Im Anfang war: das Leben – eine Weihnachtspredigt zu Johannes 1
Glaubensimpuls
Pastorin, Kinder- & Jugendwerk
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
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In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Das Johannes-Evangelium beginnt mit einer wunderbar poetischen Weihnachtsgeschichte. Jedes Jahr spricht sie mich wieder besonders an.
Die Weihnachtsgeschichten in den Evangelien Matthäus, Markus und Lukas
Bei den Erzählungen der Geburt Jesu in den Evangelien von Matthäus und Lukas finden wir ausführliche Stammbäume von Josef beziehungsweise Maria, dann eine gewisse Hintergrundgeschichte und Ortsbeschreibung und jeweils noch Fremde, die die Geburt Jesu als etwas Besonderes bezeugen.
Bei Markus ist gar nichts dergleichen. Er beginnt sein Evangelium mit der Tatsache, dass Jesus, der Sohn Gottes, von Johannes getauft wurde (und diese Taufe war ja nicht wie bei uns oft üblich eine Kindertaufe, sondern da war Jesus schon erwachsen).
Die Weihnachtsgeschichte im Johannes-Evangelium
Johannes ist da ganz anders. Er ordnet den Sohn Gottes nicht in die irdische Geschichte vom Volk Gottes ein, sondern in Gottes Ewigkeit.
Deswegen spricht er nicht von Vorfahren oder Zeugen oder überhaupt der Geburt eines Kindes – nein, Johannes schreibt zum einen sehr poetisch und zum anderen auf einer abstrakteren, philosophischeren Ebene.
Das Heilsgeschehen, das mit Jesus beginnt, ist von Ewigkeit und gilt in alle Ewigkeit.
„Im Anfang war das Wort“ – da geht es nicht um einen zeitlichen Anfang, wie etwa einen historischen Beginn der Schöpfung oder wie man heute vielleicht sagen würde, den Zeitpunkt eines Urknalls.
Nein, der Ausdruck „im Anfang" zeigt, dass das Wort, "ho logos" im Griechischen, aller Zeitgeschichte übergeordnet ist. Dass es Gottes Wirken in Zeit und Ewigkeit ist.
Das Wort wird dann noch genauer definiert: „In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen“.
Das klingt nochmal ganz anders, als die Beschreibung „Gottes Sohn war aus Nazareth in Galiläa und kam in Bethlehem zur Welt“. Während die anderen Geburtsgeschichten Jesu in der Bibel sich um möglichst viele Einzelheiten bemühen, damit ja alle sehen können, das er wirklich gelebt hat, definiert das Johannesevangelium auf einer zeitloseren Ebene.
Und ich frage mich: Was lohnt es sich für uns heutzutage zu feiern?
Die traditionell bekanntere Weihnachtsgeschichte ist sicher eine Mischung aus den Erzählungen von Lukas und Matthäus. Wir sehen das ja an unseren Krippenszenen, die wir aufstellen: Da haben wir normalerweise einen Stall oder eine Felsenhöhle, in dem Maria, Josef, das Jesuskind, Hirten, Schafe, (manchmal auch Ochs und Esel) zu finden sind und oft gleich auch noch drei orientalische Könige mit Kamelen und Stern.
Die Erzählungen über die Geburt Jesu in Bethlehem haben ja auch eine gewisse Dramatik und zeugen von Gottes Zuneigung zu Menschen, die ausgegrenzt wurden und sich nun bei der Geburt von Gottes Sohn im Zentrum finden dürfen.
In meiner Weihnachtspredigt vom Heiligen Abend habe ich über die Störungen in der Weihnachtsgeschichte von Lukas gepredigt und darüber, dass sich Gott immer wieder in Störungen des Alltags offenbart. Ihr könnt sie gern nachlesen auf unserer Homepage; ich habe ihr den Titel „Störung hat Vorrang“ gegeben.
Aber zurück zu Johannes und zu uns. Er beschreibt das ewige Wort, das Leben und Licht ist. Über das Licht in der Finsternis habe ich im Advent schon einmal ausführlich gepredigt – auch die Predigt kann man noch nachlesen.
In ihm war: das Leben
Ich möchte heute daher bei der ersten Beschreibung ein bisschen verweilen: „in ihm war das Leben…“
Gott wird als das Leben selbst beschrieben.
Und wenn wir diese Definition so ernst nehmen würden wie die der göttlichen Kindesgeburt, dann denke ich, dass unsere Weihnachtsbotschaft Menschen vor allem in unseren westlichen Kulturkreisen noch einmal ganz anders ansprechen und berühren könnte.
Das Leben ist etwas Wertvolles, Kostbares, das es zu schützen lohnt. Ich denke da an die jahrelangen Debatten über Abtreibung oder Sterbehilfe. Vor dem Leben haben wir doch meistens Respekt. Unsere Ärztinnen und Ärzte arbeiten nach dem Grundsatz, dass das Leben erhalten bleiben muss, mit allem Kraftaufwand.
Lebendig zu sein ist etwas Positives.
Wenn das Leben gefeiert wird
Das Leben lohnt es sich zu feiern. Deswegen genießen wir ja auch Rituale, die bestimmte Etappen des Lebens besonders zelebrieren. Heutzutage fängt das schon mit der Babyshower vor der Geburt eines Kindes an, dann mit Geburtstagen und ab und zu noch Taufe oder anderen ähnlichen Ritualen, dann natürlich später die runden Geburtstage und Jubiläen, Hochzeiten und schließlich Verabschiedungen am Ende des Lebens.
Das Leben unserer geliebten Mitmenschen ist uns Menschen generell viel wert.
Und auch das eigene Leben mit seinen Bedürfnissen und Rechten steht immer mehr im Vordergrund unserer Gesellschaft. „Weil du es dir wert bist“ hört man in der Werbung, oder „gönn dir was“. Zur Ermutigung der Kinder und jungen Menschen sagt man gern: „Lern was, dann wird etwas aus dir“. „Mach was aus deinem Leben“.
Wir haben generell das Gefühl, dass wir unser Leben in der Hand haben und es nur richtig steuern müssen, damit unser Leben ein gutes Leben ist.
Und wer kein gutes Leben hat (in den Augen der Beobachtenden), der hat es selbst vermasselt – oder nicht?
Wenn das Leben anders ist als erwünscht
Auch in diesem Jahr habe ich in der Adventszeit immer wieder Gespräche geführt mit Menschen, die im Leben aus ihrer eigenen Sicht gescheitert sind.
Weil sich der eigene Lebensentwurf trotz aller aufgewendeten Kraft nicht so ausging wie erwünscht. Weil geliebte Menschen sich für Wege entschieden haben, die man selbst entweder nicht nachvollziehen oder nicht mitgehen kann.
Oder weil Schicksalsschläge die eigene Machtlosigkeit gezeigt haben und sich der gescheiterte Mensch nun fragt: Bin ich daran schuld, dass aus meinem Leben nicht das geworden ist, was ich erreichen wollte?
Auch schwere Krankheitsdiagnosen lösen oft zumindest unterbewusst Schuldgefühle aus: Hab ich das meinem Lebensstil zuzuschreiben, dass ich diese Diagnose erhalten habe? Habe ich also mein Leben selbst kaputt gemacht?
Wenn das Leben nicht mehr so perfekt scheint, wie es uns verkauft wird, dass es sein sollte oder könnte, dann fallen wir Menschen in Krisen.
Und mit diesen Krisen gehen wir natürlich individuell ganz unterschiedlich um. Es ist aber zu beobachten in unserer Gesellschaft, dass Krisen sich verstärken, je mehr sich unser Leben nur um uns selbst dreht. Das Ergebnis sind Scham, Schuldgefühle, Gewalt oder eine höhere Suizidrate.
Ist das Leben wirklich nur das, was WIR daraus machen?
Wir haben einen entscheidenden Punkt der Weihnachtsbotschaft des Johannes nicht ernst genommen: In IHM war das Leben!
Das Leben gelingt nicht aus eigener Kraft allein.
Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen eine gewisse ermutigende Vernetzung zu anderen, um nicht in Krisen zu scheitern.
Aber wir brauchen auch den Blick von uns weg und zur Ewigkeit hin.
Unser Leben und die ganze Schöpfung findet Halt in Gott. In ihm ist das Leben und dieses Leben ist das Licht in der Finsternis.
Es ist wichtig, das eigene Leben im größeren Zusammenhang der Menschheit zu sehen.
Es ist wichtig, sich für ein gemeinsames Leben in IHM, der das Wort ist, bereit zu erklären und diesem Leben immer wieder Bedeutung zu schenken.
Heute feiern wir in der EmK Salzburg das Bekenntnis zum Glauben, das die Familie Kelley seit vielen Jahren gemeinsam trägt und das sie zu unserer Gemeinde geführt hat.
Sie haben sich entschieden, ihr Leben im Glauben mit uns zu teilen. Und sie teilen natürlich auch ihre Gaben und ihr musikalisches Talent. Es ist eine Freude, wenn die Gemeinschaft wächst und das lebendige Wort unter uns spürbar ist – in unserem Gemeinde-Leben.
Gott ist ein Gott des Lebens – Gott ist das Leben
Im Anfang war – das Leben!
Und auch am Ende des Johannesevangeliums ist das Leben, das selbst der Tod nicht aufhalten kann.
In alle Ewigkeit ist das Leben, denn es kommt von Gott selbst.
Es kommt aus der Ewigkeit und wird in die Ewigkeit gehen.
Wenn das keine Freudenbotschaft ist!
Feiern wir also diese Weihnachten Gott, der mit uns ist.
Gott, der unser Leben ist.
Gott, in dem unser Leben erfüllt wird – immer wieder.
Halleluja!