Bürgermeister Ludwig: Gemeinsame Erarbeitung einer „Wiener Grundsatzerklärung“ geplant
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
Bürgermeister Ludwig: Gemeinsame Erarbeitung einer „Wiener Grundsatzerklärung“ geplant
Der Wiener Religionsrat hat sich bei seiner Sitzung am Mittwoch, 19. Februar, im Rathaus klar zur Förderung des interreligiösen Dialogs und des sozialen Zusammenhalts bekannt. Bürgermeister Michael Ludwig, der den Rat vor zwei Jahren initiiert hat, unterstrich die Bedeutung des Gremiums als Plattform des Austausches auf Augenhöhe. Zudem wurde eine gemeinsame Erarbeitung einer „Wiener Grundsatzerklärung“ vereinbart. Rund 40 Vertreter*innen der in Wien ansässigen Kirchen und Religionsgemeinschaften nahmen an dem Treffen teil.
„Ich setze mich für ein friedliches Miteinander in unserer Stadt ein, und der Religionsrat ist ein wesentliches Forum, das diesen Austausch ermöglicht“, wird Ludwig dazu in einer Aussendung der Stadt Wien zitiert. Angesichts aktueller Herausforderungen – insbesondere der jüngsten islamistischen Anschläge in Villach und Deutschland – sei es umso wichtiger, jene Kräfte zu stärken, die den Dialog priorisieren, so der Wiener Bürgermeister weiter. Er forderte die Religionsgemeinschaften auf, die Ursachen solcher Entwicklungen zu erforschen und Maßnahmen zur Bekämpfung extremistischer Inhalte, insbesondere in sozialen Medien, zu diskutieren.
Evangelische Kirchen: Brücken statt Spaltung
Auch der evangelisch-lutherische Superintendent Matthias Geist betonte die Bedeutung des interreligiösen Dialogs: „Wir möchten Brücken bauen, die verbinden, und setzen uns gegen Signale in unserem Land ein, die ausgrenzen, spalten oder verletzen.“ Er danke dem Bürgermeister von Wien, dass er den Raum im Wiener Rathaus für die Begegnung aller Religionsgemeinschaften öffnet „und damit in herausfordernden Zeiten ein Zeichen setzt“, sagte Geist im Anschluss an das Treffen. Der Religionsrat sei ein Zeichen des Friedens, das nicht nur den eigenen Standpunkt und Glauben bedenke, sondern das Miteinander suche. „Als Evangelische in Wien sind wir dazu bereit und hoffen auf Begegnung auf Augenhöhe“, so Geist weiter. Man wolle Brücken bauen und verbinden, als Zeichen „gegen jene Signale in unserem Land, die ausgrenzen, spalten, diffamieren und verletzen“.
„In aller Ohnmacht und Fassungslosigkeit zuletzt über den Terroranschlag in Villach, aber auch über andere Macht und Gewalt in Österreich und auf der Welt“ seien sich hier die Religionsvertreter*innen „sehr einig geworden“: Man wolle zueinander stehen, aufeinander zugehen und füreinander einstehen. „Glaube, Hoffnung und Liebe sind die drei, die den Hass überwinden und eine neue Saat der Offenheit und Freundschaft aufgehen lassen können“, unterstrich der Wiener Superintendent. „Gerade jetzt braucht es diese Haltung, diese Worte, diese Begegnungen.“
Hennefeld: Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt
Auch der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld zeigte sich dankbar über das Treffen im Rathaus. Der Religionsrat in Wien ist für ihn „ein starkes Zeichen, dass nicht nur Vertreter und Vertreterinnen von Religionsgemeinschaften sich eigenständig zusammenschließen, sondern dass diese Zusammenarbeit auch von der Politik erwünscht und gefördert wird“, so Hennefeld in seiner Stellungnahme. In Zeiten, in denen Religionen oft als gewalttätig oder überflüssig wahrgenommen würden, seien auf allen Ebenen Plattformen und Foren des Austausches sowie Ideen für gemeinsame Projekte wichtig.
Der Religionsrat mache auch deutlich, „dass die Religionsgemeinschaften einen Platz in der Gesellschaft haben und einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten können“. Angesichts des Terroranschlags in Villach sei es wichtig, dass Religionen gemeinsam gegen Hass, Gewalt und extremistische Ideologien vorgehen und gleichzeitig einander mit Respekt und Wertschätzung begegnen, betonte Hennefeld. „Wir brauchen auch die Solidarität untereinander und die Zurückweisung aller Pauschalurteile, die eine bestimmte Religionsgemeinschaft für religiös motivierte Verbrechen verantwortlich macht.“
Schröckenfuchs: Sichtbares Zeichen gegen eine „Ich-Zuerst“-Ideologie
„Es ist eine sehr gute Sache, dass Bürgermeister Michael Ludwig die Religionsgemeinschaften in der ganzen, in Wien vertretenen Bandbreite eingeladen hat“, bekräftigte im Anschluss Stefan Schröckenfuchs, Superintendent der Evangelisch-methodistischen Kirche. Die Vielfalt zeige die Pluralität, „die wir in Wien leben und erleben“. Die Welt sei voll von Konflikten und Spannungen, „und immer wieder werden auch Konflikte, die ihren Ursprung in anderen Ländern haben, in unsere Stadt hereingetragen“. Gute Beziehungen zwischen den Vertreter*innen der Religionen untereinander und zur Stadtpolitik könnten hier sowohl präventiv wie auch in Krisensituationen hilfreich sein.
Wichtig ist es ihm, „dass die Religionen ein gemeinsames Zeichen setzen, dass es niemals darum gehen kann, nur sich selbst im Blick zu haben, den eigenen Standpunkt oder den eigenen Vorteil zu suchen“, unterstrich Schröckenfuchs. Vom Religionsrat erhoffe er sich daher, dass er auch ein sichtbares Zeichen gegen eine „Ich-Zuerst“-Ideologie sein könne.
Einheit trotz gesellschaftlicher Herausforderungen
Dariusz Schutzki, der das Vikariat Stadt der Erzdiözese Wien beim Wiener Religionsrat vertrat, bezeichnete das Zusammenkommen als wichtigen Schritt, „um gesellschaftliche Gruppen zusammenzubringen, statt Grenzen aufzurichten“. Als Vorbild für den interreligiösen Dialog hob Schutzki die „Wiener Erklärung“ hervor, die Kardinal Christoph Schönborn, Oberrabbiner Jaron Engelmayer und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Ümit Vural, Anfang Jänner unterzeichneten. Darin bekennen sich die Religionsgemeinschaften zum friedlichen Zusammenleben und zur gemeinsamen Verantwortung für die Gesellschaft.
Ein weiteres Anliegen des Religionsrats ist die strukturelle Verankerung der Zusammenarbeit zwischen Politik und Religionsgemeinschaften. Schutzki sprach sich dafür aus, alle gesellschaftlichen Ebenen einzubeziehen, von der Bezirksebene bis zu zentralen Plattformen wie der Spitals- und Gefängnisseelsorge. Zudem bekräftigte er das Bekenntnis zum „Campus der Religionen“ als Ausdruck eines respektvollen Miteinanders.
Wiener Grundsatzerklärung geplant
Eine zentrale Entscheidung der Sitzung war die Verständigung zu einer „Wiener Grundsatzerklärung“. Diese soll Themen und Prinzipien festhalten, die ein respektvolles Miteinander und den interreligiösen Dialog fördern. Bürgermeister Ludwig verwies dabei auch auf bundespolitische Entwicklungen, wie die zwischenzeitlich diskutierte Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Kirchenbeiträgen oder mögliche Verschärfungen des Islamgesetzes. Solche Maßnahmen „hätten das Potenzial gehabt, das gute Miteinander auch in Wien zu gefährden“.
Der Wiener Religionsrat, der mindestens zweimal jährlich tagt, wird die „Wiener Grundsatzerklärung“ in den kommenden Monaten weiter ausarbeiten. Ziel ist es, eine breite Basis für interreligiöse Zusammenarbeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen, hieß es. Abschließend betonten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass der Religionsrat keine parteipolitische Veranstaltung sei, sondern eine Plattform für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
aus: epdÖ