Auch die Predigt ist Hören

Glaubensimpuls


Predigt zu Apostelgeschichte 2, 36-41: Drei Hörerlebnisse
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Apostelgeschichte 2,36-41 (Neue Genfer Übersetzung)

Es steht also unzweifelhaft fest, und ganz Israel soll es erkennen: Gott hat Jesus zum Herrn und Messias gemacht – den Jesus, den ihr gekreuzigt habt.«
Die Zuhörer waren von dem, was Petrus sagte, bis ins Innerste getroffen. »Was sollen wir jetzt tun, liebe Brüder?«, fragten sie ihn und die anderen Apostel. 
»Kehrt um«, erwiderte Petrus, »und jeder von euch lasse sich auf den Namen von Jesus Christus taufen! Dann wird Gott euch eure Sünden vergeben, und ihr werdet seine Gabe, den Heiligen Geist, bekommen. Denn diese Zusage gilt euch und euren Nachkommen und darüber hinaus allen Menschen auch in den entferntesten Ländern – allen, die der Herr, unser Gott, zu seiner Gemeinde rufen wird.« 
Mit diesen und noch vielen anderen Worten bezeugte Petrus ihnen das Evangelium; eindringlich ermahnte er sie: »Diese Generation ist auf dem Weg ins Verderben! Lasst euch retten vor dem Gericht, das über sie hereinbrechen wird!« 
Viele nahmen die Botschaft an, die Petrus ihnen verkündete, und ließen sich taufen. Durch Gottes Wirken wuchs die Gemeinde an diesem Tag um etwa dreitausend Personen.

Liebe Gemeinde, ich habe heute zu Beginn eine Einleitung zur Predigt gemacht und mir ist natürlich völlig klar, dass diese Predigt jetzt besonders gut sein muss.

Also überhaupt kein Stress in der Vorbereitung, kein Druck, keine Erwartungshaltung – natürlich nicht. 
Immer wieder bin ich dankbar, dass auf Gott Verlass ist.

Ich möchte heute unterstreichen, wie sehr es bei der Predigt um das Hören geht. 
Und ich hoffe, dass dies durch den Bibliolog deutlich geworden ist: 
Jede und jeder hört einen Bibeltext ganz unterschiedlich. Bleibt bei einem Wort oder bei einem Gedanken hängen und hört dafür das eine oder andere Wort nicht. Oder hört es nur so halb, weil wir nicht alles gleich aufmerksam aufnehmen können. Weil auch unser Hören von so vielen Dingen abhängt.

Bin ich müde oder wach? Gut oder schlecht gelaunt? Was habe ich in den letzten Tagen erlebt? Welche Aufgaben beschäftigen mich zur Zeit? Welche Erfahrungen habe ich überhaupt schon gemacht? Wie gut kenne ich mich in der Bibel aus? Habe ich den heutigen Text schon mal gehört? Schon mal selbst gelesen? Schon mal eine Predigt dazu gehört oder gar selbst verfasst?

Alles Faktoren, die unser Hören beeinflussen und die der Grund dafür sind, warum wir jetzt so eine große Bandbreite an Antworten gehört haben.

Ich muss gestehen, es wäre jetzt wirklich schön, wenn ich auf alle Antworten eingehen könnte. Aber es gibt zwei Gründe, warum ich das bei einer Predigt hier in der Evangelisch-methodistischen Kirche in Graz nicht tun kann. 

Erstens würde ich gegen meine eigene Lehre zur Predigt, auch Homiletik genannt, verstoßen, wenn ich mehr als drei Gedanken ausführen würde. 
Gut, das könnte man vielleicht noch verkraften. Als Sonderfall durchgehen lassen.

Aber der zweite Grund ist wichtiger und der hat mit unserer Übersetzung ins Englische zu tun. Wir, die Predigenden, haben mit unseren Übersetzerinnen und Übersetzern ausgemacht, dass sie bis Donnerstagabend die Predigt von uns bekommen. Damit sie genügend Zeit zur Vorbereitung haben und auch selbst entscheiden können, ob sie am Freitagmorgen oder erst am Samstagnachmittag diese wichtige Übersetzungsarbeit machen wollen. Grundsätzlich sind wir als Gemeinde nämlich sehr dankbar, dass wir diesen Dienst anbieten können und wissen, dass dieser Dienst uns hilft, internationale Gemeinde sein zu können. Und nachdem unsere heutige Übersetzerin Betsey Jansen gerade in China ist, musste ich ihr den Predigttext bis Donnerstagabend schicken. Und damit dem heutigen Geschehen vorgreifen.

So habe ich also drei Schwerpunkte ausgearbeitet, die mich beim Lesen berührt haben und bei denen ich hängengeblieben bin. Das erste war das „den ihr gekreuzigt habt“, das zweite war die Aufforderung „kehrt um“ und das dritte war der Schluss „wuchs die Gemeinde an diesem Tag um etwa 3000 Personen.“

Beginnen wir bei „den ihr gekreuzigt habt“.
Ich weiß nicht wie es euch geht, aber diese Aussage ist doch ohne ausgestreckten Zeigefinger schwer vorstellbar, oder? In der Neuen Genfer Übersetzung ist dieses ihr fett gedruckt, damit es ins Auge fällt und von den anderen Worten unterschieden werden kann. Den ihr gekreuzigt habt – das ist schon eine saftige Anklage. 

Und jetzt spielt es natürlich eine gewaltige Rolle, wie ich das ihr höre. 
Bin ich denn ein Jude? Habe ich etwa vor knapp 2000 Jahren gelebt? 
Bin ich nicht gläubig? Ist Jesus nicht mein Freund?

Ich habe es schon einmal bei einer Predigt zum Johannesevangelium gesagt: Diese Unterscheidung zwischen den Jesusanhängerinnen und Jesusnachfolgern und „den“ Juden hat leider eine fatale, also schlimme, Wirkungsgeschichte gehabt. Eine Zeit der Judenverfolgung, der Diskriminierung oder Benachteiligung und der Abwertung hat damit begonnen, dass man dieses „ihr“ so gehört hat. 
Den „ihr“ gekreuzigt habt. 
Nicht ich.

Heute möchte ich zu dieser Stelle aber fragen: 
Ist Jesus nicht auch für deine Sünden gestorben?

Wenn Jesus nicht für deine Sünden gestorben ist, dann sind sie dir auch nicht vergeben. Also so höre und denke ich diese Stelle. 
Dieses ihr, das bin ich. 
Natürlich habe ich nicht die Nägel durch Jesu Hände und Füße getrieben, aber es ist doch auch meine Schuld, die gekreuzigt wurde. Meine Gottesferne, die Jesus heilen wollte. 
Ich bin es doch, weswegen Gott diesen Weg geht. Um mich zu retten.

Der zweite Stelle war das „kehrt um“.

Mit dieser Stelle bin ich einige Tage schwanger gegangen. 
Und das habe ich jetzt extra so gesagt, um deutlich sagen zu können: Nicht erlaubt. 
So darf man in Graz eigentlich eben nicht predigen. 

Keine Fremdwörter und keine Redewendungen. Denn Redewendungen sind sozusagen die Krönung einer Sprache. Die versteht man erst, wenn man eine Sprache schon sehr gut kann oder schon lange in einem Land lebt. Redewendungen sind nur mit großer Erfahrung zu übersetzen. Ich muss also sagen: Mit dieser Stelle „kehrt um“ habe ich mich einige Tage lang beschäftigt. Über diese Stelle habe ich viel nachdenken müssen. Das ist verständlich. 

Ich habe mich jedenfalls lange gefragt: Was bedeutet das eigentlich „kehrt um“? Was will Petrus jetzt von mir? 

Taufen ist eine klare Sache, da weiß ich, was zu tun ist. Aber wovon soll ich umkehren?

Und dann bin ich mitten in der Nacht aufgestanden und habe das Wort „Erkenntnis“ auf mein Blatt Papier geschrieben, auf dem ich meine Gedanken zur heutigen Predigt gesammelt habe. 
Umkehren kann nur diejenige Person, die erkannt hat, was gut und was schlecht ist. 
Um umkehren zu können, müssen wir ab und an anhalten und wahrnehmen, was wir gerade tun. Womit wir unsere Zeit verbringen. Wofür wir unser Geld einsetzen. Mit wem wir gemeinsam unterwegs sind. Was gerade neben uns passiert. 

Und dann überlegen, was wichtig ist und was vielleicht geändert werden könnte. Nicht alles auf einmal, das geht meistens schief. Aber Schritt für Schritt und mit Geduld und Ruhe. Dass wir das als Christinnen und Christen nicht allein tun müssen, versteht sich von selbst. Und besonders schön steht es in Psalm 139. Es sind die letzten beiden Verse: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“

Damit komme ich klassisch zum dritten und letzten Teil und damit zum Schluss unserer heutigen Lesung: „Durch Gottes Wirken wuchs die Gemeinde an diesem Tag um etwa 3.000 Personen.“

Beeindruckend oder? 3.000 Personen. 

Die würden wir nicht einmal stehend hier in unserer Kirche in Graz unterbringen. Nicht einmal, wenn wir so dicht wie möglich nebeneinander stehen würden. Ich habe einmal die Kirche hier ausgemessen und bin auf ca. 165m2 gekommen. Das würde bedeuten, dass 18 Personen pro m2 nebeneinander stehen müssten. Und stellt euch einmal vor, da wären auch ein paar Dicke unter den 3.000! Undenkbar also.

Nachdem aber alle christlichen Gemeinden ständig wachsen wollen, möchte ich zwei Gedanken dazu mit euch teilen. Beide habe ich aus den Vorträgen, die ich zur Zeit beim Radfahren höre, damit das „Bewegung machen“ nicht so langweilig ist.

Stellt euch einmal vor, unsere Gemeinde wäre fünfmal so groß wie heute. Statt 45 - 50 Personen im Gottesdienst wären wir 250 Personen. 
Wie gesagt, stehend geht sich das aus.

Aber wie will man mit 250 Personen in Beziehung sein? Wie will ich als Pastor mit allen verbunden sein? Und wissen, was sie brauchen? Oder sich wünschen? Oder sie regelmäßig besuchen?

Nur groß zu sein, um sich dann nicht mehr zu kennen? 
Also ich mache da mal ein Fragezeichen hinter diesen Wunsch. 

Und ob die Kollekte dann höher ist, wenn sich die Menschen nicht mehr angesprochen wissen und sich beteiligt und verantwortlich fühlen? 
Da mache ich mein zweites Fragezeichen. 

Gut, wir müssen vielleicht nicht auf einen Schlag fünfmal so groß werden. Ein gemütlicheres Wachsen wäre dann auch nicht so schlecht. Doch hört einmal folgende Aussage: „Hirten zeugen keine Schafe. Schafe zeugen Schafe.“

Ich meine, ich will mich als Pastor jetzt nicht elegant aus dem Spiel nehmen. 
Und natürlich braucht es gute Predigten, damit man sich nicht schämen muss Leute in den Gottesdienst einzuladen, keine Frage. 

Aber es ist schon klar, was diese Aussage sagen will, oder?

Wenn wir wachsen wollen, dann müssen wir Leute zu uns einladen. Nicht nur der Pastor, sondern wir alle. Damit sie sehen und erfahren können, warum Gott uns und sie gerufen hat.

„Den ihr gekreuzigt habt“ – nein, du bist gemeint.
Deshalb „kehrt um“ – dazu muss ich wissen, von was denn.
„3.000 Personen“ – think big ist schon cool. Irgendwie. 

Aber einfach der nächste, naheliegende Schritt könnte schon was bewegen. 
Jemanden einzuladen oder noch besser mitzunehmen.

Amen.

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