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Glaubensimpuls

Pastorin, Erwachsenenbildung

Fragen rund um die Auferstehung
Im 15. Kapitel des ersten Korintherbriefs antwortet der Apostel Paulus auf verschiedene Fragen rund um die Auferstehung. Das scheint die Menschen in der von ihm in der Hafenstadt Korinth gegründeten Gemeinde beschäftigt zu haben. Es gibt welche, die behaupten, dass es gar keine Auferstehung gebe. Heute haben wir gehört, wie Paulus die Frage erläutert, wie man sich denn diese Auferstehung konkret vorzustellen habe. „Mit was für einem Körper werden sie wiederkommen?“ so fragen die Korinther.
Aus dieser Frage geht hervor, dass für die noch jungen Christen in Korinth das schwer vorstellbar war, wie ein Leben nach der Auferstehung aussehen soll. Wie wird dieser Körper aussehen? Wird er aus Fleisch und Blut sein, so wie wir es jetzt sind? Oder wird das ein anderer Körper sein, vielleicht ein Geistkörper? Eine andere Form von Energie? Oder gibt es noch einmal eine andere Existenzmöglichkeit, die wir uns gar nicht vorstellen können?
Seelsorgerliche Anliegen
Mit der Frage nach dem Wie der Auferstehung sind aus meiner Sicht zwei seelsorgerliche Fragen verbunden, die auch in der heutigen Zeit immer wieder einmal auftauchen. Die eine Fragestellung ist: Wie ist das mit Opfern von Unfällen und Katastrophen oder mit Menschen, die durch Unfälle, Krankheiten oder Behinderungen Gliedmaßen verloren haben oder völlig entstellt sind? Werden sie ihren Körper mit allen Mängeln und Problemen wieder erhalten? Und ich frage mich dazu: Ist das fair?
Die andere Frage, die sich stellt, das ist die in unseren Breitengraden üblich gewordene Bestattungsform der Kremierung. Wenn der Leichnam eines Menschen verbrannt wird, wie ist dann Auferstehung möglich? Und wenn gar die Asche bei einem Baum oder im Meer verstreut wird, wie kann dann Auferstehung geschehen?
Bilder der Verwandlung
Paulus nimmt in der Beantwortung der Frage aus Korinth zunächst ein Bild aus der Natur zu Hilfe. Wenn wir ein Weizenkorn in die Erde legen, dann hüpfen nicht nach einiger Zeit Weizenkörner aus der Erde. Nein, es wächst zunächst ein zartes, grünes Pflänzchen heran. Wenn wir lange genug warten, dann erleben wir, wie daraus ein starker Halm wird und wie eine Ähre heranreift. Erst dann können wir Körner ernten, die dem Korn ähnlich schauen, das wir gesät haben.
Es ist ein Bild der Verwandlung, das Paulus als Beispiel für das heranzieht, was wir bei der Auferstehung zu erwarten haben. Auch Jesus greift dieses Bild auf, wenn er im Johannesevangelium von seinem Tod spricht und diesen deutet: „Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12,24)
Ein Bild, wenn die Sprache fehlt
Das Bild vom Weizenkorn hilft uns, etwas auszudrücken, was uns in unserer Sprache und unserem Denken kaum möglich ist. Uns fehlt die Sprache, um das zu beschreiben, was wir ahnen und hoffen. Das Bild vom Weizenkorn jedoch hilft uns zu verstehen: Es kommt etwas Neues, etwas anderes. Aber dieses Neue ist nicht etwas vollkommen anderes. Es steht in einem bestimmten Zusammenhang, in einer bestimmten Beziehung zu dem, was gewesen ist. So ist es mit dem Weizenkorn und mit dem Halm, der daraus wächst. So ist es – wie wir gesungen haben – mit der verpuppten Raupe und dem Schmetterling, der daraus wird. So ist es mit der Blume, die aus der Zwiebel wächst.
Diese Bilder drücken aus, was ich in abstrakter Sprache mit Diskontinuität und Kontinuität benennen würde. Es gibt Dinge, die nehmen mit dem Tod ein Ende. Unser Körper verfällt, die sterbliche Hülle ist der Verwesung unterworfen. Aber da ist auch etwas, das bleiben wird; etwas, was unsere Person ausmacht: Die Liebe, die wir erfahren haben und die wir anderen weiter gegeben haben; die Beziehungen, die gewachsen sind; das Vertrauen, das wir anderen geschenkt haben und das Vertrauen, das in Gott gewachsen ist.
Das gibt uns eine erste Antwort auf die Frage nach dem, wie das mit der Auferstehung sein wird und welchen Körper wir dann haben werden. Wir werden vermutlich nicht den gleichen Körper zurückerlangen, den wir bisher hatten. Allerdings kann ich euch nicht sagen, wie sich gelebte Liebe, gewachsene Beziehungen und vertieftes Vertrauen abbilden oder verkörpern lassen, wenn unser Körper einmal verfallen sein wird. Das müssen wir wohl Gott überlassen.
Vier Gegensatzpaare
Paulus versucht in einem zweiten Schritt das, was uns schwer fällt zu beschreiben, in vier Gegensatzpaare zu fassen.
„Was hier auf der Erde gesät wird, ist vergänglich.
Aber was auferweckt wird, ist unvergänglich!
Was hier gesät wird, ist unansehnlich.
Aber was auferweckt wird, lässt Gottes Herrlichkeit sichtbar werden.
Was hier gesät wird, ist schwach.
Aber was auferweckt wird, ist voller Kraft.
Gesät wird ein natürlicher Leib.
Auferweckt wird aber ein Leib, der vom Geist Gottes geschaffen ist.“
- vergänglich — unvergänglich;
- unansehnlich — voll von Gottes Herrlichkeit
- schwach — voller Kraft
- natürlich — von Gottes Geist geschaffen
Das sind die Gegensätze, mit denen Paulus versucht, das neue menschliche Sein in Gottes Gegenwart nach der Auferstehung zu beschreiben. Damit wird klar, dass es bei dieser neuen Daseinsform nicht um ein Zurück zum Bisherigen geht. Es wird etwas Neues sein, das aber dennoch in einer Beziehung zum Bisherigen steht. Oder wie ich schon gesagt habe: Es gibt trotz alles Abbrechens, aller Diskontinuität eine gewisse Kontinuität.
Natürlich – geistlich
Mit einem dritten Gedanken versucht Paulus schließlich zu erläutern, was er mit dem Gegensatzpaar von „natürlich“ und geistlich, d.h. „von Gottes Geist geschaffen“ meint. In Vers 47 schreibt er: „Der erste Mensch wurde aus dem Staub der Erde gemacht. Der zweite Mensch stammt aus vom Himmel.“
Paulus greift damit auf die biblische Schöpfungsgeschichte aus 1. Mose 2 zurück. Dort wird beschrieben, wie der erste Mensch erschaffen wurde. Gott formte den Menschen, hebräisch Adám, aus einem Klumpen Erde, aus der Adamáh (hebr. rötliche Erde). Wenn ich versuche, dieses hebräische Sprachspiel auf Deutsch zu übersetzen, so würde ich sagen: Wir Menschen sind alle „Erdlinge“, weil wir aus der Erde geformt wurden. Und zu dieser Erde oder zum Staub werden wir auch wieder werden, erzählt uns in der Bibel die nachfolgende Geschichte vom Adam und Eva und der Schlange, von der Versuchung und den Folgen, dass einem guten Angebot nicht widerstanden werden konnte.
Aber der Mensch, so wie ihn Gott geschaffen hat, ist noch nicht fertig. Er besteht nicht nur aus Erde. In einem zweiten Schritt bläst Gott dem Menschen seinen Atem, hebr. Ruach, ein. In uns weht der göttliche Atem, mit jedem Atemzug. In jedem Menschen verbindet sich damit Erde und Himmel, Schweres und Leichtes, Körperliches und Geistiges. Mit diesem einfachen Bild versucht die biblische Schöpfungserzählung auszudrücken, was wir als Menschen oft so spannungsvoll erleben.
Der erste und der zweite Mensch
Paulus führt allerdings seine Gedanken nicht entlang der biblischen Erzählung weiter. Er bezieht sich auf eine Vorstellung, die zu seiner Zeit in der Luft lag. Er erzählt von einem zweiten Menschen, der dem ersten Menschen gegenübergestellt wird. Der erste Mensch, damit meint Paulus Adam. Mit dem zweiten Menschen meint er – ohne es direkt zu sagen – Christus. Der erste Mensch ist irdisch, der zweite Mensch ist himmlisch.
Dass wir heute als Menschen dieses Irdische an uns haben, das können wir nicht leugnen. Denn unser Körper wird wieder zu Staub und Erde zerfallen. Wir sind ein Abbild – heute würde man vielleicht sagen eine Kopie – dieses Adam. Aber was ist mit dem zweiten Menschen? Können wir von uns sagen, dass wir auch ein Abbild, eine Kopie von Christus sind? Tragen wir auch etwas Himmlisches in uns und an uns?
Was heißt es denn, diesem Christus ähnlich zu werden? Wie können wir uns diesen zweiten Menschen aneignen, von dem wir hoffen, dass er mehr Bestand haben wird als der erste Mensch?
Sich von Christus prägen lassen
Charles Wesley hat diesen Vorgang in einem Lied beschrieben "Heilig bist du, Gott, und treu" (Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche, Nr. 87). Er bittet in den ersten beiden Strophen darum, dass wir Christus ähnlich werden mögen, ja, dass Christi Bild in uns eingeprägt werde. Dabei soll Christus mein eigenes Wesen nach seinem Wesen gestalten und prägen. Damit meint Charles Wesley, dass unser Herz an Liebe reich werden möge.
Dann zählt er in den folgenden drei Strophen auf, wie das praktisch aussehen könnte: den Leidenden nahe sein, die Armen besuchen, die Hungernden speisen, die Nackten kleiden, Kranke trösten, mitfühlen mit den Trauernden und den Einsamen. Es ist das, was wir für die geringsten Schwestern und Brüder tun können, barmherzig und mitfühlend zu sein und Nächstenliebe zu leben. Es ist nichts anderes als das zu tun, was Jesus getan hat.
Und das ist das Überraschende: Um dem himmlischen Christus ähnlicher zu werden, braucht es keine besonderen geistlichen Übungen oder tiefe Erkenntnisse. Es braucht nicht viele Gebete, ein umfangreiches geistliches Leben oder ein Theologiestudium. Dem himmlischen Christus, diesem zweiten Menschen werden wir dadurch ähnlich, dass wir so leben, wie der irdische Jesus gelebt hat: den Menschen in Liebe zugewandt und besonders denen, die uns am nötigsten brauchen.
So kann der zweite, himmlische Mensch in uns wachsen, damit er dann groß und stark ist, wenn unser erster Mensch, der irdische zu seinem Ende gekommen ist und verfällt. Möge uns Gott immer wieder neu mit seiner Liebe beschenken, sodass wir zu lieben befähigt werden, uns selbst annehmen können und für unsere Mitmenschen da sind, zur Ehre Gottes. Amen.