Meint ihr, dass ich ein solches Fasten liebe?

Glaubensimpuls

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Bernhard Lasser

Laienprediger


In dieser Predigt Jesaja 58,1-12 wird reflektiert, welche Art von Religiosität Gott erwartet.

Pre­digt­text


Jesaja 58,1-12, nach der Übersetzung der Basisbibel (C) Deutsche Bibelgesellschaft

Das wahre Fasten

Ruf, so laut du kannst, halt dich nicht zurück! Lass deine Stimme erschallen wie ein Widderhorn! Halt meinem Volk seine Verbrechen vor,den Nachkommen Jakobs ihre Vergehen. Sie befragen mich Tag für Tagund wollen wissen, was mein Wille ist. Als wären sie ein Volk, das Gerechtigkeit übt und das Recht seines Gottes nicht missachtet! Sie fordern von mir gerechte Entscheidungen und wollen, dass ich ihnen nahe bin. Und dann fragen sie mich: Warum achtest du nicht darauf, wenn wir fasten?

Warum bemerkst du nicht, wie wir uns quälen? Ich antworte: Was tut ihr denn an den Fastentagen? Ihr geht euren Geschäften nach und treibt eure Untergebenen zur Arbeit an! Ihr fastet nur, um Zank und Streit anzuzetteln und mit roher Gewalt zuzuschlagen. So wie ihr jetzt fastet, findet eure Stimme im Himmel kein Gehör. Meint ihr, dass ich ein solches Fasten liebe? Wenn Menschen sich quälen, den Kopf hängen lassen wie umgeknicktes Schilf und in Sack und Asche gehen? Nennst du das Fasten, einen Tag, der dem Herrn gefällt?

Das wäre ein Fasten, wie ich es liebe: Löst die Fesseln der zu Unrecht Gefangenen, bindet ihr drückendes Joch los! Lasst die Misshandelten frei und macht jeder Unterdrückung ein Ende! Teil dein Brot mit dem Hungrigen, nimm die Armen und Obdachlosen ins Haus auf. Wenn du einen nackt siehst, bekleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Nächsten! Dann bricht dein Licht hervor wie die Morgenröte, und deine Heilung schreitet schnell voran. Deine Gerechtigkeit zieht vor dir her, und die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach. Dann antwortet der Herr, wenn du rufst. Wenn du um Hilfe schreist, sagt er: Ich bin für dich da! Schaff die Unterdrückung bei dir ab, zeig auf niemanden mit dem Finger und unterlass üble Nachrede. Nimm dich des Hungrigen an und mach den Notleidenden satt. Dann strahlt im Dunkeln ein Licht für dich auf. Die Finsternis um dich herum wird hell wie der Mittag. Der Herr wird dich immer und überall führen. Er wird dich auch in der Dürre satt machen und deinen Körper stärken. Dann wirst du wie ein gut bewässerter Garten sein, wie eine Quelle, die niemals versiegt. Du wirst Stätten wieder aufbauen, die seit Langem in Trümmern liegen. Grundmauern aus vergangenen Zeiten wirst du wieder herstellen. Dann wird man über dich sagen: Das ist der, der die Mauerlücken schließt und unwegsames Land wieder bewohnbar macht.

Predigt


Liebe Gemeinde,

Gott sieht das religiöse Handeln der Menschen nicht. Oder besser, Gott übersieht das religiöse Handeln seines Volkes. Während der Sabbat gehalten und auch gefastet wird, gehen andere Bestandteile des religiösen Lebens unter. Neben der religiösen Praxis gehen die Menschen unmöglich mit ihren Mitmenschen um. An den Sabbaten werden Geschäfte gemacht, das Geld steht im Mittelpunkt. Die Arbeiterinnen und Arbeiter müssen viel arbeiten, für sie ist der Sabbat kein Ruhetag. Sie werden ausgebeutet. Es gibt Streit und Menschen werden geschlagen. Jesaja leitet die Botschaft Gottes an das Gottesvolk Israel weiter. So wie miteinander umgegangen wird, ist der Sabbat zu einem inhaltsleeren Ritual geworden, er hat seine Heiligkeit verloren und das Fasten ist bedeutungslos und bloß äußerlich. Währenddessen hält sich das Volk Israel für gerecht und weist darauf hin, dass am Sabbat Gottesdienst gefeiert wird. Aber sowohl Sabbat als auch Fasten sind rein äußerlich, mit der Innerlichkeit des Glaubenslebens haben sie nichts mehr zu tun. Ein Glaube, der das Leben prägt und verändert ist das nicht.

Gott verbindet das Fasten und den Sabbat mit einem ganz anderen Umgang miteinander. Gottes Anspruch an sein Volk ist eine umfassende Gerechtigkeit und keine leeren Rituale. Diese Gerechtigkeit fehlt, sie muss wieder hergestellt werden. Dem entspricht ein liebevoller Umgang miteinander. Die erste Bedingung ist, dass die Menschen frei sind: Die Fesseln des Unrechts sollen gelöst werden, die Stricke des Jochs entfernt, die Versklavten sollen frei sein, es soll sogar jedes Joch zerbrochen werden. Ein Joch ist eigentlich ein Zuggeschirr für Ochsen, hier wird es verwendet um Umstände zu bezeichnen, in denen Menschen unter Zwang arbeiten müssen – so wie Ochsen. Für Gott ist klar: Man kann Menschen nicht wie Ochsen arbeiten lassen. Die Menschen sollen befreit werden aus diesen Zwängen. Seit dem Auszug aus Ägypten ist Freiheit ein zentraler Bestandteil des Glaubens der Israeliten und Israelitinnen, der Auszug aus Ägypten war ein Weg in die Freiheit. Und dieser Auszug war extrem mühsam, aber das Ziel Freiheit war der Grund, die Mühen auf sich zu nehmen. Gegenüber anderen Erzählungen aus der Antike ist der Auszug aus Ägypten eine Neuheit: Anfang und Ende unterscheiden sich voneinander. Der Auszug in die Freiheit, das mühsam erreichte Ende der Erzählung, ist aber bereits am Anfang der Erzählung da als Hoffnung und Verheißung. Im Gegensatz dazu wiederholt sich das Schicksal in anderen Erzählungen der Antike, so z.B. bei Odysseus. Beim Auszug aus Ägypten handelt es sich um die erste Erzählung, in der Menschen gemeinsam für eine bessere Zukunft so einstehen. Sie nehmen die enormsten Mühen auf sich, um am Ende frei zu sein. Und das Ziel der Freiheit ist am Ende alle Anstrengungen und Entbehrungen wert.

Später aber, davon erzählt Jesaja, hat sich das Glaubensleben des Volkes Israel gewandelt. Die Botschaft der Freiheit ist immer mehr in den Hintergrund geraten. Die Botschaft ist noch da, aber inhaltlich setzt man sich nicht mehr damit auseinander. Menschen waren unfrei, und Sabbat wurde weiterhin gefeiert. Die Inhalte verblassten, das Ritual blieb. Das Leben der Menschen widerlegte diesen Gottesdienst. Wo so mit den Menschen, mit Gottes Ebenbildern umgegangen wird und Menschen unfrei und hungrig sind, da sind der Gottesdienst und das Fasten unehrlich. Sie werden weiterhin gemacht, um die Inhalte kümmert sich aber niemand mehr.

Gott hat noch weitere Forderungen an den Menschen, die Jesaja den Israelitinnen und Israeliten ausrichtet. Die Hungrigen sollen satt werden, obdachlose Menschen sollen im Haus aufgenommen werden, wer nackt ist soll Kleidung bekommen und die Verwandtschaft soll unterstützt werden. Die Menschen sollen also frei sein, und wer Essen, ein Dach über dem Kopf oder Kleidung braucht, soll unterstützt werden. Dabei handelt es sich um Forderungen, die Jesus später aufgenommen hat. Wie Jesaja waren ihm die Menschen wichtig, die am Rande der Gesellschaft standen. Und auch wenn es vordergründig um Unterstützung geht, so ist damit nicht alles gefasst, was Jesaja und später auch Jesus wichtig ist. Das Brot wird gebrochen, geteilt und gemeinsam gegessen. Die Gemeinschaft, die durch das gemeinsame Essen entsteht, ist dabei auch wichtig. Gemeinsames Essen verbindet – auf eine sehr besondere Weise, wie nur wenig anderes.

Die Aufforderung Gottes, die Jesaja weiterleitet, ist klar: Wenn der Sabbat mit einer neuen Inhaltlichkeit gefüllt wird, dann wird Gott sich seinem Volk wieder zuwenden. Die Inhalte von Gottes Botschaft müssen wieder ernst genommen werden, dann hat auch der Sabbat eine neue Bedeutung. Der Sabbat ist verbunden mit einer Zuwendung zu den Menschen, die Ebenbilder Gottes und seine Geschöpfe sind. Es soll niemand unterdrückt und ausgebeutet werden, im Umgang miteinander hat Zwang keinen Platz. Wer Essen oder Kleidung braucht, dem soll geholfen werden. Dann wird Gottes Licht zurückkommen zu seinem Volk, und Gott wird den Menschen wieder wohlgesonnen sein. Die Gerechtigkeit des Gottesvolkes Israel ist verbunden mit der auf sie folgenden Herrlichkeit Gottes.

Dann wird Gott antworten, wenn die Menschen nach ihm rufen. Wenn die Menschen Hilfe brauchen, wird Gott da sein. Wenn die Unterdrückung beendet wird und die Hungrigen satt werden, dann wird das Licht die Finsternis überwinden. Gott wird mit seinem Volk sein und auch in Dürrezeiten dafür sorgen, dass die Menschen satt werden. Israel gleicht dann einem bewässerten Garten und die Quelle wird nie versiegen. Wo lange nichts mehr angebaut wurde, werden wieder Pflanzen wachsen. Die Ruinen alter Zeiten werden vom Volk Israel wieder aufgebaut werden und es werden wieder Menschen darin wohnen. Die Israelitinnen und Israeliten durften zu dieser Zeit nach einer langen Zeit im Exil wieder zurückkehren, sie kamen zurück zu den Ruinen und den brach liegenden Feldern. Die Hoffnung ist da, alles wieder aufbauen zu können und neue Felder anzulegen. Es sollte wieder möglich werden, im eigenen Land gemeinsam als Gemeinschaft zu leben.

In unseren Gottesdiensten kann es zu ähnlichen Problemen kommen, wie die Missstände, die Jesaja kritisiert. Manchmal habe ich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gehört, dass der Gottesdienst in ihren Augen sehr ritualisiert und unglaubwürdig ist. Die Authentizität geht auch in unserem Gottesdienst verloren, wenn wir den oder die Nächste aus den Augen verlieren. Wir sollten sie oder ihn lieben wie uns selbst. Ein Zeugnis dieser Zuwendung zur Nächsten ist unser Soziales Bekenntnis, eine Besonderheit methodistischer Tradition. In diesem heißt es: „Wir stehen ein für die Überwindung von Ungerechtigkeit und Not.“ Oder: „Wir sind bereit, mit den Benachteiligten unsere Lebensmöglichkeiten zu teilen. Wir sehen darin eine Antwort auf Gottes Liebe.“ Die Kirche hat die Aufgabe, sich den Menschen zuzuwenden. Es ist gerade in diesen Zeiten notwendig, die Hoffnung auf eine menschlichere Gemeinschaft aufrecht zu erhalten. Der Mensch ist nicht perfekt, und dennoch ist es unsere Aufgabe, an einer besseren Zukunft mitzuwirken und unser Bestes zu versuchen. Die Kirche hat dabei eine besondere Aufgabe, sie darf nicht zu einer Vollstreckerin der Gesellschaft werden. Wir sind in der Welt, aber nicht von der Welt. Statt sich der Welt und ihren Maßstäben anzupassen, gilt es, sich an Gott und an Gottes Willen auszurichten. Dem Willen Gottes zu folgen ist das, was wir uns als Kirche zum Ziel gemacht haben. Die Umwelt und die Zustände in der Welt sind keine Richtschnur für unser Handeln. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ In Gottes Heiligem Buch, das auch unser Heiliges Buch ist, wird so oft darauf hingewiesen, wie wir miteinander – mit Gottes Ebenbild – umgehen sollen. Lasst das unser Maßstab sein, wie wir miteinander und mit unseren Mitmenschen umgehen wollen. Lasst uns mit Gottes Hilfe seine Liebe in die Welt tragen.

Amen. 

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