Jesus geht auf dem Wasser

Glaubensimpuls

Bild von Frank Moritz
Frank Moritz

Lokalpastor EmK Schweiz


Predigt zu Matthäus 14,22-33 und der Frage: Was hättest du getan? 
Available in english, too.

Nun drängte Jesus die Jünger, unverzüglich ins Boot zu steigen und ihm ans andere Ufer vorauszufahren; er wollte inzwischen die Leute entlassen, damit sie nach Hause gehen konnten. 
Als das geschehen war, stieg er auf einen Berg, um ungestört beten zu können. Spät am Abend war er immer noch dort, ganz allein. 
Das Boot befand sich schon weit draußen auf dem See und hatte schwer mit den Wellen zu kämpfen, weil ein starker Gegenwind aufgekommen war. 
Gegen Ende der Nacht kam Jesus zu den Jüngern; er ging auf dem See. 
Als sie ihn auf dem Wasser gehen sahen, wurden sie von Furcht gepackt. »Es ist ein Gespenst!«, riefen sie und schrieen vor Angst. 
Aber Jesus sprach sie sofort an. »Erschreckt nicht!«, rief er. »Ich bin’s. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.« 
Da sagte Petrus: »Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!« 
»Komm!«, sagte Jesus. Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser auf Jesus zu. 
Doch als er merkte, wie heftig der Sturm war, fürchtete er sich. Er begann zu sinken. »Herr«, schrie er, »rette mich!« 
Sofort streckte Jesus seine Hand aus und hielt ihn fest. »Du Kleingläubiger«, sagte er, »warum hast du gezweifelt?« 
Dann stiegen beide ins Boot, und der Sturm legte sich. 
Und alle, die im Boot waren, warfen sich vor Jesus nieder und sagten: »Du bist wirklich Gottes Sohn.«

Liebe Geschwister, ich denke, viele von euch hören diese Geschichte von Jesus, wie er über das Wasser geht, nicht zum ersten Mal. Die Geschichte ist so einfach und gleichzeitig so unglaublich, dass man sie sich gut merken kann. Ich kenne sie natürlich auch. Und ich meine, ich habe sogar schon einmal dazu gepredigt. Wenn ich mich richtig erinnere, dann habe ich mir damals viele Gedanken zu dem Gehen auf dem Wasser gemacht. Wenn gerade ein heftiger Sturm ist. Wenn hohe Wellen sind. Wenn der Untergrund in heftiger Bewegung ist. Geht Jesus jetzt von Wellental zu Wellenspitze? Glättet sich das Wasser vor ihm? Geht er durch die Wellen hindurch? Wird er nass dabei?

Lauter komische Fragen, die zu verstehen versuchen, was hier eigentlich passiert. Die zu verstehen versuchen, wie Jesus das macht. Und die im Hintergrund natürlich fragen: Ist das wahr? Kann es so etwas geben? Oder ist das alles Quatsch und wird aus einem ganz anderen Grund so erzählt.

Was ich mir also heute mit euch gemeinsam anschauen möchte ist die Frage, wie wir mit dem biblischen Wort umgehen. Wie wir möglichst gut davon lernen können. Was braucht es, damit das biblische Wort uns zur Nahrung wird? Die uns weiterbringt, die unseren Glauben stärkt? Wie wird so eine Geschichte für unser eigenes Leben interessant?

Je älter ich werde, desto mehr scheinen mir diese Fragen entscheidend zu sein. Entscheidend dafür zu sein, dass das biblische Wort etwas in uns öffnen kann; etwas bewirken kann.

Früher habe ich die Bibel eher analytisch gelesen. Analytisch, das meint: Ist das, was ich gerade gelesen oder gehört habe, wahr oder falsch? Kann das sein oder nicht? Steht es im Widerspruch zu einer anderen biblischen Stelle?

Mittlerweile glaube ich, dass wir mehr von Gottes Wort lernen können, wenn wir fragen: Was will es uns sagen? Was will es in uns auslösen? Über was sollen oder können wir nachdenken, wenn wir es hören? Denn wenn wir diese Geschichte nur mit dem Kopf hören, dann muss man sie ablehnen. Unser Verstand sagt ganz klar, dass niemand über das Wasser gehen kann. Das geht nicht.

Deswegen enden alle Witze, die diese Geschichte aufgegriffen haben, immer mit dem Satz: „Vielleicht hätten wir ihm sagen sollen, wo die Steine liegen.“ 
Oder es gibt so lustige Wettbewerbe, wo Menschen versuchen, möglichst weit zu kommen, wenn sie auf schwimmende Luftmatratzen treten. Natürlich geht das nicht.

Was will uns die Geschichte also sagen?

Ich glaube, im Kern geht es bei diesem Wunder um das Bekenntnis der Jünger im letzten, heute gehörten, Vers: „Du bist wirklich Gottes Sohn.“ Nur Gott oder Gottes Sohn kann das. Und dass Jesus das kann, ist ein Bild für seine Souveränität; ist ein Bild für seine Macht; ist ein Bild für seine Bedeutung.

Wasser wird in der Bibel auch als Bild für das ungeordnete Chaos benutzt. Denn wie heißt es am Anfang der Bibel: „Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ (1. Mose 1,2) Und dann finden wir bei Hiob folgende Stelle über Gott: „Er spricht zur Sonne, sodass sie nicht strahlt, er versiegelt die Sterne. Er spannt allein den Himmel aus und schreitet einher auf den Höhen des Meeres.“ (Hiob 9,7-8)

In diesem Zusammenhang können wir also verstehen, was uns die Geschichte sagen will. Sie greift biblische Bilder auf, die eine Aussage über Gott machen. Über seine Macht und Größe. Und verbindet sie mit Jesus. Deshalb das Bekenntnis: „Du bist wirklich Gottes Sohn.“

Ich habe eingangs schon erwähnt, dass ich glaube, dass uns das biblische Wort zum Nachdenken bringen möchte. Und jetzt möchte ich diesen Gedanken erweitern: Ich glaube, biblisches Wort möchte uns beteiligen. Wir sind aufgefordert uns zum biblischen Wort zu verhalten. Also nicht aus der Ferne zuzuschauen, sondern uns zu fragen, was hätte ich getan?

Heute ist es das Verhalten des Petrus, das uns dazu einlädt.
Apropos Petrus – ich mag ihn einfach. Ich mag ihn einfach, ich glaube, ich habe ihn schon immer gemocht. Bei Paulus bin ich mir oft unsicher – aber Petrus entspricht mir. In ihm finde ich mich wieder – oder möchte mich in ihm wiederfinden. Manchmal ist er vielleicht etwas vorlaut, etwas zu ungestüm. Aber das kenn ich von mir auch.

Jedenfalls lädt uns das Verhalten des Petrus ein, uns zu fragen, wie hätte ich gehandelt? Oder wie hätte ich handeln wollen? Was hätte es in mir ausgelöst?

Ich habe jetzt eine ganze Reihe von Fragen gesammelt, die mir rund um das Verhalten des Petrus eingefallen sind. Und ich habe versucht, diese Fragen in eine Beziehung zu unseren Fragen zu setzen. Natürlich werdet ihr nicht alle sofort beantworten können. Könnte ich auch nicht. Aber sie sollen eine Anregung dafür sein, diesen Text, diese Geschichte, näher an uns selbst herankommen zu lassen.

Zuerst habe ich mich gefragt, wie ich mich verhalten hätte, wenn ich mit an Bord des Bootes gewesen wäre. Hätte ich auch geschrien vor Angst? Angst vor was? Dass Jesus Gott ist? Dass sich dieser Gott mir nähert? Was will der von mir? Muss ich jetzt mein Leben ändern? Kann ich das noch entscheiden, wenn es doch so offensichtlich ist, dass dieser Jesus Gottes Sohn sein muss?

Die nächste Frage war: Hätte ich auch den Mut von Petrus gehabt? Den Mut, Jesus anzusprechen und ihn aufzufordern, mir zu befehlen, zu ihm zu kommen? Was wären wohl meine ganz persönlichen, inneren Gründe das zu tun? Die Liebe zu Jesus? Die Chance, etwas ganz besonderes mit ihm zu erleben? Dieses Vertrauen, etwas ausprobieren zu können, was eigentlich unmöglich ist? Auf dem Wasser zu gehen, so wie Jesus?

Auf diese Frage folgt natürlich die Frage, hätte ich auch gezweifelt? Hätte auch mich die Wirklichkeit des Lebens eingeholt? Dass die unheilbar Kranken eben doch sterben? Dass wir es als Menschheit eben nicht schaffen, den Klimawandel aufzuhalten? Dass es eben doch Leid gibt, dass wir nicht erklären können? Dass eben nicht alle Menschen an Gott glauben wollen?

Und wenn ich dann sinke und unterzugehen drohe, hätte ich dann auch geschrien: "Herr, rette mich"? Bin ich so ehrlich zu mir selbst, dass ich weiß, wann ich nur mehr gerettet werden kann? Verbietet das nicht mein Stolz? Mein Selbstwertgefühl? So schlimm kann es doch nicht sein – und schwimmen kann ich auch als Fischer? Ich werde mich schon irgendwie da durchwurschteln. Will ich, dass Gott, dass Jesus mir hilft?

Und meine letzte Frage für heute: Wie hätte ich den Tadel von Jesus weggesteckt: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ Na Hallo, Jesus! Ich hab's doch wenigstens versucht! Die anderen haben doch nicht einmal das Boot verlassen? Kann ich meine eigenen Anteile sehen, trotz dieser Worte von Jesus? Oder wäre das eine Demütigung gewesen? Ein Erlebnis, nachdem ich das nächste Mal meinen Mund gehalten hätte? Und mich verhalten hätte so wie alle anderen auch?

Fragen über Fragen, ich weiß. Und es sind meine Gedanken dazu, die nicht für jeden und jede passen. Aber sie sollen eine Einladung sein, diesen Text in seiner Tiefe zu erforschen. Sich hineinziehen zu lassen in das biblische Wort.

Ich bin überzeugt, dass die biblischen Geschichten dadurch fruchtbar werden können. Spannend. Bereichernd.
Und damit zur Möglichkeit werden, Gott zu erfahren. Ihn zu spüren. 
Und damit auch die Liebe zu spüren, die er für uns bereit hält.

Amen.

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