In der *Stille* liegt die Kraft!

Glaubensimpuls

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Dorothee Büürma

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine Predigt zu 1. Könige 19,1-15 und Offenbarung 3,14-22

Liebe Gemeinde,
Ich habe mir heute einmal die Lesung aus dem Alten Testament als Basis für die Predigt ausgewählt. Für Christen und Christinnen sind zwar oft die Texte aus den Evangelien und den Briefen des Neuen Testaments wichtiger, weil sie uns von Jesus Christus erzählen, aber es tut auch gut, wenn wir uns ab und zu bewusst machen, welche Schriften Jesus in seinem Dienst als Rabbi, als Lehrer, kannte und als Grundlage für seine Lehren verwendete.

Das Leben des Propheten Elija (ein grober Überblick)

Ich möchte den Text der Lesung zunächst in ihrem Kontext erklären:

Heute haben wir einen Teil der Geschichte vom Propheten Elija gehört, der im 9. Jahrhundert vor Christi Geburt lebte. Er kam aus dem damaligen Nordreich Israel, aus einer Gegend, in der Menschen ohne Grundbesitz lebten. In der Gegend herrschte ein sogenannter Gott Baal von Tyrus, der dem Land viel Regen und somit fruchtbare Ernten schenkte. Die Bevölkerung betete ihn an.
Der Name Elija zeigt schon, dass dieser Prophet anders war: Elijahu – JHWH/ Der Herr ist mein Gott!    
Elija wanderte viel umher und hat verschiedene Wunder mit Gottes Hilfe getan:
Er erweckte einen Toten zum Leben; er schenkte einer hungrigen Frau Mehl und Ölvorräte, die nie ausgehen; er brachte nasses Feuerholz mit Gottes Hilfe zum Brennen, und beendete eine Zeit der Dürre im Land.
Trotz all dieser Wundertaten – oder vielleicht genau wegen diesen Taten und wegen seinem Glauben an JHWH, den Gott Israels – wurde Elija von den Mächtigen im Land verfolgt. Auch hier wurde sein Leben mit Gottes Hilfe gerettet.

Doch der heutige Text zeigt uns: Elija ist ausgelaugt. Die vielen Wunder, die Verfolgungen, der Druck und die Belastung werden ihm zu viel.
Er ist ausgepowert. Er kann nicht mehr. So legt er sich unter einen Busch und möchte nur noch sterben.
Elija steckt in einer Art Depression oder Burn-Out fest. Aus eigener Kraft kommt er nicht weiter.
Doch auch hier ist Gott ihm nah – ein Engel bringt ihm mitten in der Wüste unter dem Ginsterstrauch frisches Fladenbrot und einen Krug mit Wasser. Elija isst, trinkt und schläft viel. Dann macht er sich gestärkt auf den Weg zum Berg Horeb, wie Gott ihm geboten hat. 40 Tage und Nächte ist Elija unterwegs durch die Wüste (klingt bekannt, nicht wahr? Da gab es später im Neuen Testament auch jemanden, der 40 Tage und Nächte in der Wüste war… Die Geschichte vom Propheten Elija hat immer wieder Parallelen in den Lebensgeschichten Jesu).

Der Berg Horeb liegt in der Wüste, sein Name bedeutet „öde, verwahrlost, verwest“. Ein Ort, der offensichtlich ein Zeichen des Todes ist, wird zum Berg Gottes. Genau an dieser Stelle, wo der Tod und das Ende so nah scheinen, kommt Gott Elija ganz nah.
Nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer (alles Zeichen, in denen Gott den Propheten bisher erschienen war – man denke an Mose!) – sondern in der Stille eines sanften, feinen Flüsterns ist Gottes Stimme für Elija zu hören.
Diese stille Gegenwart Gottes ist für Elija Grund zur Umkehr, sie gibt ihm neue Kraft. Er macht sich auf den Weg zurück und widmet sich den neuen Aufträgen Gottes.
Seine Lebensgeschichte endet später mit der Ernennung des Nachfolgers (Elischa) und der Entrückung Elijas in den Himmel – in einem Feuerwagen.

„Im Judentum entstand früh der Glaube, Elija sei nicht gestorben, sondern lebend in den Himmel aufgenommen worden. Er gilt seither als der wichtigste Prophet nach Mose. Der Prophet Maleachi kündigt die Wiederkunft Elijas als Wegbereiter des Messias an. Nach Mal 3,23-24 wird Elija noch vor dem kommenden Gerichtstag Gottes ganz Israel zur Umkehr zu Gott und seinen Geboten sowie zur Versöhnung untereinander bewegen. 
Und die Evangelien belegen, dass um die Zeitenwende während der römischen Besatzung die Erwartung des Messias und die Elijaerwartung besonders ausgeprägt waren. Manche Juden sahen in Jesus von Nazaret zu dessen Lebzeiten den wiedergekommenen Elija, vermutlich, weil einige der Heiltaten Jesu den in der Bibel überlieferten Wundertaten Elijas und Elischas ähnelten.
... Im Judentum spielt diese Erwartung heute noch eine Rolle. Da Elija nicht gestorben ist, sondern entrückt wurde, tritt er in der jüdischen Tradition immer wieder als Mittler zwischen Gott und den Menschen auf und seine Wiederkunft als Vorläufer des Messias wird erwartet.“ (Zitatquelle, Text leicht abgeändert)
Auch im Islam und der Religion der Bahai wird Elija besonders verehrt.

Was mich ehrlich gesagt am meisten beeindruckt, ist nicht die Lebensgeschichte von Elija. Es sind auch nicht seine Wundertaten. Sondern es ist der Abschnitt, den wir heute als Lesung gehört haben.
Es ist die Stelle, an der Elija die Grenzen des eigenen Leistungsvermögens erkennt; an der Elija mit seinen Kräften, seinem Wissen und sogar seinem Gottvertrauen am Ende ist. Er kommt mir da so menschlich vor, so verletzlich, so „normal“. Und genau in dieser Situation, die ihm so hoffnungslos scheint, bemerkt er Gottes Gegenwart in der Stille des Flüsterns.

Wo ist Gott in all dem Leiden der Welt?

So oft habe ich Menschen zweifeln gehört: 
Wo ist denn dieser Gott, an den wir glauben sollen? Er tut doch gar keine Wunder mehr… Wenn es Gott wirklich gäbe, dann müsste ich doch nicht so leiden… Gott würde doch nicht zulassen, dass so viel Unrecht in der Welt geschieht… Und beten bringt auch nichts, denn es ist ja immer noch alles schlecht…
Diese oder ähnliche Aussagen kommen euch sicher auch bekannt vor. Vielleicht habt ihr solche Gedanken selbst schon einmal gehabt…

Wahrscheinlich haben die christlichen Kirchen über die Jahrhunderte hinweg diesen Gedanken das Feuer geschürt.
Wenn nämlich in der Kirche immer nur das Wundergeschehen betont wird, 
wenn Heilige verehrt werden aufgrund ihrer übernatürlichen Kräfte oder Erfahrungen, 
wenn sich Kirchen darum bemühen die größeren, geschmückteren oder heutzutage vielleicht technisch moderneren Gebäude zu haben. 
Wenn alles immer beeindruckend sein muss, was mit Gott und Glauben zu tun hat, dann kommen wir uns in unserem Alltag wirklich klein vor.
Dann schafft das eine Kluft zwischen Gott und Menschen, und wir verlieren den Blick auf die Gegenwart Gottes in den kleinen, stillen Dingen im Leben.

Auch unsere Leseordnungen sind da nicht nur hilfreich. Oft werden die Highlights der Bibel an den Sonntagen hervorgehoben und als Predigttexte gewählt. Die eher langwierigen Zwischen-Passagen werden ausgelassen oder stark gekürzt. 
Man bekommt den Eindruck, dass auch die Bibel hauptsächlich Wunder und Großartiges enthält. Und man verliert den Blick für das, was biblische Texte eigentlich sind: Erzählungen aus dem menschlichen Leben, mit seinen Höhen und Tiefen – und die Gegenwart Gottes in allem. 

Wenn Krisen das Leben verändern...

Mir fällt der Blick wieder auf die Änderungen in unserer Gesellschaft und im eigenen Leben durch die Pandemie: Plötzlich war Großes und Großartiges nicht mehr möglich. Lockdowns haben uns Menschen in die eigenen vier Wände zurückgedrängt. Gottes-Erfahrungen konnten nicht mehr in Gemeinschaft gemacht werden. Viele Menschen sind mehr in sich gekehrt – psychische Folgen davon sind eine Verstärkung von Depressionen, von Symptomen anderer psychischer Krankheiten, oder wie ich gestern in einem Artikel gelesen habe auch ein starker Anstieg von Suizidversuchen. Und ich sehe Parallelen zur Situation des Elija in unserem Text heute.
Wenn man selbst nichts an einer Situation verändern kann, die einen unglücklich macht und einschränkt, dann macht das krank und schwach.

Oder es entwickelt sich eine Überlebens-Strategie, die man in letzter Zeit gern mit dem Begriff „Wurschtigkeit“ betitelt. Es ist alles egal. Man erarbeitet sich eine Routine und kümmert sich hauptsächlich um das, was man selbst hat: Haus, Garten, die Kernfamilie. Der Blick bleibt in den eigenen vier Wänden und man grenzt sich von der Außenwelt ab. 

Die Thematik der Endlichkeit wird in der Bibel in den apokalyptischen Schriften beschrieben. Dazu haben wir heute eine Lesung aus dem Buch der Offenbarung gehört. Zu Beginn dieses Buches gibt Jesus in einer Vision dem Autor der Offenbarung, Johannes, die Anweisung, Briefe an sieben Gemeinden zu schreiben. An jede Gemeinde schreibt er Weisungen, wie sich die Gemeinde zu verhalten habe. Und jeder Brief schließt mit den Worten: „Wer ein Ohr dafür hat, soll gut zuhören, was der Geist Gottes den Gemeinden sagt!“

Wir haben heute den letzten der sieben Briefe als Lesung gehört. Und mir fällt vor allem die Aussage Jesu in den Blick: „Ich kenne deine Taten. Du bist weder kalt noch heiß. Ach, wärst du doch kalt oder heiß! … Du sagst: Ich bin reich, habe alles im Überfluss und mir fehlt es an nichts. Dabei weißt du gar nicht, wie unglücklich du eigentlich bist…“
Auch hier wird diese „Wurschtigkeit“ beschrieben. Es ist eh alles egal!

Wenn der eigene Blick nur nach innen schaut, wenn man nur sich und die eigenen Interessen wahrnimmt, dann ist man in dieser Vision lauwarm. Dann wird man unglücklich.  Denn ein erfülltes Leben hängt nicht nur von den eigenen Erwartungen und Errungenschaften ab. 

In beiden Reaktionsweisen oder Verhaltensweisen, die sich in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft verstärkt haben, kommt eines deutlich zu kurz: das Gemeinschaftsgefühl.

Gott ist in allem und wird in der Gemeinschaft spürbar

In afrikanischen Kulturen gibt es einen schönen Begriff: Ubuntu. Er bedeutet „ich bin, weil wir sind“. 
Die eigene Identität wird durch die Gemeinschaft mit anderen gestärkt. Das Leben ist nicht auf sich allein gestellt, sondern als Teil eines größeren Zusammenhangs.
Das hat auch der Prophet Elija erkannt, als er von Gottes leiser Stimme zurückgeschickt wurde zu den Menschen, die er nicht mehr im Blick hatte und die sehr wohl auf ihn hören und Gottes Wegen folgen wollten.

Was hat Gottes Flüstern uns wohl zu sagen? Was sagt der Geist Gottes unserer Gemeinde? Um das zu hören, müssen wir wahrscheinlich die Stille aushalten. Dazu müssen wir auch in ruhigen Zeiten die Hoffnung nicht verlieren.

Es hilft nicht, in die Vergangenheit zu blicken und sich zu wünschen, es wäre alles wieder so wie zu einer anderen Zeit, in der mehr Menschen zum Gottesdienst kamen, in der viele Kinder und Jugendliche Teil der Gemeinde waren. Jeder Zeitpunkt in der Geschichte unserer Kirche hatte seine eigenen Herausforderungen. Nicht alles war früher besser als heute. Es war einfach anders.

Wenn wir die Stille annehmen und die Ohren öffnen, dann hören wir vielleicht die Stimme Gottes, die auch zu uns spricht.
Dann hören wir Hoffnungsbotschaften, die sich vielleicht nicht in einer Massenbekehrung zum Methodismus auswirken, die aber Menschen in ihrem Glauben stärken. Oft ziehen viele kleine Gotteserfahrungen weitere Kreise als ein großes Mega-Event. 
Das große Wunder zu Pfingsten hatte nicht viele weitere große Wunder zur Folge, sondern auch viele Einzelerfahrungen von Glaube und Hoffnung, die zu weiteren Einzelerfahrungen führten.

Auch ich nehme immer wieder in Gesprächen mit Menschen, oft im privaten Zwiegespräch, Gotteserfahrungen wahr. Mit einem solchen Beispiel möchte ich schließen, denn es hat mich sehr berührt:

Vor Ostern war ich sehr involviert in die Planung des Fluchtkreuzwegs am Karfreitag. Im Rahmen der Planungen wurden viele E-Mails verschickt und Zoom-Sitzungen abgehalten. Es wurde Großes geplant und die Aktion war vielversprechend. Ein Satz, als Randbemerkung in einer E-Mail, hat mich aber am meisten berührt. Die Verfasserin ist über die Plattform für Menschenrechte zum Fluchtkreuzweg dazugekommen. Und ihre Aussage: „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal sagen würde, ich gehe freiwillig zu einer kirchlichen Veranstaltung wie einem Kreuzweg! Und ich freue mich sogar sehr darauf!“ 

Gott rührt Menschen an, wo wir es am wenigsten erwarten

Gottes Geist spricht zu uns auch auf kleine Weise und sogar durch E-Mails! Und ich bin gespannt, wie und wo wir uns von Gottes Geist in den nächsten Wochen berühren und ansprechen lassen!
Wir müssen nur die Ohren öffnen und den Blick weiten! Amen.

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