Chalupka: Nächs­ten­lie­be als „Stand­ort­be­stim­mung der eigenen Mensch­lich­keit“

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Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich in Wiener koptischer Kirche

Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich in Wiener koptischer Kirche

Im Zeichen der christlichen Gemeinschaft und Nächstenliebe stand am Donnerstagabend der zentrale Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen. Der ökumenische Gottesdienst fand in der koptisch-orthodoxen Kirche „Maria vom Siege“ am Wiener Gürtel statt. Die Predigt hielt der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka. „Nächstenliebe ist der Ernstfall und Lackmustest der Menschlichkeit“, sagte Chalupka. Musikalisch wurde der Gottesdienst u.a. von einem Chor koptischer Diakone und einer Chorgruppe der eritreischen Gemeinde mitgestaltet.

Am Beginn des Gottesdienstes wurde beim feierlichen Einzug der Liturginnen und Liturgen neben Kreuz und Evangeliar auch eine Kalebasse zum Altarraum gebracht. Im afrikanischen Burkina Faso, dem Land, aus dem die Gebete des Gottesdienstes stammten, werden Kalebassen – getrocknete Flaschenkürbisse – dazu verwendet, um Wasser aufzubewahren und mit Gästen zu teilen, wie die methodistische Pastorin Esther Handschin eingangs erläuterte.

Kirchen haben Aufgabe, „überfließende, überschießende Liebe Gottes spürbar werden zu lassen“

Chalupka bezeichnete Nächstenliebe in seiner Predigt als spontanen Impuls, „Menschen in Not zu helfen, wer immer sie auch sind, wor immer sie auch herkommen“. Nächstenliebe sei keine Abstandsmessung, „sondern eine Standortbestimmung der eigenen Menschlichkeit“. Sie speise sich dabei aber „aus der einen Liebe, der Liebe Gottes, die uns geschenkt ist, die uns nährt und tröstet und Hoffnung gibt“. Gottes Liebe sei ein unverdientes Geschenk, so der Bischof: „Gott beschenkt uns, damit wir im Rahmen unserer Möglichkeiten selber Schenkende werden können.“

Martin Luther spreche in dieser Hinsicht immer wieder vom „Fließen“, um diese Dynamik zu beschreiben. Ein Fluss fließe immer in dieselbe Richtung: „Gaben-Fülle und Liebe fließen immer in dieselbe Richtung: von Gott zu uns und von uns weiter zu unseren Nächsten.“

Ein Bild für dieses Fließenlassen der Gaben-Fülle finde sich bei Bernhard von Clairvaux. Dieser unterscheidet zwischen Kanal und Schale: Beim Kanal rinne das Wasser mehr oder weniger durch. Der Kanal nehme das Wasser auf und gebe es gleich weiter. Anders die Schale, die das Wasser sammle, bis sie voll ist und erst dann überströme. Der lutherische Bischof zitierte den hl. Bernhard: „Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter. Lerne auch du, aus der Fülle auszugießen.“

Freilich: Aus der Haltung der Beschenkten heraus zu leben, sei heute alles andere als selbstverständlich in einer Leistungsgesellschaft, „in der wir gewohnt sind, das, was wir sind und haben, uns als unseren eigenen Verdienst anrechnen. Und in der wir – das ist die andere Seite der Medaille – denen, die nichts haben und sind, das als persönliches Versagen zuschreiben.“

Abschließend unterstrich Chalupka in seiner Predigt nochmals die Aufgabe der Kirchen, „die überfließende, überschießende Liebe Gottes spürbar werden zu lassen“. Wörtlich hielt der Bischof fest: „Die Fülle will erlebt werden, deswegen tun wir das in all unserer Vielfalt, in unseren verschiedenen Gewändern und Traditionen, in all unseren Sprachen, Liedern und Gebeten. Wenn auch die Ökumene keine andere Aufgabe hat als die Liebe Gottes zu empfangen und der Welt weiterzugeben, so hat sie ihre Aufgabe erfüllt.“

Feier mit zahlreichen Vertreter*innen der Kirchen

Am Gottesdienst wirkten außer Chalupka u.a. der armenisch-apostolische Bischof und Vorsitzende des ÖRKÖ, Tiran Petrosyan, die altkatholische Bischöfin Maria Kubin, der methodistische Superintendent Stefan Schröckenfuchs, der römisch-katholische Domdekan Rudolf Prokschi, der anglikanische Kanonikus Patrick Curran, der syrisch-orthodoxe Chorepiskopus Emanuel Aydin, die methodistische Pastorin Esther Handschin, der rumänisch-orthodoxe Pfarrer Florin Razvan Gasca, P. Mykola Lesiuk von der ukrainischsprachigen Gemeinde der Metropolis von Austria, Hirte Walter Hessler von der Neuapostolischen Kirche und Pastor Walter Klimt von den Baptisten mit. Die gastgebende Koptische Kirche war u.a. durch die Patres Lukas Daniel, Theodor Elanba Antonius und Schenouda Asaad vertreten.

Kollekte für Afrika

Die Kollekte beim Gottesdienst war für das Spendenprojekt 2024 des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich bestimmt: für eine christlich-muslimische Entwicklungsinitiative im Terror-geplagten Norden Burkina Fasos. In der Sahelzone von Burkina Faso setzen sich Christen und Muslime im Rahmen der Entwicklungsprogramms „Geschwisterlichen Vereinigung der Gläubigen von Dori“ („Union Fraternelle Des Croyants“, UFC) seit mehr als 50 Jahren gemeinsam für nachhaltige Landwirtschaft, Aufforstung und verschiedene Techniken der Wassergewinnung ein. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung der Region beteiligen sich an dem interreligiösen Projekt.

Die Kirche Maria vom Siege im 15. Wiener Gemeindebezirk wurde 2015/16 von der Erzdiözese Wien an die Koptisch-orthodoxe Kirche in Österreich übergeben. Inzwischen wurde die Kirche im Inneren ein wenig an die Traditionen der Koptischen Kirche angepasst.
aus: epd Österreich

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