Fragen rund um Abraham
Glaubensimpuls
Lokalpastor EmK Schweiz
Müssen wir dann noch Muslime zu Jesus bekehren?!?
Liebe Gemeinde, meine heutige Predigt bezieht sich auf den Text aus dem Römerbrief. Und das hat mich selbst überrascht, denn erst habe ich diesen Text eigentlich recht einfach gefunden. Abraham wird von Gott als gerecht empfunden, weil er an ihn geglaubt hat. Damit ist Abraham das große Vorbild im Glauben. Alles klar, so weit so gut. Oft gehört – nichts Neues.
Nachdem Abraham das große Vorbild ist, habe ich mir auch die gesamte Abrahamgeschichte im Buch Genesis noch einmal durchgelesen und sie genau studiert. Dabei ist dieses wahnsinnig schillernde, glänzende Bild, welches Paulus hier im Römerbrief von Abraham zeichnet, von mir in Frage gestellt worden. Es hat Brüche bekommen. Aber das soll nicht das Hauptthema sein heute.
In Wirklichkeit weiß ich gar nicht so genau, ob man das heute Predigt nennen kann. Es ist weniger eine Predigt, denn eine Diskussions- und Denkgrundlage. Drei Passagen im heute gehörten Text aus dem Römerbrief möchte ich nochmals gezielt beleuchten und ein paar Fragen dazu stellen.
Die erste Passage lautet:
"Wenn das Erbe denen in Aussicht gestellt wäre, denen das Gesetz gegeben ist, wäre der Glaube überflüssig. Außerdem wäre die Zusage dann hinfällig, denn das Gesetz zieht den Zorn Gottes nach sich, weil es übertreten wird. Übertretungen gibt es nur dort nicht, wo es kein Gesetz gibt."
Das ist schon eine wahnsinnig steile Ansage, oder? Das Gesetz zieht den Zorn Gottes nach sich. Dann hätte Gott seinem auserwählten Volk ja einen Bärendienst erwiesen. Bärendienst ist in der deutschen Sprache eine Redewendung und meint eine Handlung für jemanden, die in guter Absicht erfolgt und trotzdem schlechte Folgen für die Person hat. Es gibt eine Geschichte, wonach ein Gärtner einen jungen Bären gefunden und aufgezogen hat. Der Bär wurde zutraulich und eines Tage ist der Gärtner am Tisch eingeschlafen. Eine Fliege setzte sich auf die Nase des Gärtners. Der Bär wollte dem Gärtner etwas Gutes tun und erschlug die Fliege mit einem Stein. Leider hat der Gärtner das nicht überlebt. Und so kam es zu der Redewendung Bärendienst.
Doch noch einmal zurück – was bedeutet eine solche Aussage für diejenigen, die sich daran halten wollen? Ist es nicht ungerecht, dass die Kinder des mosaischen Bundes – die Juden – 613 Ge- und Verbote haben, während alle anderen Menschen Kinder des noachidischen Bundes sind und damit nur sieben Gebote halten müssen? Und können wir uns als Christinnen und Christen so einfach abgrenzen und sagen, wir vertrauen auf die Gnade Jesu, dessen Auferstehung uns den Freispruch bringt, wie es in Vers 25 heißt?
Also für mich bleibt es eine herausfordernde Aussage, auch wenn ich den Ausführungen von Paulus, welche er im 4. Kapitel des Römerbriefes darlegt, einigermaßen folgen kann. Dort beschreibt Paulus die Verbindung zum Gesetz als Frage: Worauf setzt du deine Hoffnung? Wenn du nach dem Gesetz gerecht werden möchtest, brauchst du die Gnade nicht, denn dann bekommst du einfach den Lohn für das, was dir zusteht. Dem stellt Paulus das Bild entgegen, dass jemand eben ohne eigene Leistungen auf die Gnade Gottes vertraut und dass ihm dieser Glaube als Gerechtigkeit angerechnet wird. Sola fide wird Martin Luther das später nennen: Allein aus Glauben.
Das Gesetz zieht den Zorn Gottes nach sich, weil es übertreten wird. Was bedeutet das für unseren christlich-jüdischen Dialog? Das frage ich mich. Vor allem, wenn es so absolut gesagt wird, also ohne Zwischentöne und ohne Gnade.
Kommen wir zur zweiten Passage. Abraham wird zum Vater vieler Völker gemacht und es geht darum, so zu glauben wie Abraham glaubte. Und dann heißt es dazu:
"Denn er – gemeint ist Abraham – vertraute auf ihn, den Gott, der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft."
Noch einmal in aller Klarheit:
Gott spricht Abraham gerecht, weil er Gott vertraute. Weil er an Gott geglaubt hat. Und was zeichnet Gott aus:
Dass er die Toten lebendig macht und das was nicht ist, ins Dasein ruft.
Was bedeutet diese Aussage für die dritte große monotheistische, also an einen Gott glaubende, Religion? Den Islam mit ca. 1,9 Milliarden Gläubigen, was in etwa einem Viertel der Weltbevölkerung entspricht?
Müssen wir dann noch Muslime zu Jesus bekehren, wenn sie doch nach dieser Aussage schon gerecht gesprochen sind? Auf Grund ihres Glaubens an Gott?
Ich meine, dass Muslime an die Auferstehung der Toten glauben und dass Allah das Universum geschaffen hat, steht hoffentlich außer Zweifel hier in diesem Raum. Und ich persönlich bin schon länger der Ansicht, dass ich als Christ, diesen Glauben an Gott ernst nehmen möchte. Ich habe einige Muslime kennengelernt in meinem Leben, denen ich das ernsthafte Bemühen um die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Mitmenschen wirklich glaube. Christlich gesprochen, die sich an das Doppelgebot der Liebe halten, so wie Jesus es uns sagt.
Und daher finde ich diese Passage im heutigen Text wirklich nachdenkenswert.
Damit komme ich zur dritten und letzten Passage, die ich heute vorstellen möchte und das ist Vers 20:
"Statt die Zusage Gottes in Frage zu stellen, wie es der Unglaube tun würde, ehrte er Gott, indem er ihm vertraute, und wurde dadurch in seinem Glauben gestärkt."
Wenn man das so hört, dann ist alles wunderbar und in Ordnung. Statt die Zusage Gottes in Frage zu stellen, glaubt Abraham. Er glaubt und alles wird gut.
Dazu möchte ich zunächst eine kleine Bemerkung machen, die diesen Glauben von Abraham stärkt und wo ich selbst Hochachtung empfinde. Beim genaueren Lesen der Abrahamgeschichte ist mir noch einmal klar geworden welch immensen Zeitraum das umspannt. Abraham bekommt die Zusage Gottes, die mit dem Verlassen seines Heimatlandes verbunden ist, mit 75 Jahren. Vater des Isaak wird er mit 100 Jahren. Das bedeutet: 25 Jahre lang wartet Abraham auf die Erfüllung dieser Zusage Gottes!
Das lässt mich das eine oder andere Gebet um Heilung in einem ganz anderen Licht sehen.
Welch eine Geduld beweist Abraham damit. Welch eine Treue. Welch einen Glauben.
Wenn wir um Heilung beten, dann hätten wir es am liebsten sofort oder morgen.
Na gut – dann nächste Woche. In einem Monat?
Aber 25 Jahre?
Dennoch frage ich heute – vielleicht für die eine oder den anderen etwas herausfordernd: Was ist dann mit Hagar?
Hagar war die ägyptische Sklavin von Sarah, also Abraham’s Frau. In Genesis 15 erfahren wir, dass der Glaube von Abraham vielleicht doch nicht so felsenfest war, wie Paulus es darstellt. Denn dort sagt Abraham zu Gott: Siehe, du hast mir keine Nachkommen gegeben, so wird mein Haussklave mich beerben. (1. Mose 15,3) Klingt für mich nicht wie eine nüchterne Feststellung, sondern eher wie ein Vorwurf. Aber das kann man so oder so sehen.
Jedenfalls handelt das ganze Kapitel 16 im 1. Buch Mose von einer eigenartigen Geschichte, wenn wir diesen Glauben von Abraham vorgestellt bekommen. Sarah stellt fest, dass sie keine Kinder bekommt. Sie beschließt, ihre Sklavin Hagar ihrem Mann Abraham zu geben, damit sie durch sie zu Kindern kommt. Und Abraham tut wie ihm geheißen und zeugt Ismael. Ismael ist also der erstgeborene Sohn des Abraham mit der Sklavin seiner Frau Hagar.
Und wozu, wenn ich fragen darf?
Wenn er so fest davon überzeugt ist, dass Gott die Macht hat, das, was er zugesagt hat, auch zu tun, wie es im heutigen Vers 21 heißt?
Tut mir leid, wenn ich das jetzt so sage, aber das ist für mich die menschliche Sicherheitsvariante. Das Back up würden wir heute sagen.
Falls das doch nichts wird mit der Zusage von Nachkommen, dann sorge ich jetzt einmal vor. Damit nicht mein Haussklave mich beerbt, sondern mein eigener Sohn.
Dass die Geschichte mit Hagar und Ismael dann häßliche Züge bekommt, spare ich heute einmal aus. Aber an der Frage möchte ich festhalten: Ist das der unerschütterliche Glaube? Der Sohn mit der Sklavin?
Wie eingangs gesagt, wollte ich euch heute einfach auf ein paar Passagen des heute gehörten Textes und die damit verbundenen Themen aufmerksam machen.
Die Frage nach der Bedeutung des Gesetzes, die Frage nach der Christianisierung von Muslimen und die Frage nach dem Glauben, der vorher Tatsachen schafft.
Verkürzt, ich weiß.
Aber ich möchte euch ja zum selbst nachdenken anregen und bleibe mit euch im Gespräch.
Amen.
13 Nicht anders ist es mit der Zusage Gottes an Abraham, ihm als Erben die ganze Welt zum Eigentum zu geben. Auch diese Zusage, die ihm und darüber hinaus seinen Nachkommen galt, war nicht an die Befolgung des Gesetzes gebunden. Sie wurde ihm vielmehr gegeben, weil er aufgrund des Glaubens in Gottes Augen gerecht war. 14 Wenn das Erbe denen in Aussicht gestellt wäre, denen das Gesetz gegeben ist, wäre der Glaube überflüssig. Außerdem wäre die Zusage dann hinfällig,
15 denn das Gesetz zieht Gottes Zorn nach sich, weil es übertreten wird. Übertretungen gibt es nur dort nicht, wo es kein Gesetz gibt.
16 Deshalb also ist die Zusage an den Glauben gebunden; ihre Erfüllung soll ein Geschenk der Gnade sein. Damit ist sichergestellt, dass die Zusage für die gesamte Nachkommenschaft Abrahams Gültigkeit hat. Sie gilt nicht nur für die Nachkommen, denen das Gesetz gegeben wurde, sondern auch für die, die – ohne das Gesetz zu haben – so glauben, wie Abraham glaubte. Denn er ist der Vater von uns allen,
17 genau wie es in der Schrift heißt: »Ich habe dich zum Vater vieler Völker gemacht.« Ja, in Gottes Augen ist er das, denn er vertraute auf ihn, den Gott, der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft.
18 Da, wo es nichts zu hoffen gab, gab er die Hoffnung nicht auf, sondern glaubte, und so wurde er der Vater vieler Völker. Es war ihm ja vorausgesagt worden: »So zahlreich werden deine Nachkommen sein.«
19 Abraham war damals fast hundert Jahre alt und konnte keine Kinder mehr zeugen; in dieser Hinsicht war sein Körper gewissermaßen schon tot. Nicht anders war es bei seiner Frau Sara, denn auch sie konnte keine Kinder mehr bekommen. Und obwohl Abraham seine Augen nicht vor dem allem verschloss, ließ er sich in seinem Glauben nicht entmutigen.
20 Statt die Zusage Gottes in Frage zu stellen, wie es der Unglaube tun würde, ehrte er Gott, indem er ihm vertraute, und wurde dadurch in seinem Glauben gestärkt.
21 Er war fest davon überzeugt, dass Gott die Macht hat, das, was er zugesagt hat, auch zu tun.
22 Das ist also der Grund, weshalb ihm – wie es in der Schrift heißt – der Glaube als Gerechtigkeit angerechnet wurde.
23 Die Aussage, dass der Glaube Abraham angerechnet wurde, betrifft nicht nur ihn, 24 sondern steht auch unseretwegen in der Schrift. Auch uns wird der Glaube angerechnet werden. Denn der Gott, auf den wir unser Vertrauen setzen, hat Jesus, unseren Herrn, von den Toten auferweckt –
25 ihn, der wegen unserer Verfehlungen dem Tod preisgegeben wurde und dessen Auferstehung uns den Freispruch bringt.