How to teach/ learn? Wie lehren/ lernen wir?

Glaubensimpuls

Bild von Dorothee Büürma
Dorothee Büürma

Pastorin, Kinder- & Jugendwerk


Die Eröffnungspredigt der Jährlichen Konferenz 2021 zu Psalm 37, 1-6 und Lukas 6, 31-35 & 43-45: 

Liebe Geschwister im Glauben, liebe Methodist*innen,

"Wer hätte das gedacht?"
Diese Frage hat mich in der Vorbereitung auf die Jährliche Konferenz viel beschäftigt. 

Vor etwa 2 Jahren durfte ich zum ersten Mal die EmK Österreich kennenlernen - auf der Jährlichen Konferenz in Graz. Und im Laufe der Monate war die Freude des Kennenlernens und des Ankommens in Österreich für mich groß. 

Dann überraschte uns alle die Pandemie. Und nun bin ich schon länger mit Pandemie in Österreich als ohne! Wer hätte das noch vor 2 Jahren gedacht?

Und wenn wir auch nur irgendeine Ahnung von dem, was kommen würde, gehabt hätten, was hätten wir nicht alles anders gemacht… Jedenfalls hätten wir damals schon gewusst, dass sich die 3 Fragen für die 3 Konferenzjahre ab 2019 zum Jubiläumsjahr nicht ausgehen würden! 

Und so steht dieses Jahr die Frage „How to Teach“, also, „Wie lehren wir“ im Mittelpunkt. Oder besser gesagt: „Wie lernen wir?“ Denn auch das ist uns im vergangenen Jahr stärker bewusst geworden: unsere Gemeinschaft im Glauben besteht nicht strikt aus Lehrenden und Lernenden - also einerseits aus Menschen, die schon alles Wichtige wissen, und andererseits aus Menschen, denen dieses Wissen erst vermittelt werden muss. Ganz im Gegenteil - der Glaube ist ein lebenslanger Lernprozess, auf dem wir uns gemeinsam befinden. Er ist eine Lerngemeinschaft, die sich dazu entschieden hat, miteinander auf dem Weg zu sein. 

Ich jedenfalls bin dankbar, dass ich mich dieser Lerngemeinschaft anschließen durfte. Seit fast 1 Jahr bin ich selbst auch Methodistin - wer hätte das gedacht… Wobei ich euch einen kurzen Einblick in meine Biografie geben möchte: Mir ist nämlich (rückblickend) aufgefallen, dass die Methodisten an allen meinen Umzügen in neue Länder ausschlaggebend beteiligt waren:  

im Jahr 2006 zog ich nach dem Abitur von Süddeutschland nach Manchester in Großbritannien - um dort in einer britischen Methodistenkirche ein freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren. Die Gemeinde und ihr Glaube waren ein wichtiger Faktor in meiner Entscheidung nach dem Jahr nicht zurück nach Deutschland zu kehren um dort Theologie zu studieren, wie das schon meine Vorfahren alle ganz brav in Tübingen getan hatten. Stattdessen schlug mir der Pastor ein ökumenisches theologisches College zum Studium vor und so fand ich meine theologische und persönliche neue Heimat in Großbritannien und schließlich in der United Reformed Church dort. 2013 wurde ich zur Pastorin ordiniert und durfte einen Bezirk von 5 Gemeinden im Osten von London betreuen. Bis Gott mir einen neuen Weg bereitete, der mich im Jahr 2019 nach Salzburg und in die EmK Österreich führen sollte. Wieder ein Umzug in eine neue Heimat durch die methodistische Kirche. Und Gott sei Dank dafür!

Doch: hätte ich das alles gewusst, hätte ich vielleicht etwas mehr Wesley gelesen im Studium!

An meiner eigenen Lebensgeschichte im Glauben ist mir bewusst geworden, dass das Lernen auch nach dem offiziellen Studium noch nicht beendet ist. Dass auch ich weiterhin sowohl Lernende als auch Lehrende bin. 

Wir Kolleg*innen in der EmK Österreich haben durch die Pandemie eine unerwartete pädagogische Fortbildung erhalten: wie lehren wir und wie lernen unsere Gemeinden, wenn wir uns nicht treffen können? Die Frage „how to teach“ kam uns plötzlich unvorhergesehen ganz nah. Die sichere Antwort ist, dass unterschiedliche Persönlichkeiten unterschiedliche Lernstile haben und unterschiedliche Interessenfelder. Dass wir alle unseren Platz im neuen Lernfeld finden mussten. Und dass unsere Lernbegeisterung, dank ständiger Ermutigung durch den Superintendenten, Kreativität auslösen würde, die sich auf die zukünftige Ausrichtung unserer Kirche auswirken würde. 

So wurden innerhalb vergleichsweise kürzester Zeit Online-Gottesdienst-Formate geschaffen. Wir wurden gleichzeitig zu Tontechnikerinnen und Webdesignern, zu Podcast-Moderatorinnen und Bloggern. Esthers hymnologisches Fachwissen erreichte Menschen weit über den Horizont unserer Kirche hinaus und unsere Gottesdienste werden seit über einem Jahr international besucht. Und wer hätte je gedacht, wie einfach es ist, Menschen Predigten nach Hause zu schicken, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und sonntags nicht einfach zur Kirche kommen können…

Wie wir lernen hängt immer auch von unserem Umfeld ab.

Wenn uns das Gelernte Spaß macht (Stichwort: Kollektensau!), dann ist das ansteckend. Der Psalmist ermutigt uns geradezu mit den Worten: „Hab deine Freude an dem Herrn!“ Immer wieder ist diese Freude in unserer Kirche auch öffentlich sichtbar geworden. Und diese Freude zu teilen, kann gerade in schwierigen Zeiten Kraft schenken. In Salzburg hat das Ehepaar Schwarz einen neuen Auftrag entdeckt: täglich die Gemeinde mit einem Morgengruß aus Fotos und Bibelversen oder Segensworten zu ermutigen. Dieser anfangs spontane  Dienst hat inzwischen eine ganze Fotobuch-Serie ins Leben gerufen, die zugunsten der Missionsprojekte verkauft und verschenkt wird und weiteren Menschen Trost und Lichtblicke bringt.

Der Evangeliumstext, den wir vor der Predigt gehört haben, spricht bildhaft von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Ausrichtungen im Leben: „Jeden Baum kann man an seinen Früchten erkennen: Von einem Dornbusch kann man keine Feigen pflücken und von Gestrüpp keine Trauben ernten.“

Botanisch gesprochen: wer Obst ernten will, muss Obstbäume pflanzen. Doch als Versteck für kleinere Tiere (wie Mäuse, Ratten, Igel etc.) sind Obstbäume nur bedingt geeignet - viel besser eignet sich da wildes Gestrüpp, vielleicht sogar mit Dornen, die größere Feinde abhalten können. 

Was eine Gärtnerin (oder ein Hobbygärtner) anpflanzt, das wird an der Stelle unter guten Bedingungen auch wachsen. 

Wie wir lehren und lernen, davon hängt also im übertragenen Sinn ab, was unser Lernen bewirkt.

In der Vorbereitung auf die Jährliche Konferenz haben wir uns in den Gemeinden gefragt, was für eine Kirche wir in 15 Jahren sind. Das hängt natürlich auch davon ab, welche Samen wir jetzt säen und wie wir sie pflegen, damit sie wachsen und gedeihen und in 15 Jahren zu den Pflanzen geworden sind, die wir dann brauchen. 

Das Beispiel von John Wesley kommt mir an dieser Stelle in den Sinn. Der studierte Theologe und ordinierte anglikanische Priester Wesley hatte sich voller Enthusiasmus mit vielen Glaubens-Samen im Gepäck auf die missionarische Reise nach Amerika gemacht. Er wusste, was er dort lehren wollte und hatte sich gründlich vorbereitet. Ihm wurde jedoch schmerzhaft bewusst, dass seine Samen für den Boden dort nicht geeignet waren. Dass er zwar eine ganz bestimmte Vorstellung des richtigen Glaubens und Lebens hatte, die aber bei den Siedlern wenig Anklang fand. Was er lehren wollte war durchaus wichtig, doch die Art und Weise wie er kommunizierte, war nicht immer gewinnbringend. Erst die Rückkehr nach England und das Aha-Erlebnis in Aldersgate veränderten sein Leben und seinen Dienst. Wer hätte das gedacht! 

Die Wucht der guten Nachricht scheint uns Menschen immer wieder unvorbereitet und unerwartet zu treffen. Sie zwingt uns aus dem Alltagstrott, sie zerschmettert unsere Rituale und Strukturen, und sie offenbart neues Wachstum, das wir in unserer erstarrten, einseitigen Sicht vielleicht nie wahrgenommen hätten.

Ein afghanisches Gemeindeglied in Salzburg hat das im eigenen Leben erfahren und durch seine Lebensgeschichte der Gemeinde zu denken gegeben:

Auf der Flucht vor Verfolgung und Morddrohungen gelangte er als, seines Wissens getreu, minderjähriger Flüchtling nach Österreich. Über verschiedene Wege fand er zum christlichen Glauben und zu unserer Gemeinde. Seine Erwartungen und Hoffnungen auf Asyl wurden immer wieder zerschlagen - mit den kuriosesten Begründungen. Doch anstatt zu verzweifeln, schaffte es der junge Mann immer wieder, seine Hoffnungslosigkeit durch den Glauben zu überwinden. Obwohl er seit 6 Jahren in Österreich auf Asyl wartet, ist er als Mensch gereift und gibt seinen Glaubensgeschwistern in unserer Gemeinde Kraft und Mut. 

„Jeden Baum kann man an seinen Früchten erkennen“ - und wie schön ist es, wenn wir solche Früchte wachsen sehen! Eines Tages wird hoffentlich auch das BFA die Früchte erkennen und den Baum an seinem guten Standort weiterhin wachsen lassen.

Wie lehren wir? Jedenfalls nicht mit einer „one size fits all“-Lösung. 

Sondern ganz im Gegenteil, wir lernen interaktiv und integrativ voneinander und miteinander. „Wohne im Land“, sagt der Psalmist. Wir lernen als Teil einer Gemeinschaft, durch Vertrauen, durch gute Taten und durch Treue. „Verbindlichkeit“ ist ein methodistischerer Begriff für dieses Lernen und Leben als Teil der Gemeinde. Im Mittelpunkt unseres Lernens und Lehrens ist Gott selbst. Denn unsere Gerechtigkeit leuchtet durch Gott und unsere Rechtschaffenheit strahlt hell in ihm. „Er wird es schon machen“!

Wenn wir unsere innere Schatzkammer im Herzen mit Gottes Schätzen füllen, dann werden wir Gutes hervorbringen. Dann erkennt man auch uns an unseren Früchten. 

Was sind solche Früchte? Jesus nennt im Evangeliumstext selbstlose Liebe und grenzenlose Großzügigkeit. 

Wie lernen und lehren wir, um diese Früchte gedeihen zu lassen?
Durch das Leben und aus der Erfahrung. In der Pädagogik würde man es auch Nachahmung nennen. Was wir selbst immer wieder bewusst tun wollen, das färbt auf unsere Mitmenschen ab und das verändert auch uns selbst in unserer Haltung.

 

Ein abschließendes Beispiel aus dem Alltag von Pastor Martin und seinem Sohn Frederik:

MARTIN:

„Ich hab gesehen: Frederik isst sehr schnell. Er stopft sich das Essen regelrecht in den Mund. Immer hat er schon ein neues Stückchen Brot in jeder seiner Hände, obwohl er noch nicht einmal richtig gekaut hat. Schon sorgt er für Nachschub und steckt sich ein neues Stück in den Mund.
Ich hab mir gewünscht: Frederik soll doch bitte langsamer essen, besser kauen, in Ruhe essen (Warum? Weil es gesünder ist und sein Essverhalten auch mich etwas gestresst hat.)
Ich habe erklärt, was ich mir wünsche und warum.
Ich musste aber erkennen: Ich selbst neige dazu, in Situationen in denen ich angespannt bin, schnell zu essen. Ein Teil von Frederiks Essverhalten geht sicher auch auf mein Vorbild zurück.
Zunächst dachte ich also, ich müsste Frederik etwas lehren/beibringen, dann habe ich gemerkt: Ich selbst muss etwas lernen, wenn ich ein gutes Vorbild sein möchte.“

Wie also lernen wir? 
Indem wir als Lernende in Christus verwurzelt bleiben und seinen Wegen folgen.
Er befreit uns von dem, was uns zurückhält und gibt uns die Kraft, gute Früchte hervorzubringen. 

Das Beste von allem: „Vertrau auf Gott! Er wird es schon machen."
Amen.

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