Und das legt nahe, dass er gerade Menschen voller Fehler braucht, die sich aber ihrer Unvollkommenheit bewusst sind, um sein Reich der Himmel auf Erden zu bauen. Das sehen wir am Beispiel von Petrus.
Das soll uns auch eine Lehre und Ermutigung sein, wenn wir uns unwert fühlen – ja gerade dann! Weil wir nämlich dann unser ganzes Vertrauen auf Jesus setzen müssen und in der Folge auch nur ihm die Ehre geben können! In dieser Einstellung bestärkt uns Paulus, der nicht umsonst schreibt: „Gerade wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (2. Korinther 12,10b)
Zusätzlich befreit uns das auch von allem Erfolgsdenken, denn dafür ist dann wie beim „Fischfang“ oder zu was immer er uns beruft, nur Jesus zuständig.
Dazu kommt: Petrus ist durchaus unvollkommen geblieben, so wollte er Jesus z.B. so sehr schützen, dass der ihm sagen musste: „Fort mit dir, Satan, tritt hinter mich!“ (Matthäus 16,23a)
Und als man Jesus gefangengenommen hatte, hat Petrus ihn dreimal verleugnet. Aber ausgerechnet ihm sagt Jesus, nachdem er ihn dreimal gefragt hatte, ob er ihn denn liebe – und wieder am Ufer des Sees Genezareth und nach einem reichen Fischfang: „Sorge für meine Lämmer! Weide meine Schafe!“ (Johannes 21,15-17)
Und wir? Was sagen wir, wenn Jesus uns mit etwas beauftragt, das jenseits unserer Erfahrungen liegt, das wir uns nicht im geringsten vorstellen können?
Wollen wir dann nicht dem Beispiel von Simon-Petrus folgen und antworten:
„Auf dein Wort hin, weil du es sagst, Jesus: Wir tun es. Wir vertrauen dir und haben keine Angst. Wir nehmen deinen Auftrag an.“
Amen.
Ruth Armeanu ist Laienpredigerin in der EmK Wien-Floridsdorf