Schifra und Pua

Glaubensimpuls

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Bernhard Lasser

Laienprediger


Predigt über die israelitischen Hebammen Schifra und Pua (2. Mose 1,8–22)

Pre­digt­text


2. Mose 1,8-22

8Aber dann kam ein neuer König in Ägypten an die Macht. Der wusste nichts mehr von Josef. 9Er warnte sein Volk: »Seht euch vor! Das Volk der Israeliten ist zahlreich und stärker als wir. 10Auf, lasst uns planen, was wir tun können, damit sie sich nicht immer weiter vermehren. Sonst schließen sie sich unseren Feinden an, wenn es zum Krieg kommt. Dann kämpfen sie gegen uns und werden das Land verlassen.« 11Deshalb setzten die Ägypter Aufseher ein. Die sollten die Israeliten zu harter Arbeit zwingen: Sie mussten für den Pharao die Städte Pitom und Ramses als Vorratslager bauen. 12Doch als die Ägypter das Volk immer härter unterdrückten, wurde es noch zahlreicher und breitete sich aus. Da packte sie das Entsetzen vor den Israeliten. 13Sie zwangen sie mit Gewalt zur Arbeit 14und machten ihnen das Leben zur Qual. Sie mussten als Sklaven Ziegel aus Lehm machen und sich auf den Feldern plagen. Zu all dem zwang man sie mit Gewalt.

15 Dann befahl der König von Ägypten den hebräischen Hebammen – die eine hieß Schifra und die andere Pua: 16 »Wenn ihr den Hebräerinnen helft, achtet bei der Geburt auf das Geschlecht! Ist es ein Junge, dann tötet ihn. Ist es ein Mädchen, dann darf es leben.« 17Aber die Hebammen waren Gott gehorsam. Deswegen taten sie nicht, was der ägyptische König befohlen hatte. Sie ließen die Jungen am Leben. 18Da rief der ägyptische König die Hebammen herbei und stellte sie zur Rede: »Warum tut ihr das und lasst die Jungen am Leben?« 19Die Hebammen erwiderten dem Pharao: »Die hebräischen Frauen sind nicht sowie die ägyptischen Frauen. Sie sind voller Lebenskraft: Bevor die Hebamme kommt, haben sie schon geboren.« 20Deshalb ließ Gott es den Hebammen gut gehen. So wurde das Volk der Israeliten zahlreich und immer stärker. 21Weil die Hebammen Gott gehorsam waren, schenkte er auch ihnen viele Nachkommen. 22 Da befahl der Pharao seinem ganzen Volk: »Jeden neugeborenen Jungen werft in den Nil! Nur die Mädchen sollt ihr am Leben lassen!«

Predigt


Liebe Gemeinde,

gerade haben wir von der Rettung der israelitischen Kinder durch die Hebammen Schifra und Pua gehört. Es ist eine unerhörte Geschichte. Unerhört einerseits, weil diese Geschichte nicht so oft erzählt wird. Unerhört andererseits, weil die Geschichte von unerhörtem Ungehorsam gegen den damals mächtigsten Mann der Welt erzählt. Ein Widerstand, der besonders von Frauen nicht erwartet wurde.

Die Bevölkerung Ägyptens und die israelitische Minderheit hatten sich, seit Josef und sein Haus in Ägypten waren, gut vertragen. Nach heutigen Maßstäben hätten sie wohl die Staatsbürgerschaft gehabt. Aus der Freundschaft der beiden Völker ergaben sich auch für Ägypten viele Vorteile. Wenn es so weitergegangen wäre, hätte das für beide Seiten viele Vorteile gehabt. Beide Seiten profitierten von der Zusammenarbeit. Dies sollte sich nach langer Zeit guter Zusammenarbeit ändern.

Ein neuer Pharao kam an die Macht. Der neue Pharao wusste nichts von Josef. Der Pharao kannte die eigene Geschichte nicht. Auch die Geschichte der Minderheit in seinem Land kannte er nicht. Das ist immer gefährlich. Warum wandte sich der Pharao gegen die Israeliten und Israelitinnen? Hier spielte Angst eine große Rolle. Die Israeliten und Israelitinnen wurden immer mehr. Gottes Zusage, dass sie sich vermehren sollten, hatte sich auch in Ägypten erfüllt. Und der Pharao bekam Angst, dass er bei einem Aufstand der israelitischen Minderheit nicht standhalten könne. Es zeigt sich ein auch heute noch bestehender Widerspruch im Umgang mit Minderheiten aus anderen Ländern: Einerseits werden sie für die Arbeit gebraucht, andererseits werden sie als Gefahr gedeutet. Der Pharao hatte Angst vor dem Einfluss der Israeliten und Israelitinnen in Ägypten. Sie könnten ja die ägyptische Hochkultur und ihre Werte in Gefahr bringen. Der neue Pharao will nichts mehr von den Verträgen zwischen dem alten Pharao und Josef wissen. So sieht der Pharao in den israelitischen Menschen nur eine Bedrohung.

Die Israeliten und Israelitinnen sind sehr erfolgreich. Sie haben besondere Fähigkeiten, die sie in Ägypten gut einbringen können. Gegenüber der ägyptischen Bevölkerung stellt der Pharao die israelitische Minderheit als feindlich dar. Er konstruiert einen Unterschied zwischen der ägyptischen Bevölkerung und der israelitischen Bevölkerung, zwischen einem „wir“ und denen, die nicht dazu gehören. Aus der Perspektive des Pharaos war die innere Sicherheit seines Landes bedroht. Einfach ziehen lassen konnte er die israelitische Bevölkerung aber nicht, da er sie als Sklaven und Sklavinnen brauchte. Der Pharao richtete sein Denken und sein Handeln an der von ihm als feindlich wahrgenommenen Minderheit aus. Die Israeliten und Israelitinnen wurden gezwungen, harte Sklavenarbeit zu machen.

Der Pharao versuchte die Israeliten und Israelitinnen durch immer mehr Arbeit zu unterdrücken. Er wollte damit zeigen, wer der Herrscher im Land ist. Er will Druck aufbauen und Widerstand verhindern. Neben der Arbeit hätte die israelitische Bevölkerung dann ohnehin keine Zeit für ein Leben abseits der Arbeit. Für den Pharao hat das große Vorteile: Die israelitische Minderheit muss nun die Arbeit machen, die sonst niemand machen wollte. Die aufgezwungene Arbeit war enorm.       

Dennoch gelingt der Plan des Pharaos nicht. Die israelitische Minderheit wächst trotz der enormen Arbeitsbelastung weiter an. Um dagegen zu wirken, befiehlt der Pharao die männlichen Kinder zu töten. Er versucht, Schifra und Pua zu seinen Gehilfinnen zu machen. Die männlichen Kinder wären im Falle eines Aufstandes gefährlicher als die Mädchen. So sollte nun doch ein möglicher Aufstand dieser Minderheit verhindert werden. Dann aber geschah etwas Unerwartetes. Zumindest für den Pharao war es unerwartet. Aber auch in der Gesellschaft wurde wohl nicht damit gerechnet.

Die Hebammen widersetzten sich dem Pharao. Die Frauen, denen er kurz vorher in der Erzählung keinen Widerstand zugetraut hat, widersetzen sich. Auch die Frauen wurden gefährlich für den Pharao, nicht nur die Männer stellten eine Gefahr dar. Der Aufstand beginnt an einer ganz anderen Stelle als der Pharao das vermutet hat.        

Schifra und Pua arbeiteten an der Grenze zwischen Leben und Tod. Es war immer wieder beglückend, zu erfahren, wie neues Leben entsteht. Jedes neue Leben stand in Bezug zu Gott, dem Schöpfer alles Lebenden. Jede Geburt war verbunden mit Gebeten. Schifra und Pua haben bereits vielen Kindern auf die Welt geholfen und nun sollten sie Kinder töten. Auch bei der Geburt des Pharao hatte eine Hebamme geholfen. Und dennoch verlangte er so etwas. Er verlangte etwas, das ganz drastisch gegen die Berufsethik der Hebammen gerichtet ist.

Es ist interessant, dass Schifra und Pua in dieser Erzählung einen Namen haben. Namen werden in der Bibel meistens genannt, wenn sie mit Macht verbunden sind. Der Pharao wird nicht namentlich genannt. Das ist ein ungewöhnliches Phänomen. Die Bedeutung der beiden Hebammen wird immens gesteigert im Vergleich zu dem Pharao. Der Pharao war vor kurzem noch mächtig, aber trotzdem steht er nun namenlos Schifra und Pua gegenüber. Schifra und Pua haben die Macht, Leben zu retten, der Pharao hat nicht die Macht einzugreifen und zu töten.

Dass die Hebammen in dieser Erzählung die wichtige Rolle spielen ist nicht verwunderlich. Die Geburt und Geburtshilfe war allein Frauen vorbehalten. Ein männlicher Arzt, der bei einer Geburt hilft, war damals unvorstellbar. So können nur die Hebammen Schifra und Pua das drohende Unglück der Israeliten und Israelitinnen abwenden. Schifra und Pua leisten Widerstand gegen den Pharao als es darauf ankommt.

Der Pharao glaubt Schifra und Pua, dass die hebräischen Frauen bereits geboren haben, wenn die Hebammen kommen. Sein Denken ist von Vorurteilen gegenüber der israelitischen Bevölkerung geprägt, Schifra und Pua nutzen das geschickt aus. Der Pharao ist nicht skeptisch geworden. Er hätte ja auch fragen können, wozu die Israelitinnen dann überhaupt Hebammen brauchen. Er glaubte aber Schifra und Pua, weil es zu seinem Denken passte.

Ein anderer Ausgang der Erzählung ist auch denkbar. Es wäre für die Hebammen leicht gewesen, die Kinder sterben zu lassen. Wenn dann nur Mädchen übrig bleiben, müssten diese später ägyptische Männer heiraten und aufgrund der rechtlichen Situation von Frauen in der damaligen Zeit wären sie auch bald ein Teil der ägyptischen Gesellschaft geworden. Dann wäre der Plan des Pharao erfolgreich gewesen.

Schifra und Pua haben nicht diesen Weg gewählt. Sie haben dem damals mächtigsten Mann der Welt Widerstand entgegengesetzt. Es haben nicht nur mächtige Männer bestimmt, sondern auch die Hebammen. Die Erzählung von Schifra und Pua zeigt, welche Effektivität ein Frauennetzwerk damals hatte. Ohne die mutigen Frauen wäre Gottes Zusage, dass sich das Volk Israel vermehren sollte, in dieser Situation in Ägypten nicht in Erfüllung gegangen.

Schifra und Pua können uns ein Leben aus Glauben zeigen. Wir können lernen von ihrem bewundernswerten Beispiel, im Vertrauen auf Gott uns um unsere Mitmenschen zu sorgen. Seien das nun jüngere oder ältere Menschen, sie alle sind Gottes Ebenbilder. Unser Umgang miteinander erfordert, im anderen Gottes Ebenbild, einen von Gott geliebten Menschen zu sehen. Das ist nicht immer leicht. Schifra und Pua sind hier besonders beeindruckend, sie schützen die Kinder trotz der enormen Macht, der sie gegenüberstehen.

Die Erzählung erinnert an Vernichtungspläne des Pharaos den Israeliten und Israelitinnen gegenüber. Und gleichzeitig bleibt die Erinnerung an zwei Frauen, die durch ihren Widerstand viele Leben retten. Die nach ihren Überzeugungen aus einem tiefen Glauben handelten. Die im Gebet zu Gott darauf vertrauten, dass Gott ihnen beistehen wird. Auch wenn für ihre Überzeugungen und ihren Glauben einzustehen bedeutete, sich dem mächtigsten Mann der Welt zu widersetzen. Weil Schifra und Pua die Kinder retteten, hatte Gottes Zusage Bestand. Das Volk Israel wuchs an und eines der Kinder, die bald darauf geboren wurden, war Mose. Lasst uns liebevoll einander zuwenden, in allen Menschen das Ebenbild Gottes sehen und im Umgang miteinander vertrauensvoll auf Gott schauen. Lasst uns lernen vom Mut und vom Gottesvertrauen Schifras und Puas.

Amen.

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