"Die Ek­sta­ti­ker Gottes"

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Esther Handschin

Pastorin, Erwachsenenbildung


Stellungnahme zu einer Sendungsreihe von Günter Kaindlstorfer auf ö1

Die vom 2. bis 4. November 2021 im Radiokolleg ausgestrahlte Reihe unter dem Titel „Die Ekstatiker Gottes. Warum evangelikale Bewegungen weltweit expandieren“ hat bei mir – wie bei vielen Mitgliedern der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich – einiges an Verwunderung ausgelöst.

Der Sendungshinweis im Internet kündigt an: „Mit ekstatischen Gottesdiensten, die an Rockkonzerte oder mitreißend choreographierte Musicals erinnern, begeistern sie die Gläubigen. Dabei vertreten die meisten evangelikalen Gemeinschaften – von den Methodisten und Heilsarmisten bis hin zu den verschiedenen Spielarten der Pfingstbewegung – ein strenges, an der wörtlichen Auslegung der Bibel orientiertes Christentum.“

Auch im ersten Sendungsteil werden die Methodisten – ohne genauere Differenzierung oder Beleg – den evangelikalen Gemeinschaften zugeordnet. Als Merkmale dieser Gemeinschaften werden unter anderem enthusiastische Gottesdienste und Wunderheilungen genannt. Dass dies nicht der Realität methodistischer Gottesdienste entspricht, hätte der Autor z.B. leicht durch einen Gottesdienstbesuch in einer EmK-Gemeinde überprüfen können. Ebenso lässt sich durch Lektüre der auf unserer Website veröffentlichten Predigten leicht überprüfen, ob die unterstellten Merkmale einer konservativen Grundhaltung oder einer starken Betonung der Wiederkunft Christi tatsächlich vorhanden sind. Darüberhinaus hätte dem Beitrag auch insgesamt eine – zumindest theologisch notwendige – klarere Unterscheidung zwischen dem Evangelikalismus und der Charismatischen Bewegung / den Pfingstkirchen gut getan.

Historische Einordnung

Der zweite Sendungsteil nennt als historische Ursprünge der Evangelikalen die drei historischen Erweckungsbewegungen des Puritanismus, des Methodismus und des Pietismus. Die Religionswissenschaftlerin Anne Koch, die derzeit einen Gastlehrauftrag in Linz wahrnimmt, schildert einige Merkmale der methodistischen Erweckungsbewegung. Die von ihr dargestellte Resonanz des Methodismus bei den Herrnhutern ist jedoch wohl eher in die entgegengesetzte Richtung verlaufen: Es war John Wesley, der wichtige Impulse durch die lutherisch-pietistisch geprägten Herrnhuter für seinen Glauben empfangen hat, nicht umgekehrt. Beeindruckt durch einen Besuch in Herrnhut selbst, hat er die methodistischen „Klassen“ entwickelt, die jedoch in ihrer Struktur von den pietistischen Konventikeln zu unterscheiden sind. Gleichzeitig fließen in Wesleys Theologie eindeutig Einflüsse des Denkens der englischen Aufklärung ein.

Koch schreibt den Methodisten außerdem eine „Emotionalisierung durch Gesangsbuchfrömmigkeit“ zu. Ähnliches könnte man auch von Lutheranern sagen. Leider geht der wichtige Hinweis von Susanne Heine, emeritierte Professorin der Evangelisch-theologischen Fakultät Wien, auf die große Unterschiedlichkeit der verschiedenen evangelikalen Gruppierungen zu sehr unter.

Einschätzung durch andere Kirchen

Wie die Evangelisch-methodistische Kirche in Österreich derzeit von Vertreter*innen anderer Kirchen und kirchlicher Organisationen wahrgenommen wird, kann beispielsweise den Grußbotschaften entnommen werden, die Vertreter*innen anderer Kirchen und Einrichtungen anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums der EmK Österreich übermittelt haben. Seit der im Jahr 1958 erfolgten Gründungen des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich und des Ökumenischen Jugendrates – bei beiden waren die Methodisten Gründungsmitglieder – gibt es eine gute und langjährige Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, die deutlich macht, dass Methodist*innen eine Abgrenzung gegenüber anderen Konfessionen ablehnen und keinen Anspruch erheben, allein das „wahre Christentum“ zu vertreten.

Bezeichnend ist, dass auch im dritten Sendungsteil, der drei Personen vertieft zu Wort kommen lässt, die ihre Kindheit in "evangelikalen" Gemeinden verbracht haben und sich davon mit therapeutischer Hilfe loslösten, niemand zu Wort kommt, der Ähnliches in einer methodistischen Gemeinde erlebt hat.

Der geistlichen Vereinnahmung vorbeugen

Die Evangelisch-methodistische Kirche im deutschsprachigen Raum ist vielmehr aktiv darum bemüht, jener in der Sendung benannten geistlichen Vereinnahmung entgegenzuwirken. Dies lässt sich beispielsweise an den Leitlinien, nach denen das Kinder- und Jugendwerk der EmK Österreich arbeitet, ersehen.

Über die theologischen Ausbildungswege der Pastor*innen in Österreich informieren die Portraits der einzelnen Personen. Auch die Ausbildung und regelmäßige Fortbildungen der Laienprediger*innen fördern die theologische Kompetenz derer, die im Dienst der Verkündigung stehen. Und die neue Ausbildungsreihe „Menschen gut begleiten“ unterstützt Interessierte, ihre Kompetenz im Umgang mit Menschen zu erweitern.

Die EMK Schweiz führt beispielsweise regelmäßig Schulungen durch, die jeder Form von sexuellem, materiellem und geistlichem Missbrauch vorbeugen sollen. An dieser Stelle sei auch auf „Safe Place to be“ verwiesen, ein Seelsorgenetzwerk der EMK Schweiz für alle Menschen, die sich mit der Frage der menschlichen Sexualität auseinandersetzen.

Auch die EmK Deutschland führt auf ihrer Startseite eine Kontaktstelle gegen Missbrauch und Gewalt und eine Kontaktstelle verschiedene L(i)ebensweisen an.

Unter dem Titel "Do no more harm" gibt es außerdem in der United Methodist Church (UMC) der USA eine Präventionskampagne gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche. Sie wurde ausgearbeitet von der General Commission on the Status and Role of Women of the UMC.

In diesem Sinne finde ich es sehr bedauerlich, dass der Methodismus durch diesen Radiobeitrag mit einer Form der Frömmigkeit in Verbindung gebracht wurde, die ihm nicht entspricht. Wer den Methodismus wirklich kennenlernen möchte ist herzlich eingeladen, einen Gottesdienst in einer unserer Gemeinden zu besuchen! Seien Sie herzlich willkommen!

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