Josef, der Träumer

Glaubensimpuls


Predigt zu Matthäus 1,18-25

Nomen est omen

Die Übersetzung für dieses lateinische Sprichwort lautet etwa so: Der Name sagt etwas über das Lebensschicksal eines Menschen aus. Also, der Name eines Menschen gewinnt im Lauf des Lebens an Bedeutung. Oder umgekehrt: Der Name ist ein Hinweis für das Leben eines Menschen.

Nomen est Omen, das betrifft auch die Wahl des Namens für ein Kind. Es gibt verschiedene Gründe und Möglichkeiten, einen passenden Namen für ein Kind auszusuchen. Man kann ihn z.B. auf den Nachnamen abstimmen: Ein kurzer Vorname, wenn der Nachname schon lang ist wie Hans Oberhofberger. Oder man kann den Namen so wählen, dass die Vokale einen gewissen Gleichklang ergeben wie Anna Langthaler. Oder wenn der Nachname schon sehr gewöhnlich klingt, dann darf wenigstens der Vorname etwas ausgefallen sein wie Coelestin Huber.

Früher war es üblich, das Kind nach dem jeweiligen Heiligen des Geburtstages oder des Tauftages zu benennen. Und es gab andere Zeiten, da waren die Namen von Filmstars oder Größen aus dem Showbusiness gefragt. Und so gab es Jahre, wo Jessica, Jennifer oder Diana Hochkonjunktur hatten. Oder die berühmten Schulklassen in denen mehrere Kevins sitzen, oder ein Leonardo oder ein Elvis. Es gibt Familien, in denen es Tradition ist, die Kinder nach den Vornamen von Eltern, Großeltern, Paten, Tanten oder Onkeln zu benennen. Schließlich achten manche auf die Bedeutung des Namens, den sie ihrem Kind geben.

Eine Geschichte der Namensgebung

Nomen est Omen, das heutige Evangelium erzählt uns, wie nach der Überlieferung des Matthäus das Kind Jesus geboren wird und wie es zu seinem Namen kommt. Dass dies eigentlich die Geschichte einer Namensgebung ist, gerät gerne in Vergessenheit. Lange Zeit hat man sich mehr dafür interessiert, wie es dazu kommt, dass eine Jungfrau ein Kind auf die Welt bringt und wie das mit dem Heiligen Geist gewesen sein könnte. Die Anleitung zur Namensgebung an Josef lautet im biblischen Text ganz schlicht: „Dem sollst du den Namen Jesus geben.“ (V21a) 

Bei all den Diskussionen über die Jungfrauengeburt ist schließlich auch die Person, von der die Geschichte am meisten erzählt, in Vergessenheit geraten. Es ist Josef, der bei den meisten Krippendarstellungen im Hintergrund und außerhalb des Hauptgeschehens steht. Heute möchte ich ihn etwas mehr in die Mitte rücken.

Josef, der Träumer

Da steht er nun der arme Josef, d.h. er liegt vielmehr und träumt. Josef der Träumer eben, Nomen est Omen. Er macht seinem Namen alle Ehre. Er träumt wie einst sein berühmter Namensvetter aus dem Alten Testament, der Sohn des Jakob. Jener Josef träumte von seiner Karriere. Er träumte davon, dass er über alle seine Brüder herrschen wird und sie sich vor ihm verneigen. Die Träume jenes Josef waren Träume der Überheblichkeit. Sie riefen den Neid und die Missgunst seiner Brüder hervor.

Unser Josef träumt anderes. Unser Josef ist verzagt und tief getroffen. Maria, seine Verlobte erwartet ein Kind, aber nicht von ihm. Maria, seine große Liebe, hat ihn damit tief verletzt, verletzt als Mann, der gerne seinen Mann stehen würde. Ein anderer ist ihm zuvorgekommen. Ein anderer hat ihm den Rang abgelaufen. Ein anderer steht bei Maria an erster Stelle.

Eine schwierige Entscheidung

Josef ist hin- und hergerissen: Was soll er tun? Einerseits will er seinem Ruf als ehrbarer und gerechter Mann gerecht werden. Er führt ein tadelloses Leben. Wenn er als Mann zu seinem Recht kommen will, dann müsste er nun einen Scheidebrief ausstellen lassen. Das geschieht vor Zeugen und im grellen Licht der Öffentlichkeit. Nur so kann er sich von Maria trennen und gleichzeitig seine Ehre retten.

Andererseits liebt er Maria. Wenn er einen Scheidebrief ausstellen ließe, dann würde alles bekannt werden. Die Leute würden fragen, von wem das Kind sei und sich darüber lustig machen, dass seine Verlobte schon so bald fremd geht. Das will Josef sich  selbst und Maria ersparen. So weit will er nicht gehen. Sie stünde als Hure da und er als der gehörnte Ehemann. Also sieht unser Josef nur eine Lösung: Trennung in aller Stille. Möglichst wenig Aufheben machen, sich davonschleichen und damit möglichst unbemerkt aus dieser schwierigen Geschichte aussteigen.

Ein Engel erscheint im Traum

Doch Josefs Lösung, sie greift zu kurz. Die Geschichte nimmt eine andere Wendung, als Josef sie im Blick hat. Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade, soll Theresa von Avila gesagt haben. Das musste schon sein Namensvetter in Ägypten lernen. Gott kennt noch andere Lösungen als wir sie uns ausdenken. Und so träumt Josef von Nazareth wie einst Josef in Ägypten geträumt hat.

Ein Engel erscheint ihm. Er versichert ihm, dass trotz der widrigen Umstände alles mit rechten Dingen zugehe. Das Kind, das Maria erwartet, ist kein verlorenes Kind. Gott selbst will, dass dieses Kind zur Welt kommt. Gott selbst hat etwas vor mit diesem Kind: Nomen est Omen. Jesus, so soll dieses Kind heißen. Jesus, diesen Namen soll Josef dem Kind geben, Jesus, Jeschua, das bedeutet Retter, Erlöser.

Der Namensgeber und fürsorgliche Mann

Retten, erlösen soll das Kind die Menschen. Retten von den Sünden und krummen Geschichten, in die sie sich verwickeln. Erlösen von den falschen Plänen, mit denen sie versuchen, sich aus den krummen Geschichten herauszustehlen. Und Josef, die Randfigur ist es, die dem Kind diesen verheißungsvollen Namen geben soll.

Josef hat noch eine weitere wichtige Aufgabe. Er soll für die Frau sorgen, die den Retter und Erlöser seines Volkes und aller Menschen zur Welt bringen wird. Josef, der gerechte Mann, der ein ehrbares Leben führt und der seine Maria trotz allem liebt, er ist der Richtige für diese Aufgabe. Nomen est Omen, trotz allem. Josef, der verzagte und in seiner Liebe so verletzte Mann, er macht seinem Namensvetter aus früheren Zeiten alle Ehre.

Josef rettet Leben

Damals war es Josef, der Sohn Jakobs, der mit seiner Überheblichkeit bis nach Ägypten kam. Er landete wegen einer Intrige im Gefängnis. Doch dann wurde er zum Stellvertreter des Pharao und konnte so seinen Vater, seine Brüder und ihre Familien vor dem Hungertod bewahren.

Jetzt ist es Josef, der Mann der Maria, der den Weg nach Ägypten auf sich nehmen wird, um das Kind vor Verfolgung und Tod zu bewahren. Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade.

Beide, Josef, der Sohn Jakobs, und Josef, der Mann der Maria, haben auf je ihre Weise Menschenleben gerettet. Beide konnten aus ihrer Perspektive zunächst nicht sehen, dass ihr krummer Weg, ein Weg Gottes zum Heil der Menschen sein wird. Beide haben geträumt und ihre Träume waren ihnen Wegweiser auf ihrem Lebensweg.

Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade

Nomen est Omen. Wir heißen nicht alle Josef. Wir machen nicht Karriere in Ägypten und retten dadurch unsere Familie. Es ist selten, dass uns ein Engel im Traum erscheint, der uns sagt, was wir tun sollen. Aber unser Lebensgeschichten verlaufen manchmal ähnlich krumm wie die Lebensgeschichten der beiden Josefs.

Missgunst und Neid unter Geschwistern, Überheblichkeit oder Herabsetzung durch Nahestehende, das kennen wir. Auswandern in ein fremdes Land, erzwungener Neuanfang, falsche Anklage und Verleumdung, Einsamkeit im Gefängnis, das kommt uns bekannt vor. Oder verletzte Liebe, ungewöhnliche Familienverhältnisse, ein stilles Sich-davonschleichen, das ist uns nicht fremd. Mich nicht entscheiden können, ob ich zu meinem Recht kommt will oder ob ich um des lieben Friedens willen nachgebe, das hat uns schon einmal zu schaffen gemacht. Das Dilemma erleben, ob ich meine eigene Ehre retten soll oder den andern nicht verletzen will, dem mussten wir uns auch schon stellen.

Ein Kind, das retten und erlösen wird

Und mitten aus einer solch krummen Lebensgeschichte heraus wird ein Kind geboren. Mitten in diese verzwickte Situation hinein, da entsteht ein neues Leben. Sein Name heißt Jesus, Jeschua, Retter, Erlöser. Auch hier: Nomen est Omen. Der Name kündigt an, was die Lebensaufgabe und das Lebensziel dieses Kindes sein wird.

Retten und erlösen soll es die Menschen. Herausreißen aus den krummen Wegen, Herausrufen aus den Sackgassen, Herauslocken aus der Einsamkeit und dem Rückzug. Neue Wege wird dieses Kind einmal denen weisen, die hin- und hergerissen sind, ob sie der rechten Ordnung folgen sollen oder ihrer Liebe. Neue Perspektiven wird dieses Kind den Menschen zeigen, die keinen Ausweg sehen oder verzweifelt sind.

Immanuel – Gott mit uns

Nomen est Omen. Das Kind trägt noch einen anderen Namen, so erzählt und deutet es uns der Evangelist Matthäus. Es ist nicht nur der Retter, der die Menschen von der Schuld befreien wird. Dieses Kind wird nicht nur herausreißen und die Menschen manchmal auch vor recht unbequeme Entscheidungen stellen. Durch den Propheten Jesaja ist verheißen, dass man dem Kind den Namen Immanuel geben wird.

Immanuel, das bedeutet Gott-mit-uns. In diesem Kind ist Gott mit uns unterwegs, an unserer Seite. In diesem Kind wird Gott zu unserem Lebensbegleiter. Einmal wird dieses Kind sagen, dass es mit uns ist, bis an das Ende der Welt, bis das Ende der Zeit. So weit reicht dieses Gott-mit-uns. In alle Tage unseres Lebens mit hinein.

Wir tragen den Namen von Jesus Christus

Nomen est Omen. Wir alle haben unseren Namen. Die einen sind damit glücklich, die anderen nicht. Für die einen ist dieser Name eine Last. Er erinnert sie jeden Tag an die Wünsche ihrer Eltern und das Vorbild nach dem sie benannt worden sind, dem sie aber nicht entsprechen können. Oder der Name erinnert an die Spottnamen, die man ihnen angehängt und unter denen sie gelitten haben. Oder der Name ist eine Erinnerung an die Vorfahren und Verwandten, unter die man sie eingereiht hat.

Andere tragen ihren Namen mit Stolz. Er verwurzelt sie in eine Tradition, die sie gerne für sich akzeptieren. Sie freuen sich über die, die den gleichen Namen tragen wie sie. Sie machen etwas aus ihrem Namen und freuen sich, wenn der Name in der nächsten Generation weitergetragen wird.

Ob wir zufrieden sind mit unserem Namen oder nicht: Als Christinnen und Christen tragen wir alle den Namen des Kindes, das den Namen Jesus, der Christus, trägt. Erinnern wir uns daran, dass dieses Kind nicht nur die Menschen rettet und erlöst. Erinnern wir uns auch daran, dass dieses Kind den Namen Immanuel trägt, Gott-mit-uns. Amen.

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