Der blamierte Tod

Glaubensimpuls

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Ilse Wieser

EmK Salzburg, Pastorin i.R. Evangelisch-freikirchliche Gemeinden


Eine Osterpredigt zu Lukas 24, 1-12

Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Mit dieser Frage beginnt der Ostersonntag. Die angesprochenen Frauen hatten eine solche Frage überhaupt nicht erwartet. Sie kamen ja nicht am frühen Morgen in der Stille eines anbrechenden Tages, um einen Lebenden vorzufinden.

Sie suchten einen Toten, sie suchten ein Grab.

Was sie mitbrachten, war nicht gespannte Erwartung oder ein Funken Hoffnung, sondern es waren Salben, um einen Toten damit einzureiben.

Es war Trauer, Verlassenheit, vielleicht Ergebenheit in das Unabänderliche und Endgültige. Darum konnten die Frauen mit der Frage der Engel nichts anfangen. Sie  haben sie einfach nicht verstanden.

Die Begegnung der Engel oder Männer in leuchtenden Gewändern mit den Frauen am leeren Grab Jesu wird uns nicht nur von Lukas berichtet, wir finden sie auch in Markus und Matthäus.

Immer sind die Engel dabei. Jedes Mal bringen die Engel das zur Sprache, was hier geschehen ist.

Allein am leeren Grab hätten die Frauen wohl kaum begriffen, dass Jesus auferstanden ist, dass er lebt. Sie suchten einen Leichnam.

Im Johannesevangelium wird geschildert, wie Maria Magdalena das leere Grab entdeckt und sofort zu den Jüngern läuft, um ihnen zu berichten, dass irgendjemand den toten Jesus fortgeschafft hat.

Was sich hier am Ostermorgen ereignet hatte, war nicht mit logischem Denken nachzuvollziehen. Auch die Jünger, die Apostel, konnten es nicht. Sie hielten alles, was ihnen berichtet wurde, für Geschwätz, für reine Erfindung.

Ihr Glaube hatte genauso wie der Glaube der Frauen den Tod Jesu nicht überstanden. Sie erinnerten sich in ihrer Trauer nicht einmal mehr, dass Jesus von seiner Auferstehung zu ihnen geredet hatte. So beeindruckend ist der Tod.

Aber: ein unfassbares Geschehen, an das auch uns der Glaube nur geschenkt werden kann, ging der Auferstehung voraus.

In einer unsichtbaren Welt nahm die Liebe Gottes den Kampf auf - mit dem Tod. Sie scheute sich nicht vor dem Tod und machte vor dem Tod nicht Halt. In einer Predigt wurde einmal gesagt: es war der Kampf zwischen dem tödlichen Tod und dem göttlichen Gott. Dieser Kampf ging der Auferstehung Jesu voraus.

Und das Ergebnis dieses Kampfes war letzten Endes ein blamierter Tod und eine Welt, die befreit aufatmen und befreit herauslachen durfte und es bis heute immer noch darf.

DIE OSTERGESCHICHTE REIZT ZUM LACHEN

Gewöhnlich haben wir große Ehrfurcht und große Scheu vor dem Tod. Das ist ein Thema, bei dem uns überhaupt nicht wohl in unserer Haut ist. Darum sind wir auch mit dem Lachen vorsichtig. 

Denn das Elend dieser Welt und möglicherweise unser eigenes bis hin zum Sterben drängt sich sofort auf. Wir denken daran, wie die Menschheit durch ihre ganze Geschichte hindurch von Krankheit, Hunger und Elend geknechtet wurde. Wir denken heute an die Vernichtung des gesunden Lebensraumes, wir sehen die Möglichkeit eines Krieges. All das provoziert kein frohes, kein befreites Lachen in uns. 

Der Tod macht einfach keinen Sinn, geschweige denn, dass er etwas Gutes hervorbringt.

Es gibt eine Anekdote über den griechischen Philosophen Empedokles, der versucht hat, seinem Leben einen tiefen Sinn abzugewinnen, indem er todesmutig kopfüber in den feurigen Ätna gesprungen ist. Aber selbst dabei ist nichts anderes herausgekommen als zwei vom Vulkan wieder ausgespiene Sandalen.

Früher einmal hat das Lachen, das richtige, von Herzen kommende Lachen regelrecht zur Liturgie gehört hat. Als Ostergelächter bildete es im Mittelalter einen Teil des gottesdienstlichen Verlaufes an den Ostertagen. Begründet war dieser Brauch vermutlich im Text des Osterpsalms: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht; lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein!“ 

Streng und persönlich hatte sich der mittelalterliche Christ in den Wochen der Fastenzeit auf den Leidensweg Christi begeben, mit einer Intensität, die uns heute vermutlich fremd ist. 

Nach Askese, Trauer und Entbehrungen musste man sozusagen das Lachen wieder lernen und bekam dazu die Anleitung – in der Kirche! Am ersten oder zweiten Osterfeiertag hielt der Priester gewöhnlich eine Predigt, die derart mit lustigen Geschichten, herzhaften Anekdoten und anspielungsreichen Fabeln gespickt war, dass die ganze andächtige Gemeinde schließlich, auf diese Augenblicke schon gespannt, in ein schallendes, jubelndes Gelächter ausbrach. Teufel und Tod wurden hiermit öffentlich und förmlich – mitten im Gottesdienst – ausgelacht. 

Unsere mittelalterlichen Vorfahren haben es verstanden, die Osterfreude als Lebensgefühl zum Ausdruck zu bringen, von ihr mitgerissen zu werden. 

Die Ostergeschichte will uns zum Lachen reizen, weil sie eine ganz unerwartete Wende genommen hat. Den Tod, das Ende haben wir erwartet, aber dem Leben und einem neuen Anfang sind wir begegnet.

„… EIN SPOTT DER TOD IST WORDEN“

In einem sehr alten Lied heißt es: „Es war ein wunderlicher Krieg, / da Tod und Leben rungen. / Das Leben behielt den Sieg. / Es hat den Tod verschlungen. / Die Schrift hat verkündet das, / wie ein Tod den andern fraß: / ein Spott der Tod ist worden.“

Wir reden von der Auferstehung, wir sprechen vom Sieg Gottes über den Tod, und doch fällt es uns ungeheuer schwer, den Tod zu verlachen. Wir sind noch zu sehr beeindruckt von seinem Wüten. Der evangelische Theologe Eberhard Jüngel hat in einer Osterpredigt einmal über den unsterblich blamierten Tod gesprochen. Unsterblich blamiert heißt - für immer blamiert. 

Als Jesus seinen schmachvollen Tod erlitt, als man ihn ins Grab legte, als man nur noch in der Vergangenheitsform von ihm sprach, da erfuhr der Tod seine unsterbliche Blamage, wenigstens dieses eine Mal, aber damit für immer. Denn Jesus blieb nicht im Grab, er wurde auferweckt, lebendig, er blieb nicht Vergangenheit, sondern wurde Gegenwart und Zukunft für die Menschen, denen in diesem Augenblick der Glaube an das Leben, über das der Tod die Macht verloren hat, geschenkt wird.

Der unsterblich blamierte Tod! Nun sollen wir ihn auch wirklich verspotten. Nicht nur durch unsere Osterlieder, wir brauchen unser ganzes Leben dazu. Es ist ein fruchtbares, ein schöpferisches Geschäft, den Tod zu verspotten. Es geschieht überall dort, wo unsere Taten nicht Untaten, sondern Wohltaten werden. Es lohnt sich, unsere ganze Kraft, unseren ganzen Verstand und unsere ganze Phantasie in dieses Geschäft zu investieren. Denn wo der Tod auf Erden verspottet wird, da hat nicht nur Gott seinen herrlichen Tag, da beginnt auch für uns eine fröhliche Zeit.

Ein blamierter Mensch kann ein sehr unangenehmer Geselle werden, das wissen wir. Der unsterblich blamierte Tod ist ein äußerst unangenehmer Geselle. Er zeigt nun erst recht, was er kann. Er schafft es immer wieder, dass Menschen einander als Bestien gegenüberstehen, er quält und bringt Leid und Schmerz über uns und scheinbar gewinnt er. 

Aber: Umso wichtiger ist, dass wir uns jeden Tag die Frage stellen: Wer ist stärker? Wer ist wirklich der Sieger? Wer spricht das letzte Wort?

Dazu eine kleine Geschichte:

Einem afrikanischen Christen wurde seine 17-jährige Tochter durch den Tod genommen. 

Trauer erfüllte die ganze Familie. Aber sie waren auch getröstet durch die Hoffnung auf ein ewiges Leben. Auf das Grab der Tochter setzte der Vater ein schlichtes Holzkreuz und schrieb die Worte darauf: „Der Tod hat keine Hände“.

Als ihn jemand fragte, was die Inschrift bedeuten soll, gab der Vater zur Antwort: „ich weiß, dass mir der Tod mein Kind nicht wegnehmen und auf ewig festhalten kann, sondern ich werde es bei Jesus wiedersehen. Der Tod hat ja seit Ostern keine Hände mehr.“

Nein, der Tod hat keine Hände, aber Gott hat starke Hände, die uns bis in Ewigkeit festhalten. Jesus sagt von Menschen, die an ihn glauben: „Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen.“  (Johannes 10, 29)

Der auferstandene Christus, an den wir von ganzem Herzen glauben, hat einen Abstand zwischen uns und dem Tod geschaffen, einen heilsamen Abstand, der nicht mehr aufgeholt werden kann, ja der nicht einmal in unserem Sterben mehr aufgeholt wird. Gott steht dazwischen. 

Die Ostergeschichte zeigt uns, auf welche Abgründe Gott sich hinunterließ, um den endgültigen Tod von uns abzuwenden. Wir können uns nicht selbst retten, wir können auch nicht andere vor dem Verderben retten. Aber Ostern verkündet uns, dass Gott es ein für alle Mal getan hat. Er hat den Tod verspottet, weil er ihn nicht das letzte Wort sprechen ließ.

Mit unserem Leben, das uns geschenkt wurde, sind wir nicht mehr Handlanger des Todes mit einer tödlichen Gesinnung, sondern wir schieben ihr einen Riegel vor. Wir singen einen Lobpreis auf das Leben, ein gerettetes Leben, und dieser Lobpreis ist der schlimmste Spott, den der Tod erdulden muss.

Jesus ist der "Lord of the Dance"

Im Anschluss an die Predigt wird im Gottesdienst das englische Lied „Lord of the Dance“ gesungen. 

Es erzählt von Jesus als dem Tänzer, der alle anführt und ermutigt, in diesen Tanz einzusteigen. So tanzt er für die Schriftgelehrten und Pharisäer, aber die wollen nicht mittanzen. Dann tanzt er für die Fischer, sie gehen in den Kreis und tanzen mit. Er tanzt am Sabbat und heilt einen Lahmen, aber den frommen Leuten gefällt sein Tanz nicht. Und so nageln sie ihn ans Kreuz. Selbst im Tode tanzt er noch, aber es ist schwer, denn der Teufel sitzt ihm auf dem Rücken. Als sie ihn begraben und meinen, dass er jetzt für immer aufgehört hat zu tanzen, entspringt er dem Tod als das Leben, das niemals sterben wird. 

Es ist ein fröhliches, schwungvolles Lied, aber mit einer tiefen Bedeutung. Und es lädt uns alle ein zum fröhlichen Mittanzen, denn durch den auferstandenen Jesus haben wir teil an seinem Leben, egal, was uns passiert: wir können niemals mehr der endgültigen Vernichtung preisgegeben werden.

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