Siehe, es kommt die Zeit, spricht Gott der Herr, dass ich einen Hunger ins Land schicken werde nach dem Wort des Herrn, es zu hören!
Glaubensimpuls
Laienprediger
Predigttext Amos 8,1-12
Die vierte Vision
81Gott, der Herr, ließ mich eine Vision sehen:
Ich sah einen Korb mit reifem Obst.
2Er sprach: »Was siehst du, Amos?«
Ich antwortete: »Einen Korb mit reifem Obst.«
Da sprach der Herr zu mir:
»Reif wie das Obst ist mein Volk für das Ende.
Ich werde Israel nicht noch einmal verschonen!«
3So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn:
Wenn das Ende gekommen ist,
werden die Sängerinnen im Königspalast jammern.
Alles ist voller Leichen, überall warf man sie hin.
Es herrscht Totenstille.
Betrüger unter den Kornhändlern
4Hört her, die ihr auf dem Armen herumtrampelt!
Die Bedürftigen im Land, die wollt ihr ruinieren!
5Ihr sagt: »Wann ist der Neumondtag vorbei?
Dann können wir wieder Getreide verkaufen.
Wann ist der Sabbat endlich vorüber?
Dann wollen wir unsere Kornsäcke öffnen.
Beim Verkauf geben wir weniger Getreide her
und verlangen einen höheren Preis dafür.
Beim Abwiegen verwenden wir falsche Gewichte.
6Auch den Abfall des Getreides verkaufen wir noch!«
Für Geld kauft ihr den Hilflosen als Arbeitskraft
und den Armen zum Preis von einem Paar Schuhe.
7Doch der Herr hat bei sich geschworen,
bei dem Stolz Jakobs:
Niemals werde ich vergessen, was sie getan haben!
8Muss deswegen nicht die ganze Erde beben,
sodass all ihre Bewohner trauern?
Ja, die ganze Erde hebt sich wie der Nil
und senkt sich wie der Strom Ägyptens.
Ankündigung göttlicher Strafen
9So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn:
Wenn der Tag des Gerichts gekommen ist,
lasse ich die Sonne am Mittag untergehen.
Dann wird die Erde stockdunkel am helllichten Tag.
10Eure Feste verwandle ich in eine Trauerfeier
und euren ganzen Festgesang in eine Totenklage.
Ich sorge dafür, dass ihr Trauergewänder tragt
und euch allen eine Glatze geschoren wird.
Ich mache euch so verzweifelt wie einen,
der um sein einziges Kind trauert.
Am Ende ist es ein ganz bitterer Tag.
11So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn:
Passt auf, schon bald kommt eine Zeit,
da bringe ich eine Hungersnot über das Land.
Doch man wird weder nach Brot hungern
noch sich nach Wasser sehnen!
Vielmehr wird man danach hungern,
die Worte des Herrn zu hören.
12Von Meer zu Meer werden sie taumeln
und von Norden nach Osten laufen.
So suchen sie nach dem Wort des Herrn.
Aber sie werden es nirgendwo finden.
In der Übersetzung der BasisBibel, (C) Deutsche Bibelgesellschaft
Predigt
Liebe Gemeinde,
Zur Zeit des Amos war Israel in zwei Reiche aufgeteilt, das Nordreich Israel und das Südreich Juda. Das Nordreich erlebt eine wirtschaftliche Blütezeit, die aber auch ihre Schattenseiten hat. Und das sind enorme Schattenseiten. Die armen Menschen werden rücksichtslos ausgebeutet und um diese Macht der Reichen zu erhalten, werden Betrug und Bestechung verwendet. Amos lebte zu der Zeit im Südreich als Bauer und züchtete Schafe. Seine Visionen und Gottes Auftrag bringen ihn dazu, ins Nordreich zu gehen, und er sagt den Untergang des Nordreiches Israel voraus. Zunächst noch mit der Möglichkeit einer Umkehr, wenn die Menschen miteinander umgehen, wie Gott das in den Geboten befohlen hat. Auch am Ende des Amosbuches zeigt sich eine Hoffnung auf Umkehr.
Eine Gesellschaft, die auf Ausbeutung und Unrecht beruht, kann nach Amos keinen Bestand haben. Da spielt es keine Rolle, wie oft Gottesdienst gefeiert wird. Die Herrschenden berufen sich darauf, dass Gott Israel aus Ägypten befreit hat und dass Gott daher weiterhin auf ihrer Seite stehen wird. Daher ist ihnen das oftmalige Gottesdienst feiern wichtig, und einen Widerspruch zu der Ausbeutung der armen Menschen sehen sie nicht. Sie erkennen auch nicht, dass der Auszug aus Ägypten verbunden war mit einem Ende der Ausbeutung des Volkes Israel in Ägypten. Somit ist der Gottesdienst ein leeres und bedeutungsloses Ritual geworden. Er wird noch gefeiert, zentrale Inhalte haben aber keine Bedeutung mehr. Neben dem Handeln der Herrschenden ist der Gottesdienst heuchlerisch. Eine Gewinnmaximierung um jeden Preis – so kann mit Gottes Geschöpfen nicht umgegangen werden. Durch das Handeln der Herrschenden wurde die arme Bevölkerung noch weiter in die Armut oder sogar in die Sklaverei getrieben. Das wurde gnadenlos ausgenutzt. Amos kritisiert, dass die Herrschenden ihrer Verantwortung Gott gegenüber absolut nicht gerecht werden. Mit der Erwählung, der Verheißung und der Landnahme durch das Volk Israel gingen Verpflichtungen einher, wie miteinander umgegangen werden sollte. Amos formuliert das im dritten Kapitel des Buches so: „Aus allen Geschlechtern auf Erden habe ich allein euch erkannt, darum will ich auch an euch heimsuchen all eure Sünde.“[1] Aus der Erwählung durch Gott folgt die Verantwortung, Gottes Geboten zu folgen. Einen wahren Gottesdienst beschreibt Amos folgendermaßen: „das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“[2] Die Herrschenden richteten sich weder nach dem Recht noch nach der Gerechtigkeit.
Die Gebote Gottes lassen eine solche Ausbeutung nicht zu. Alle Menschen sind in den Geboten Gottes wichtig, sie wurden von Gott als Ebenbilder geschaffen. Fremde sollen nicht unterdrückt, sondern so behandelt werden wie die Israeliten. Bei der Ernte soll etwas übrig gelassen werden für fremde und arme Menschen. Im Deuteronomium, dem fünften Buch Mose, heißt es sogar: „Es soll überhaupt kein Armer unter euch sein[.]“[3] Gottes Gebote für den Umgang der Menschen miteinander schließen eine solche Ausbeutung von Mitmenschen aus. Die Gesellschaft soll soweit das möglich ist, so gestaltet werden, dass es keine Armut mehr gibt. Dafür wurden laut dem Buch Levitikus regelmäßig im Jobeljahr alle Schulden erlassen, aller Boden fällt zurück an Gott und die Schuldsklaven und -sklavinnen werden freigelassen.[4] Alle 49 oder 50 Jahre sollte dieses Jobeljahr stattfinden. Die Herrschenden zur Zeit des Amos handelten ganz anders, wenn sie die armen Menschen sehr brutal ausbeuteten und sogar in die Schuldsklaverei trieben.
Amos hält fest an den biblisch bezeugten Anfängen Israels, von dort kommt seine Kritik. Diese Anfänge, die Gebote, sind die Grundlage der Kritik von Amos. Sie zeigen, wie Gott das Miteinander der Menschen in Israel möchte. Gott hat dem Volk Israel diese Gebote in Verbindung mit dem Auszug aus Ägypten gegeben. Die Verwirklichung des dort von Gott gegeben Rechts und der von Gott gegebenen Gerechtigkeit ist ein mit Leben gefüllter Bund mit Gott. In seiner Zeit erlebt Amos im Nordreich Israel das genaue Gegenteil davon, die die Anfänge Israels in der Bibel beschrieben werden. So wie Amos an diesen Anfängen festhält, ruft er auch die Herrschenden dazu auf, an diesen Anfängen festzuhalten und die aktuelle Herrschaft daran zu orientieren.
Bevor der Amos-Text aus der heutigen Lesung losging, fand ein Gespräch statt zwischen dem Hohepriester Amazja und Amos. Amazja hält die Kritik des Amos für unmöglich, er argumentiert dabei mit der Autorität des Königs und mit dessen Macht über das Land und die Bevölkerung. Amos hingegen verweist auf die Autorität Gottes. Amos hatte bereits zuvor gewarnt, dass eine Umkehr – also ein menschlicher Umgang miteinander – notwendig ist. Ohne einen neuen Umgang miteinander kann das Nordreich nicht bestehen. Ein Umgang miteinander ist notwendig, der geleitet ist von Gottes Geboten. Den Herrschenden aber war ihr Lebensstil und die Gewinnmaximierung wichtiger. Da die Kritik des Amos zutraf und sie sich damit nicht auseinander setzen wollten, bzw. wollten, dass die Bevölkerung diese Kritik hört, verbannten sie Amos, er kehrte aber zurück.
Die dann beschriebene Vision zu Beginn der Lesung ist Amos vierte Vision. In ihr zeigt sich, dass das Ende Israels nicht mehr abzuwenden ist. Im hebräischen Text gibt es da ein Wortspiel: Das Wort für Obst und das Wort für Ende klingen sehr ähnlich. Amos erklärt das bevorstehende Ende des Nordreiches, er geht dabei ganz besonders auf die grenzenlose Gier der Herrschenden ein. Die Grundlagen einer auf Gerechtigkeit und Vertrauen basierenden Gesellschaft sind zerstört, die arme Bevölkerung wird extrem ausgebeutet. Dennoch wird viel Gottesdienst gefeiert. Aber so, wie die Herrschenden mit ihren Mitmenschen und mit der Umwelt umgehen, wird Gottes Wort zwar gesucht, es kann aber nicht mehr gefunden werden. Auch, dass Amos verbannt wurde, trägt dazu bei, dass Gottes Wort nun nicht mehr gehört werden kann. Die Befreiung aus Ägypten, auf die sich die Herrschenden berufen, galt aber allen Israeliten und Israelitinnen, genauso wie das Land dem Volk Israel gehört, und nicht den Herrschenden, die um jeden Preis ihren Gewinn maximieren möchten.
Auch die von Gott angeordnete Ruhe am Sabbat und bei anderen Festen ist für die Herrschenden nur störend. Sie können deshalb nichts verkaufen. Die Ruhe am Sabbat ist für sie nur ein Hindernis bei der Gewinnmaximierung. Sie halten sich zwar an den Sabbat und an die Ruhe bei anderen Festen, beklagen aber den finanziellen Verlust. Um Ruhe geht es ihnen nicht. Betrug kommt nun auch dazu, das Maß soll kleiner gemacht werden und der Preis größer. Schließlich sollen auch Menschen, die unter den gegebenen Umständen ihre Existenz nicht mehr erhalten können, von den Herrschenden gekauft werden. So können diese Menschen noch stärker ausgebeutet werden. Das entspricht keineswegs dem Umgang miteinander, den Gottes Gebote seinem Volk befehlen.
Schließlich kam auch ein Erdbeben, das die Folgen des Handelns der Herrschenden in der Zukunft zeigt. Nur 25 Jahre später sollte das Nordreich Israel von den Assyrern erobert werden.
Es gibt ein weiteres hebräisches Wortspiel in dem Text, ‘raok', der Nil, und rAa), das Licht. In Amos 5,18-20 hat dieser angekündigt, dass der Tag des Herrn kein Tag des Lichts sein würde, sondern ein Tag der Finsternis. Das, was in den Gottesdiensten der Herrschenden als Tag des Lichts gefeiert wird, sollte sich als Tag der Finsternis herausstellen. Das Licht als Metapher des Lebens wird abgelöst von der Metapher der Finsternis, die für den Tod steht.
Amos beschreibt, wie Gott nun mit dem Nordreich Israel und seinen Herrschenden umgehen wird. Die Feste werden in Trauer verwandelt, die Lieder werden zur Totenklage. Die Menschen werden nach Gottes Wort suchen, es aber nicht finden. Der, der im Gegensatz zu den Hofpropheten der Herrschenden auf Gott und Gottes Gebote hingewiesen hat, Amos, war verbannt worden. Und die lebensspendenden Worte Gottes waren nicht mehr zu hören. Ein Leben, in dem der Mensch nicht nur vom Brot lebt, sondern von jedem Wort aus Gottes Mund, war nun nicht mehr möglich.[5]
Alles, was nicht dem Geschäfte machen diente, haben die Herrschenden Israels aus dem Leben verbannt. Sie haben so auch die Religion, den Glauben und die damit verbundenen Inhalte verbannt. Sie wurde weiter betrieben, verkam aber zum inhaltslosen Ritual.
Parallelen zwischen dem Handeln der Herrschenden in der Zeit von Amos und einer neoliberalen Wirtschaft sind klar erkennbar. Und auch wir leben in dieser Welt, mit ihrer Wirtschaft und ihrer Politik. Wir sind zwar in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt.[6] So wie Amos die Menschen aufruft, sich an den Geboten Gottes zu orientieren, können wir uns auch an diesen Geboten orientieren. Die Welt und ihre Zustände sind eine zufällige Orientierung, das Wort Gottes und die Gebote sind eine Orientierung, die über die Zeit hinweg bestehen bleibt. Wie Jesus sagte, kann man nicht Gott und dem Mammon dienen.[7] Lasst uns im Vertrauen auf Gottes Hilfe unser Handeln orientieren an Gottes Liebe und den Geboten. Amen.
[1] Lutherbibel 2017, Amos 3,2.
[2] Einheitsübersetzung, Amos 5,24.
[3] Lutherbibel 1984, Deuteronomium 15,4.
[4] Vgl. Levitikus 8-31.
[5] Vgl. Deuteronomium 8,3.
[6] Vgl. Johannes 17,16.
[7] Vgl. Matthäus 6,24; Lukas 16,13.
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